Es ist es soweit. Das Dateiformat OOXML von Microsoft, das mit dem Büro-Software-Paket Office 2007 eingeführt wird, ist jetzt offiziell von der ISO als Norm ISO/IEC DIS 29500 anerkannt.
Deutlich mehr als zwei Drittel der nationalen Normungs-Institutionen stimmten für die Anerkennung von OOXML, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der internationalen Normungsorganisationen International Organization for Standardization (ISO). Dem voran war ein langes und zähes Ringen gegangen.
In einer ersten Reaktion begrüßte Achim Berg, Vorsitzender der Geschäftsführung Microsoft Deutschland, die Entscheidung. "Davon profitieren Technologie-Anwender und Regierungen, denn sie können das Dokumenten-Format wählen, das am besten ihren Ansprüchen genügt", erklärte er. Auch Wolfgang Berchem, Vorstandssprecher der deutsche Microsoft Anwendervereinigung (mbuf), sieht darin eine gute Nachricht, "vor allem für Anwender und Firmen, die bisher überwiegend die proprietären Microsoft Doc-Formate einsetzen.
Mehr als 3.500 Kommentare
Noch im September 2007 war die Anerkennung von OOXML durch die ISO knapp gescheitert. Das im "Ballot Resolution Meeting" abgegebene Votum lautete "Ja mit Kommentaren".
Diese Entscheidung hatte auch das Deutsche Institut für Normung (DIN) mitgetragen und in mehr als 160 Kommentaren Verbesserungen gefordert. Mit der Angelegenheit war der Normenausschuss Informationstechnik und Anwendungen (NIA) befasst.
Weltweit waren es mehr als 3.500 Kommentare. Die Anmerkungen flossen - bearbeitet und in einem knapp 3.000 Seiten starken Dokument zusammengefasst - in das aktuelle Verfahren ein und dienten als Diskussionsgrundlage.
Hitzige Diskussionen
Der Abstimmungsprozess über das neue Format war in den ISO-Mitgliedsländern von Diskussionen und Vorwürfen begleitet. "In diesem Normungsverfahren wurden die Debatten deutlich hitziger geführt als bei anderen", erklärt Stefan Weisgerber, Geschäftsführer NIA beim DIN. "Dies illustriert die strategische Wichtigkeit der Entscheidung."
Damit ist die jetzige Entscheidung nicht nur unter rein technischen, sondern auch wirtschaftlichen und politischen Aspekten zu betrachten. Software-Standards sind für Unternehmen und Behörden eine tolle Sache. Sie sparen dadurch den Aufbau und die Pflege von Schnittstellen und letztlich Kosten.
Standards und Normen entfalten dadurch eine gewaltige Marktmacht, selbst wenn sie von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) und deren nationalen Ablegern wie dem DIN nicht anerkannt sind.
Macht über die Dokumente
Zu diesen De-Facto-Standards zählt beispielsweise das Doc- oder Xls-Format von Microsoft. Software-Programme dürfen diese Formate nur laden, wenn der Hersteller für die Programme auch eine Lizenz von Microsoft kauft. Das Doc-Format konkurriert mit dem Open Document Format for Office Applications (ODF), einem Dokumentformat für den Austausch von Daten zwischen Büroanwendungen.
ODF ist, im Gegensatz zu den Microsoft-Formaten, ein lizenzfreier Standard, der vielfältig interoperabel ist. Produkte, die den Standard verwenden sind unter anderem die Büro-Software-Pakete Openoffice, Staroffice, Neooffice und Koffice. Hinzu kommt die Online-Text- und Tabellenverarbeitung von Google. Über externe Plug-Ins wird auch der ODF-Import und -Export in Microsoft-Office-Anwendungen wie Word oder Excel unterstützt.
Das Format wurde ursprünglich von Sun entwickelt, durch die Organisation OASIS als Standard spezifiziert und bereits 2006 als internationale Norm ISO/IEC 26300 veröffentlicht. Mit der ODF-Alliance gibt es zudem eine Vereinigung zur Verbreitung des Standards. Ihr gehören unter anderem IT-Unternehmen wie IBM, Oracle, Sun Microsystems, Google, Novell, Opera Software sowie Red Hat an.
Streit um Anerkennung
Für Unternehmen und Behörden liegt damit der wirtschaftliche Nutzen von ODF auf der Hand. Anders als bei Microsoft fallen nämlich keine Lizenzgebühren an. In den letzten Jahren stiegen viele Organisationen aus Kostengründen sowie aus Gründen der Interoperabilität auf quelloffene Software-Produkte sowie auf den ODF-Standard für Daten- und Dateiaustausch um.
Das wiederum konnte Microsoft nicht gefallen. Im Zuge der Einführung von Office 2007 beschloss der Computer-Konzern aus Redmond, das bisherige Doc- und Xls-Format durch das OOXML-Dateiformat (Open Office Extended Markup Language) abzulösen. Gleichzeitig wollte der Software-Konzern das neue Format als ISO-Standard anerkennen lassen, ohne jedoch etwaige Patentrechte daran aufzugeben.
Kein reifer Standard
Und genau um diese Anerkennung ist in den letzten Jahren ein heftiger Streit entstanden. Während Microsoft seinen neuen Standard in den höchsten Tönen anpreist und unter anderem die verbesserte Interoperabilität mit Geschäfts-Systemen hervorhebt, laufen Vertreter der ODF-Alliance dagegen Sturm.
Zum einen verweisen sie darauf, dass das ODF-Format bereits als Industrie-Standard anerkannt ist und ein zweiter Standard nur die Kostenbelastung für Wirtschaft, Regierungen und Bürger erhöht. Zudem sei die mehr als 6.500 Seiten umfassende Dokumentation fehlerhaft und verletze andere ISO-Normen.
Dazu gehören zum Beispiel ISO 8601 für die Darstellung von Datum und Uhrzeit, ISO 639 für Namen- und Länderkürzel oder ISO/IEC 10118-3 für kryptografische Hash-Funktionen. Aufgrund der ausufernden Dokumentation seien Entwickler nicht in der Lage, eine neue Software zu programmieren, die alle OOXML-Spezifikationen erfüllt. Das wiederum könne zu einer Verletzung von Patenten und Lizenzverpflichtungen führen.
Sauer stieß der ODF-Alliance überdies auf, dass der neue Standard nach den Regularien des JTC1-Fast-Track-Verfahrens verabschiedet werden sollte. Dies sei allein "reifen" Standards vorbehalten, die - anders als OOXML - bereits in Software-Produkten implementiert sind, so Marino Marcich, Geschäftsführer der ODF-Alliance.
Post vom Oberbürgermeister
Doch nicht nur Vertreter der ODF-Allianz sprechen sich gegen OOXML als Standard aus. Noch Mitte März 2008 schreibt Münchens Oberbürgermeister Christian Ude an Bundeswirtschaftsminister Michael Glos einen Brandbrief, nachzulesen in der Rathausumschau.
Durch konkurrierende Standards werde der Wettbewerb geschwächt, gibt Ude zu bedenken, denn: Zwei konkurrierende Schnittstellen zu implementieren ist aufwändiger und teurer, als nur einen Standard zu unterstützen. Zudem wird das Projekt der Landeshauptstadt beeinträchtigt, zunehmend freie Software einzusetzen. Darüber hinaus erschwere ein zweiter Standard die Interoperabilität und die Kommunikation zwischen Behörden untereinander sowie zwischen Behörden und Bürgern.
Konvergenzbewegung für offenen Standard
Microsoft wiederum hält dagegen und betreibt Lobby-Arbeit. Im Open-Source-Blog Open Malaysia ist sogar von Korruption die Rede. Zudem gibt der Konzern diverse Untersuchungen pro OOXML in Auftrag.
Eine Studie der Technischen Universität Berlin etwa kommt zu dem Schluss, dass aus Sicht der qualitativen Wohlfahrtsanalyse nichts gegen eine Aufrechterhaltung des Standardisierungswettbewerbs spricht und dadurch Standards technisch weiterentwickelt werden. Darüber hinaus tragen parallele Standards dazu bei, die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung von Nutzerpräferenzen besser abzufedern.
"Grundsätzlich ist in der Regel ein einziger Standard zu einem Anwendungsgebiet wünschenswert", so Stefan Weisgerber. ""Auch wenn jetzt mit OOXML und ODF zwei Standards akzeptiert sind, rechne ich mittelfristig mit einer vom Markt getriebenen Konvergenzbewegung, an deren Ende ein einziger, ohne Einschränkungen offener Standard steht."