Nadella gab sich betont selbstbewusst. Die eigene Cloud-Plattform Azure solle der "Computer der Welt" werden, sagte der Microsoft-CEO zum Auftakt der Entwicklerkonferenz Build am 7. Mai in Seattle. Dass die Welt damit nicht unbedingt sicherer wird, ließ eine Panne erahnen, die an beste Bluescreen-Zeiten erinnerte, als auf Microsoft-Konferenzen Präsentationen kollabierten und Rechner abstürzten.
John Knoll Effektspezialist von Industrial Light and Magic sowie der Schriftsteller und Wissenschaftsjournalist Andrew Chaikin wollten mit Hilfe der Microsoft-Datenbrille Hololens 2 die Mondlandung aus dem Jahr 1969 simulieren und virtuell für das Publikum nacherlebbar machen. Doch daraus wurde nichts. Der Großbild-Screen blieb leer, die beiden Protagonisten standen etwas verloren auf der großen Build-Bühne. Nach einer Minute mussten sie sich unverrichteter Dinge wieder hinter die Kulissen zurückziehen. "Eine Live-Demo der Mondlandung ist offenbar schwieriger als die Mondlandung selbst", kommentierte Chaikin den technischen Ausrutscher.
Doch während sich früher bei solchen Fehlern Häme und Spott über Microsoft ergoss, gab es diesmal eher freundliches Gelächter. Das liegt auch daran, dass Nadella den Softwarekonzern in den vergangenen Jahren massiv umgebaut und dem Monopolisten ein neues Image verpasst hat. Mehr Offenheit, lautet das Credo des Firmenlenkers. In den vergangenen Jahren hat der Hersteller seine Softwareplattform sukzessive geöffnet. Schnittstellen erlauben es Drittanbietern, sich an die Microsoft-Systeme anzudocken. Selbst Linux - einst als Krebsgeschwür der Softwarebranche beschimpft - können User heute auf Azure nutzen.
Fluid Framework soll Grenzen auflösen
So standen denn auch vor allem die Plattformen im Mittelpunkt von Nadellas Rede an die rund 6000 teilnehmenden Entwickler. Diese sollen künftig mehr Möglichkeiten bekommen, Services für die Microsoft-Welt zu entwickeln. Microsoft hat dafür beispielsweise das "Fluid Framework" vorgestellt, das noch im laufenden Jahr über ein Software Development Kit der Entwicklergemeinde zur Verfügung gestellt werden soll. Damit sollen sich die Grenzen zwischen den verschiedenen Productivity-Tools und den damit verbundenen Dateiformaten mehr und mehr auflösen lassen.
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Über die Funktionen des Frameworks könnten beispielsweise Inhalte aus unterschiedlichen Quellen wie beispielsweise dem Web oder Office-Applikationen in verschiedene Bausteine zerlegt werden, um daraus wieder neue Inhalte zusammenzustellen. Anwender sollen sich nicht mehr darum kümmern müssen, ob sie gerade mit einem Word-Dokument, einem Excel-Sheet oder einer Powerpoint-Präsentation arbeiten. Darüber hinaus sollen intelligente Agenten die Zusammenarbeit innerhalb von Teams unterstützen. Bots könnten dem Hersteller zufolge Bildvorschläge machen, Experten zu bestimmten Themen vorschlagen und Inhalte in andere Sprachen übersetzen. Microsoft kündigte an, das Fluid Framework in Microsoft 365 zu integrieren.
Microsoft 365 bekommt zusätzliche Funktionen
Das Paket aus Windows 10, Office 365 sowie verschiedenen Connectivity-, Mobility- und Security-Services will Microsoft stärker in den Fokus der Entwickler rücken. Microsoft 365 soll künftig die Basis für alle Arten von Business-Software bilden, lautet die Botschaft aus der Firmenzentrale in Redmond. Dafür hat der Softwarehersteller die Funktionen von "Microsoft Graph" erweitert. Graph bildet eine Art Cockpit für Workflow- und Datenpipelines zwischen den verschiedenen Funktionsbausteinen. Über "Microsoft Graph Data Connect" könnten Unternehmen künftig alle Produktivitätsdaten aus Microsoft Graph mit ihren eigenen Geschäftsinformationen in der sogenannten "Azure Data Factory" verbinden.
Auf Microsoft Graph greift auch die neue Funktion Microsoft Search zurück, die in sämtliche Microsoft-365-Bestandteile integriert werden soll. Entsprechende Suchfenster würden in alle Funktionsbausteine wie Office, OneDrive, Outlook, Sharepoint und Windows eingebaut, kündigte der Hersteller auf der Build an. Unternehmen könnten damit effizienter Inhalte und Personen in ihren Netzen finden beziehungsweise identifizieren.
Cortana lernt Kontext zu verstehen
Darüber hinaus will Microsoft verstärkt KI-Funktionen in seiner Software verankern. Beispielsweise soll die Sprachassistentin "Cortana" über die gesamte Microsoft-365-Infrastruktur verteilt werden, kündigte Nadella an. Der CEO versprach die digitale Assistentin mit Hilfe neuer Algorithmen intelligenter zu machen. Demzufolge soll Cortana künftig in der Lage sein, ein kontextbezogenes Verständnis aus Konversationen zu ziehen.
Via Filmeinspielung demonstrierte Microsoft, wie sich Nutzer das künftig vorstellen können: Eine Frau konfrontierte Cortana über ihr Smartphone mit verschiedenen, durchaus komplexen Aufgaben für ihre Termin- und Kalenderverwaltung. Dabei musste Microsofts Assistenzsystem den sich ständig ändernden Kontext aus verschiedenen Fragen und Anweisungen verstehen können. Wann die neue Cortana verfügbar sein wird, wollten die Microsoft-Verantwortlichen jedoch noch nicht verraten.
IE-Modus für Altanwendungen im Edge-Browser
Neben künftigen Anwendungsszenarien muss der Konzern seinen Blick aber auch zurück richten. Im Dezember vergangenen Jahres hatte Microsoft angekündigt, auf das von Google initiierte Open-Source-Projekt Chromium bei der weiteren Entwicklung für den eigenen Browser "Edge" für den Desktop zu setzen. Auf der Build hat der Hersteller neue Funktionen für die kommende Version des Browsers unter Windows 10 angekündigt: Ein IE-Modus (Internet Explorer) richtet sich an die Unternehmen, die noch Anwendungen einsetzen, die den IE erfordern. Das sind laut Microsoft-Zählung immerhin mehr als 60 Prozent aller Betriebe weltweit. Das Feature integriert den Internet Explorer als Tab in Microsoft Edge. Das soll es Anwendern erlauben, Internet Explorer-basierte Anwendungen in Edge auszuführen.
Zum Video: Microsoft will Azure zum Welt-Computer machen
Zudem sollen zusätzliche Kontrollwerkzeuge den Usern künftig die Möglichkeit geben, zwischen drei verschiedenen Datenschutzstufen in Microsoft Edge zu wählen: uneingeschränkt, ausgewogen und strikt. Je nach Auswahl wird die Nachvollziehbarkeit des Nutzungsverhaltens für Drittanbieter entsprechend begrenzt. Das biete Nutzern mehr Kontrolle und Transparenz beim Web-Surfen, verspricht Microsoft.
Nadella bekräftigte in Seattle auch eine Aussage aus der Vergangenheit: "Der Schutz der persönlichen Daten ist ein Menschenrecht", sagte der Microsoft-Chef. Er betonte die Bedeutung von Aspekten wie "Cybersecurity" und einer "verantwortungsvollen KI". Eine wichtige Rolle in diesem Kontext spielten die Entwickler. "Diese Community hat die Macht die Zukunft positiv zu formen", stellte Nadella zum Ende der Keynote fest. "An die Arbeit."