WindowsMobile 6.5

Microsofts Angriff auf iPhone und Blackberry

02.10.2009 von Thomas Pelkmann
Microsoft hat angekündigt, am 6. Oktober eine neue Generation von Smartphones mit Windows Mobile 6.5 auf den Markt zu bringen. Analysten reagieren wenig begeistert.

Mit Windows Mobile 6.5 will Microsoft den Niedergang der Windows-Smartphones stoppen. Nach Angaben von Gartner lag der Anteil von Geräten, die mit einem Betriebssystem von Microsoft arbeiten, im zweiten Quartal dieses Jahres bei gerade einmal neun Prozent.

Im entsprechenden Vorjahresquartal hatte der Anteil noch zwölf Prozent betragen. Zum Vergleich: Der Marktanteil von Apples iPhone stieg im selben Zeitraum von 2,8 auf 13,3 Prozent, insgesamt wuchs der Absatz von Smartphones um 27 Prozent.

Windows Mobile 6.5
Windows Mobile 6-5: Hauptmenü
Über die Windows-Taste, die in Zukunft jedes Windows-Mobile-Smartphone zieren wird, kommt der Anwender direkt ins Hauptmenü. Die bisher schnöden Listen sind als Icons in Form eines Wabenmusters angeordnet. Damit sichert Microsoft genügend Platz rund um jedes Symbol, so dass auch große Hände die Menü-Icons gut treffen. Die dezente Wabenzeichnung, die bei den ersten Screenshots, die Microsoft auf dem Mobile World Congress im Februar 2009 in Barcelona veröffentlichte, noch deutlich zusehen war, ist verschwunden.
Windows Mobile 6-5: Startbildschirm
Die neue Startseite von Windows Mobile wird bunter und bietet eine Programm-Liste zum schnellen Durchscrollen. Derzeit besteht sie aus zehn Links, unter anderem zu E-Mail, Kalender oder Musik-Player. Die Links sind von Microsoft fest vorgegeben, einzig die Netzbetreiber haben Einfluss und können hier eigene Menüpunkte hinterlegen. Der Endkunde kann die vorgegebenen Programme derzeit nicht nach seinem Gusto individualisieren.
Windows Mobile 6-5: Startbildschirm mit E-Mail-Anzeige
Alle wichtigen Informationen wie neue E-Mails und SMS, verpasste Anrufe und Kalendereinträge sieht der Nutzer mit einem Blick. Die Anzeige der am häufigsten genutzten und der zuletzt aufgerufenen Programme bei Klick auf das Windows-Icons oben links im Display gibt es dagegen nicht mehr.
Windows Mobile 6-5: Startbildschirm in Pastell
Wer Knallfarben verabscheut, kann den Startbildschirm auch dezenter gestalten.
Windows Mobile 6-5: Internet Explorer in der Desktop-Version
Der Browser unterstützt jetzt dank Flash Lite auch Flash-Dateien und zeigt neben youtube-Videos somit auch Filme auf tagesschau.de an. Außerdem kann der Nutzer wählen, ob er eine Darstellung wie auf dem PC wünscht oder lieber die mobile Version einer Webseite laden möchte. Hervorragend funktioniert dies mit dem Online-Auftritt von spiegel.de. Hier ist die normale PC-Webseite zu sehen.
Windows Mobile 6-5: Internet Explorer - mobile Version
Im Vergleich dazu die abgespeckte Version, die üblicherweise von einem Handybrowser angezeigt wird.
Windows Mobile 6-5: Internet Explorer -Tastatur
Webseiten lassen sich auf einer virtuellen QWERTZ-Tastatur eintippen. Dabei hat Microsoft darauf geachtet, dass die Tasten möglichst groß sind, so dass der Nutzer auch mit dem Finger tippen kann. Ob das bei kleineren Bildschirmen in der Praxis auch hinhaut, müssen Tests erst noch beweisen.
Windows Mobile 6-5: Internet Explorer - Favoritenansicht
Alle auf dem PC gespeicherten Bookmarks aus dem Ordner Favoriten kann der Anwender via ActiveSync mit dem Mobiltelefon abgleichen. Beim Opera-Browser Mobile ist ein Import schon lange möglich, nun bietet also endlich auch der hoffnungslos veraltete Internet Explorer die Übernahme der Lesezeichen an.
Windows Mobile 6-5: Internet Explorer - PC Welt -Desktop
So sieht die Desktop-Variante der PC Welt auf dem Handy aus. Am unteren Bildschirmrand erscheinen fünf halbtransparente Icons, über die sich der Browser komfortabel mit dem Finger bedienen lässt. Der Nutzer kann beispielsweise hineinzoomen, auf die letzte Seite zurückspringen oder über das Sternchen seine Bookmarks aufrufen.
Windows Mobile 6-5: Internet Explorer - PC Welt - mobile Variante
Das Gegenstück: die mobile Webseite der PC Welt. Die Auswahl der Darstellung, die der Anwender bevorzugt, erfolgt über ein Popup-Menü. Der Nutzer sollte diese Darstellung wählen, wenn das Display weniger als 800 Pixel Auflösung in der Breite bietet. Schließlich sind die meisten Webseiten auf eine Breite von 800 Pixel optimiert. Schafft das Display weniger Auflösung, ist nur ein Teil der Seite zu sehen. Der Anwender muss die Seite eventuell per Hand verschieben, um alles lesen zu können.
Windows Mobile 6-5: Postfach
Die Mail-Applikation hat Microsoft nicht angefasst. Aber das Auswählen eines Befehls soll auch hier leichter werden, da die Menüpunkte luftiger angeordnet und damit auch ohne Stylus zu bedienen sind.
Windows Mobile 6-5: Aktien-Widget
Auf Windows Mobile 6.5 werden auch drei Widgets vorinstalliert sein. Das sind Programme, die in einem Browserfenster laufen, ohne dass der Browser erkennbar wird. Microsoft hat für Aktien, Wetter und Suche (Live Search) jeweils ein Widget geschaffen. Die Infos liefert MSN. Beim Aktien-Widget kann sich der Nutzer den Kurs und die Entwicklung der Aktie ansehen. Aus der Anwendung heraus kann er zudem auf weiterführende Links klicken. Dazu wird er ins Internet weitergeleitet.
Windows Mobile 6-5: Wetter-Widget
Das Wetter-Widget liefert eine Vorhersage für die nächsten Tage. Die Daten zieht sich das Widget ebenfalls aus dem Internet. Es fallen somit wie auch beim Aktien-Widget Kosten für den Datentraffic an.
Windows Mobile 6-5: My Phone
Der Backup-Dienst My Phone (derzeit noch in der Betaphase) ermöglicht die Sicherung von Fotos und Videos, Musikbibliothek, Kontakten und SMS-Nachrichten. Die Daten werden hierzu auf einem Microsoft-Server gespeichert.
Windows Mobile 6-5: Webseite My Phone
Der Zugriff auf die Webseite von My Phone ist mit einem Passwort geschützt Genderte persönliche Daten werden automatisch abgeglichen. Hat der Nutzer sein Smartphone verloren, bleiben ihm wenigstens seine Daten erhalten und er kann sie auf ein neues Gerät überspielen - sofern er sich wieder ein Windows-Mobile-Smartphone zulegt. Mit Symbian, Blackberry oder anderen Betriebssystemen kooperiert My Phone nicht.
Windows Mobile 6-5: Bildschirmsperre
Windows Mobile 6.5 bietet nun auch eine Display-Sperre. Diese kann entweder manuell ausgelöst werden oder automatisch nach einer einstellbaren Zeit gesetzt werden. Um zu entsperren, muss der Nutzer den Schieber nach rechts oder links zum Rand schieben. Falls neue Emails, Kurznachrichten oder Anrufe eingetroffe sind, kann der Anwender auch auf das Lock-Icon tippen. Dann bekommt er zusätzliche Schieber, die direkt in die jeweilige Anwendung führen und nicht zum Homescreen.
Windows Mobile 6-5: Organizer
Nicht Neues beim Organizer: Er zeigt wie gewohnt Tages-, Wochen-, Monats- und Jahresansicht. Zusätzlich gibt es wie gehabt die Agenda.
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Windows Mobile 6-5: Internet Explorer - Popupmenü

Die Weiterentwicklung des Smartphone-Betriebssystems zeichnet sich laut Microsoft "durch eine neue Oberfläche und einfache Handhabung" aus. Die Software sei für Touchscreen-Displays optimiert und verfüge über verbesserte Browsereigenschaften sowie einen Zugang zu neuen mobilen Diensten wie Microsoft My Phone und den demnächst startenden Windows Marketplace for Mobile.

Insbesondere der Internet Explorer Mobile wurde Microsoft zufolge "weiter verbessert" und verfügt jetzt über Adobe Flash Lite. Damit lassen sich Internet-Videos und andere flashbasierte Anwendungen direkt im mobilen Browser abspielen.

Outlook Mobile ist ebenso bereits integriert wie Microsoft Office Mobile. Und über Windows Live for Mobile haben Anwender nicht nur Zugriff auf ihre Windows-Live-Dienste, sondern sind auch immer mit ihren Kontakten aus vielen sozialen Netzwerken verbunden.

In Deutschland werden die neuen "Windows phones" von Herstellern wie HTC, LG, Samsung und Sony Ericsson erhältlich sein.

Der große Wurf wird Windows Mobile 6.5 nicht

"Erwarten Sie keine Aufregungen der Art, wie andere Smartphones sie in der jüngsten Vergangenheit hervorgerufen haben", warnt IDG-Analystin Nancy Gohring. Zwar trete Microsoft mit Windows Mobile 6.5 an, um wenigstens ein Fußbreit des Mobil-Marktes zu besetzen, der beispielsweise durch Apples iPhone und dem Blackberry von RIM bereits gut bestückt sei. Aber, fügt Gohring hinzu, es sei unwahrscheinlich, dass das auch gelinge.

Jeff Bradley, Senior Vice President für Marketing bei AT&T, wiewohl einer der Anbieter von Windows Mobile-Phones, rechnet ebenfalls nicht damit, dass die Geräte neue Käuferschichten erschließen könnten. "Da mag es um Verbesserungen bei der Usability und meinetwegen auch beim Energieverbrauch gehen", so Bradley. "Aber wenn sich die Verkaufszahlen nach oben bewegen, dann eher stufen- als sprungweise."

Auch andere Analysten halten die Verbesserungen trotz neuer Benutzeroberfläche und Browser-Kapazitäten für nicht ausreichend, um neue Anhänger zu finden. Microsoft sollte besser über Akquisitionen nachdenken, um schnell seinen Marktanteil zu erhöhen, rät Matt Rosoff, Analyst bei Directions on Microsoft.

Noch drastischer drückt sich Jack Gold von J. Gold Associates aus: Microsoft solle daran arbeiten, die Verbindungen von seinen Collaboration-Systemen zu den unterschiedlichen Gerätetypen zu verbessern, anstatt das Ziel zu verfolgen, den Markt mobiler Betriebssysteme zu dominieren. "Es ist eine Schlacht, die sie nicht gewinnen können", meint Gold und prophezeit, das Microsoft sich "in den nächsten ein bis zwei Jahren" aus dem Markt mobiler Betriebssysteme verabschieden wird.

Windows Mobile 7.0 kommt im nächsten Jahr

Zunächst aber, kündigte Microsoft-Chef Steve Ballmer schon im Februar dieses Jahres in Barcelona an, soll es 2010 schon den Nachfolger Windows Mobile 7.0 geben, das von Grund auf und vollständig neu programmiert werden wird, wie Andreas Krieg, Director Mobility von Microsoft Deutschland im Gespräch mit dem Handelsblatt verriet.