War Microsoft in der Vergangenheit eher für in sich geschlossene Systeme bekannt, zeigen sie jetzt eine Offenheit, die in der IT-Branche ihresgleichen sucht.
Zuvor dachten viele Experten, Microsoft drängt Kunden in die Public Cloud - Stichwort "Cloud first, mobile first" - nun gibt es klare Bekenntnisse für IT, die vor Ort (on premise) bleibt. Drei Veränderungen in der Strategie von Microsoft lassen aufhorchen:
1. Die Integration von iOS- und Android-Apps auf dem Windows Phone verschafft nicht nur der App-Vielfalt Aufwind, sondern macht den Mitbewerbern (Apple und Google) vor, wie man das Beste aus mehreren Welten zusammenführt.
2. Die Ankündigung von Azure-Stack zeigt, dass Microsoft die Erkenntnisse aus dem Betrieb der Cloud-Rechenzentren auch an Kunden und andere Hoster weitergibt. Die gleichen APIs (Application Programming Interfaces) und die Abbildung des Fabric-Ansatzes auf Kundenumgebungen erzeugt eine Konsistenz zwischen Private- und Public-Cloud-Ansätzen, die aktuell kein anderer Anbieter schafft.
3. Das Microsoft Operation Management System ist die Erweiterung für System Center, die das Management von On premise-Systemen auf die Cloud überträgt - nicht nur für Azure, sondern auch für Amazon Web Services (AWS) oder VMware vCloud. Je nach Umsetzung hilft Management-as-a-Service (MaaS) dem Kunden, die Abhängigkeit von einem Hersteller zu vermeiden und das Management für alle Plattformen zu vereinfachen. Die Konsequenz: Kunden sind deutlich freier in ihrer Anbieter-Entscheidung.
Hier senden die Ankündigungen der Konferenzen positive Signale. Zwei weitere Fakten zeugen von der Aufbruchsstimmung bei Microsoft und dem Wandel der Branche: Während der ehemalige Microsoft CEO Steve Ballmer noch Linux verschrien hatte, arbeitet das Unternehmen heute mit mehreren Distributoren zusammen. Das Ergebnis: Aktuell basieren nur schon 25 Prozent der Azure Workloads auf Linux. Und wer weiß eigentlich, wer der größte Kunde von Microsoft für das Mietlizenzmodell "Services Provider License Agreement" (SPLA) weltweit ist? Der heißt Amazon - und das nicht für den Versandhandel, sondern für die Cloud.
So ändern sich die Zeiten. Starre Grenzen fallen weg und selbst Konkurrenten arbeiten zusammen. Vorurteile scheinen weniger zu werden und Diskussionen entbrennen neu. Das Prinzip der "Co-opetition" (Cooperation und Competition zwischen den gleichen Unternehmen) erlangt wieder neue Brisanz. Jetzt ist es an jedem einzelnen IT-Verantwortlichen, diese Situation zu bewerten und für sich zu nutzen. Eines ist sicher: Eine Flamme der Veränderung ging von San Francisco und Chicago auf jeden Fall aus. (mje)