Andere knapsen an Prozesskosten, Miele-Einkaufsleiter Günther Reinelt feilt hingegen an Materialausgaben - wie überall im produzierenden Gewerbe lohnt sich das immer. Folgerichtig war es Reinelt, der beim Gütersloher Hausgerätehersteller die Einführung einer neuen Lieferantenplattform vorangetrieben hat, die eigentlich nicht ganz in die IT-Strategie passt. Bei Miele gibt es eine zweigleisige Plattformstrategie: Microsoft für Büro- und Kommunikationssoftware, SAP für die betriebswirtschaftlichen Systeme.
Schon vor einigen Jahren hat Miele die gesamten IT-Prozesse neu strukturiert und weltweit einheitliche SAP-Templates implementiert. Als es aber um die Neuausrichtung der Einkaufsprozesse ging, fiel die Wahl auf einen Spezialisten für Einkaufslösungen: Miele entschied sich für Software-as-a-Service (SaaS) vom Wiener Anbieter Pool4Tool als neue Lieferantenplattform. "Wir haben uns natürlich die Einkaufslösung unserer ERP-Software angeschaut, benötigten aber zusätzliche Funktionen", schaut Miele-CIO Christian Grotowsky zurück, etwa mit Blick auf die Ausschreibungssystematik und spezielle Funktionen für Kommunikation, Lieferanten- und Vertrags-Management.
"Gerade für dezentrale Organisationen wie bei Miele spielt eine leistungsfähige, konzernweite Lieferantenplattform als gemeinsame Informations- und Kommunikationsdrehscheibe eine entscheidende Rolle", bekräftigt Miele-Einkaufsleiter Reinelt. CIO Grotowsky hatte keine Probleme, sich mit der Einkaufslösung anzufreunden: "Der größere Leistungsumfang der Einkaufsspeziallösung war überzeugend, und der Integrationsaufwand war überschaubar", sagt der CIO.
Stichwort Stammdatenpflege
Grundanforderung war, eine einheitliche Stammdatenbasis für den Einkauf zu schaffen und durch automatisierten Daten- und Informationsaustausch mithilfe von Workflows die Prozesseffizienz entlang der Lieferkette zu steigern. Dreh- und Angelpunkt ist jetzt eine zentrale Plattform für die internationalen Miele-Standorte und die Lieferanten. Darin wurden 14 Einkaufsorganisationen an zwölf Standorten sowie 8000 Lieferanten erfasst.
Darüber hinaus sollten neben elektronischen Ausschreibungen einfachere Bestellprozesse, ein einheitliches Vertrags-Management sowie die engere Einbindung strategischer Lieferanten erreicht werden. Dabei wird die modulare Software von Pool4Tool schrittweise erweitert. Als nächster Schritt ist die Implementierung des Purchase-Order-Managements geplant, mit dem Bestellungen automatisiert und der Einkauf bei wiederkehrenden Tätigkeiten entlastet wird.
Dass die Lieferantenplattform im SaaS-Modell betrieben wird, machte für CIO Grotowsky keinen großen Unterschied: "Es ging uns nicht um den externen Betrieb der Lösung, sondern um den Leistungsumfang; wir hätten ein On-Premise-System auch problemlos im eigenen Rechenzentrum installiert." Folgerichtig spielten die oftmals hervorgehobenen Vorteile von Cloud-Software wie größere Flexibilität oder Pay-per-Use-Abrechnung für ihn kaum eine Rolle. "Unser Geschäft ist nicht sehr volatil, und wir haben in der Produktion kaum Konjunktur- oder Saisonschwankungen. Deshalb bringt uns die Abrechnung nach tatsächlich genutzten Seats keine Vorteile", sagt der CIO.
Auch hatte er sich Gedanken zu Sicherheit und Verfügbarkeit im Zusammenhang mit SaaS gemacht. Sensiblere Systeme, wie etwa im Bereich Personal oder Mail, würde er aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen nicht in die Cloud auslagern. Und ansonsten gelten dieselben Regelungen wie für andere Applikationen und Dienstleister: "Die Einkaufslösung ist nicht unsere erste Anwendung, die von einem externen Anbieter betrieben wird. Wir haben einen Anforderungskatalog, in dem die Service-Levels für die IT-Dienstleister vertraglich festgelegt sind."
Einkaufsleiter Reinelt verzeichnet nicht nur eine messbare Senkung der Prozesskosten: "Die zentrale Einkaufslösung schafft die Voraussetzung, sich auf die wirklich wichtigen Dinge im Einkauf, also die strategische Beschaffung, zu konzentrieren", sagt er. "Ein Einkäufer, der den ganzen Tag Initiativbewerbungen potenzieller Lieferanten entgegennehmen muss, hat kaum Zeit, zu verhandeln oder Kostenanalysen durchzuführen."
Unternehmensdaten von Miele
Unternehmen |
Miele |
Hauptsitz |
Gütersloh |
Umsatz |
2,95 Milliarden Euro (2010/2011) |
Mitarbeiter |
16.600 (davon 10.300 in Deutschland) |
IT-Mitarbeiter |
ca. 390 |
CIO |
Christian Grotowsky |
"Miele, Miele, sagte Tante, die alle Waschmaschinen kannte" ... Der alte Werbespruch funktioniert noch heute, nur hätte Tantchen heute mit einer ganz anderen Produktpalette zu kämpfen: Miele baut u.a. Geschirrspüler und Trockner für den gewerblichen Einsatz sowie Reinigungs- und Desinfektions- und Sterilisationsgeräte für medizinische Einrichtungen.