Wie ein CIO seine IT radikal verändert

Mission Outsourcing

07.06.2005 von Andreas Schmitz
Die IT-Tochter ausgründen, den SAP-Betrieb abgeben, die Desktops und das Netzwerk ebenso: Das ist Joachim B.’s Mission. Der CIO stellte die IT in seinem Unternehmen auf den Kopf. Der Grund: Ein neues Gesetz bremst das hiesige Geschäft, das Auslandsgeschäft wird immer wichtiger – der Kostendruck ist immens.

Das folgende Outsourcing-Szenario passt in die Zeit – doch der für den Kulturwandel mitverantwortliche CIO dieses mittelständischen Familienunternehmens möchte seinen Namen und den seines Arbeitgebers in diesem Text nicht lesen und bleibt deshalb anonym.

Als Joachim B. vor zwei Jahren als neuer Chef der IT kam, war für ihn schlagartig klar: „Dem Unternehmen muss es verdammt gut gehen“. Sein neuer Arbeitgeber, ein mittelständisches Unternehmen aus dem norddeutschen Raum hatte vier IBM-Maschinen im Keller stehen, führte für nur 60 Leute SAP ein und gab für einen entsprechenden Rollout für nur zwei Leute einen sechsstelligen Betrag aus. Und B. stellte eine Frage: „Stimmen hier die Strukturen?“

Das knapp 150 Jahre alte Familienunternehmen, das der Erbe in fünfter Generation leitet, ist stolz auf sein Halbmilliarden-Euro-Geschäft und auf seine traditionell gewachsenen innovativen Produkte. Weitgehend versteckt arbeitete lange Zeit jedoch die IT. Doch die Befruchtung der IT durch das Business ist B.’s dringendes Anliegen. Vier verschiedene Betriebssysteme, drei Office-Systeme, neun Grafikprogramme und acht verschiedene Datenbanken fand CIO B. im Unternehmen.

„Es gab unzählige Schnittstellen zu SAP“, sagt B., „auf die Frage, was diese leisten, bekam ich nur Schulterzucken als Antwort“. Noch dazu habe niemand gewusst, was IT das Unternehmen kostet. Von einer Abstimmung zwischen Business und IT ganz zu schweigen. Nach einer internen Studie geht der Manager davon aus, fünf bis zehn Prozent der jährlichen Kosten durch Konsolidierungen und Standardisierungen senken zu können.

Eine neue IT-Strategie hat B. inzwischen zusammen mit dem Vorstand für Finanzen fixiert. „Sie schafft einen Rahmen für künftige Projekte“, so B., „wir wollen Know-How nach Außen geben, aber nicht zu viel Abhängigkeiten – nach dem Hey-Joe-Prinzip läuft gar nichts mehr“. Sein Ziel, das er innerhalb der kommenden zwei Jahre erreichen will, ist die IT aus der Steckdose: „IT ist kein Selbstzweck, sondern schafft Wettbewerbsvorteile und hilft, Marktsegmente auszubauen“, erläutert B., der damit im Allgemeinen nichts Neues erfindet – für sein Unternehmen allerdings ist diese Erkenntnis ein Riesenschritt.

Fünf Mann machen jetzt erstmals eine globale IT-Strategie, weitere fünf IT-Leute sind vor allem in der „Sparten-IT“ aktiv, in den Fachbereichen. „Um die Planung aus den Fachbereichen mitmachen und den Kontakt verbessern zu können“, so der CIO. Lediglich im Bereich Forschung und Entwicklung sind noch lokale IT-ler unterwegs – „wegen der sehr speziellen Anwendungen dort“.

IT-Tochter geht auf den freien Markt

Der größte Einschnitt in den IT-Alltag des Unternehmens ist die Abspaltung der ehemals hundertprozentigen IT-Tochter, so dass jetzt nur noch eine Kernmannschaft von zehn IT-Mitarbeiter im Betrieb arbeiten. „Die IT-Tochter hatte bereits einige Jahrzehnte für den Betrieb gearbeitet – da gibt es keinen Blutaustausch“, erläutert Change Manager B., der dem Dienstleister einen sanften Übergang ins selbständige Dasein ermöglichen möchte.

Seit kurzem ist die IT-Tochter nun auf dem freien Markt unterwegs, betreut aber nach wie vor wichtige Teile des operativen Betriebs wie die Desktops und das Netzwerk. B. verspricht sich von der Abtrennung, dass frischer Wind in die IT kommt – und dass Kosten gesenkt werden. Ein PC-Arbeitsplatz verschlang B.’s Berechnungen zufolge fast dreimal so viel Geld wie üblich – ein Versäumnis des internen Dienstleisters, der jetzt – extern - mit neuen Konzepten versucht, wieder etwas gut zu machen.

Das Motto „Nicht mit Operativem belasten“ hat sich weitgehend durchgesetzt. B. ließ den Auswahlprozess der Dienstleister von einem Beratungshaus begleiten. Dienstleister wie Accenture, EDS oder Fujitsu Services waren eine Nummer zu groß für den Mittelständler, so dass nur noch „Dienstleister auf Augenhöhe“ ins Visier genommen wurden.

Ein Hamburger SAP-Spezialist überzeugte den Mittelständler schließlich. Er machte dem Unternehmen am besten klar, wie die Komplexität zu senken und Kosten mit einfachen Mitteln verringert werden konnten. Innerhalb von drei Monaten haben die Hamburger sämtliche SAP-Module restandardisiert und redokumentiert. „Wir haben viel gelernt dabei“, bemerkt B. trocken. Über eine zwei Megabit-Leitung betreuen die Hamburger nun den gesamten SAP-Betrieb.

Der richtige Weg

B. ist sicher, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Als Repräsentant einer – wie er sagt – neuen Managergeneration erkennt er derzeit einen Wechsel im Familienunternehmen. Verschiedene Vorstände gingen oder gehen derzeit in den Ruhestand. Doch ist der Weg hin zur Prozessorientierung und auch Transparenz der Daten weit.

Die Einführung der Balanced Scorecard traf „insbesondere im mittleren Management“ auf enorme Widerstände, so B., „sie fühlen sich kontrolliert“. Dabei schaffe die BSC eine gute Möglichkeit, sich und seine Leistung zu überprüfen. Lernen der Mitarbeiter steht deshalb auch neben dem Bereich Finanzen, Prozessen und Kunden auf dem Chart, mit dem B. seine Balanced Scorecard erklärt – doch den positiven Effekt der „Kontrolle“ muss er noch vermitteln. Ein schwerer – aber für viel Mittelständler typischer – Weg.