Über 20.000 Besucher kamen zur hauseigenen Kongressmesse Huawei Connect 2017, die unter dem Motto "Grow with the Cloud" stand, nach Shanghai. Namhafte Unternehmen wie VW, Mercedes-Benz, DHL, der Aufzugbauer Schindler, Philips oder die europäische Kernforschungseinrichtung Cern sowie öffentliche Einrichtungen wie der Airport Dubai setzen mittlerweile Huawei-Technologie im Enterprise Computing ein. Und Großkonzerne wie etwa GE, ABB, Honeywell oder SAP zählen zu den Partnern des chinesischen Herstellers. Ebenso vertrauen Carrier wie die Deutsche Telekom, BT, Telefonica oder Orange im Cloud-Business dem IT-Equipment Made in China.
Ziel: Die 200 Milliarden Dollar Company
Eine Erfolgsbilanz, die sich sehen lassen kann. Zumal, wenn man bedenkt, dass Huawei vor knapp sechs Jahren gerade einmal Insidern als Carrier-Lieferant bekannt war. Als die Chinesen damals ankündigten, künftig im Enterprise Business mitzumischen - die COMPUTERWOCHE titelte im Oktober 2011 "Huawei greift im Enterprise Business an" - wurde der Newcomer von den etablierten Mitbewerbern noch mitleidig als "copy cat" belächelt. Doch das Lächeln ist der Konkurrenz mittlerweile vergangen - so gibt es HP in seiner ursprünglichen Form nicht mehr und Alcatel Lucent wurde von Nokia übernommen.
Dagegen entwickelte sich das Huawei-Business von einem 1,5 Milliarden Dollar Geschäft (Stand 1999) zu einem über 100 Milliarden Dollar Business. "197 der Fortune-Global-500-Unternehmen und 45 der Top 100 Enterprises setzen bei ihrer Digitalen Transformation auf Huawei", unterstreicht Diana Yuan, President of Marketing und Solutions Sales bei Huawei´s Enterprise Business Group. Und englischsprachige Medien spekulierten während der Huawei Connect bereits darüber, wann die Chinesen Apple als die Nummer Zwei im globalen Smartphone Business überholen.
Expansion in der Cloud
Entsprechend selbstbewusst präsentierte sich der Konzern auf seiner Kongressmesse in Shanghai. 200 Milliarden Dollar Jahresumsatz sind das nächste Ziel, das Huawei anpeilt. Wachsen will der Konzern vor allem mit Cloud-Services. Erfolgreich hat sich die Company hier bereits im Public-Cloud-Business etabliert und kann hier nach eigenen Angaben auf Wachstumsraten von 238 Prozent zurückblicken. Themen wie Hybrid Cloud oder Multicloud sind weitere Wachstumsfelder, die man im Fokus hat. Entsprechend ehrgeizig sind die Pläne des Unternehmens: Man will eine der fünf größten globalen Clouds aufbauen - sprich zu den Top 5 der globalen Cloud-Anbieter aufsteigen.
Bei seinen Expansionsplänen setzt Huawei unter anderem auf die Vertrauenskarte. So wurde man auf der Huawei Connect nicht müde, zu betonen, dass das eigene Geschäftskonzept - im Gegensatz zu den anderen Cloud-Playern - nicht auf der Vermarktung von Daten an andere basiere. Einen weiteren Baustein bilden weiterhin die Partnerschaften mit den Telcos in den jeweiligen Ländern. Hier vergleicht man das eigene Konzept mit Allianzen wie einer Lufthansa Star Alliance aus der Luftfahrt.
Cloud-Partner T-Systems
Allianzen, die nicht zum Schaden des IT-Herstellers sind. Durch die geschickte Politik hält Huawei die großen Carrier von seinem Heimatmarkt China fern und kann hier im Business-Segment einen Marktanteil von 90 Prozent verbuchen. So hat etwa erst kürzlich T-Systems zwar in Singapur ein neues Rechenzentrum für die Open Telekom Cloud (OTC) eröffnet, um den asiatischen Markt zu bedienen - doch in China will man diesen Service aktiv nicht vermarkten. Schließlich entspreche die Huawei Cloud in China zu 80 bis 90 Prozent den Services der OTC, so die offizielle Begründung seitens T-Systems.
Singapur sieht man deshalb vor allem als Hub für Kunden, die im asiatischen Raum Public und Private Cloud-Services benötigen. Die OTC-Services produziert T-Systems derzeit in den Rechenzentren in Magdeburg/Biere und Singapur und befürwortet den Cloud-Alliance-Ansatz von Huawei. Insgesamt will T-Systems seine Services global aus 11 strategischen Rechenzentren anbieten. Dabei können die Rechenzentren durchaus als Twin- und Tri-Core RZs konzipiert sein. Kern der OTC soll dabei die Offenheit sein, weshalb man weiterhin großen Wert auf die OpenStack-Unterstützung legt.
Gemeinsam mit Partner Huawei sollen pro Jahr drei Major-Software-Releases für die OTC folgen. Des Weiteren arbeite man mit Huawei an einer Hybrid-Cloud-Lösung. Beim Thema Hybrid Cloud setzt der chinesische Hersteller ebenfalls auf die OpenStack-Plattform mit einer kaskadierenden Architektur. Auf diese Weise sollen sich sowohl homogene als auch heterogene Hybrid Clouds realisieren lassen.
Auffallend bei den Expansionsplänen der Chinesen ist, dass in ihrer Strategie derzeit der US-amerikanische Markt nicht vorkommt. Gemeinsam mit den Telco-Partnern stehen derzeit neben China Asien, Europa und Lateinamerika auf der Agenda. Allianzen sind allerdings nur ein Teil der Expansionsstrategie. Ein anderer Baustein ist die Technik selbst. Hier wollen die Chinesen mit Cloud-Lösungen für das High Performance Computing (HPC), die Künstliche Intelligenz (AI) und IoT punkten.
Cloud Hardware Atlas
Unter der Bezeichnung Atlas stellte Huawei auf der Connect die neue Generation einer intelligenten Cloud-Hardware-Plattform vor. Sie ist für Einsatzszenarien wie Public Cloud, künstliche Intelligenz (AI) und High Performance Computing (HPC) konzipiert. Die Atlas-Plattform basiert auf Huawei's FusionServer G-Serie. Die Server der Fusion-G-Serie nutzen Technologien wie heterogenes Ressourcen-Pooling und intelligente Orchestrierung, um Ressourcen wie GPUs, Festplatten und SSDs zu bündeln und Hardware-Ressourcen auf Anforderung an die Bedürfnisse spezifischer Service-Modelle anpassen zu können.
Nach Herstellerangaben nutzt Atlas die Hardware deutlich effizienter und erzielt so eine über 50 Prozent höhere Ressourcennutzung. Damit könne die Leistung um das 10fache im Vergleich zu den traditionellen x86-Architekturen gesteigert werden. Darüber hinaus könne Atlas logische Server in verschiedenen Ressourcen-Konfigurationsverhältnissen bereitstellen - und zwar innerhalb von Sekunden. Ein Feature, das nicht nur den Rollout verkürze, sondern den Anwendern eine größere Flexibilität eröffne, schnell auf geänderte Service-Anforderungen zu reagieren.
Die AI-Lösung Enterprise Intelligence
Das Thema AI adressiert Huawei zudem mit einer eigenen Enterprise-Intelligence-Lösung. Hinter der eigenen Lösung steckt bei Huawei der Gedanke, dass Künstliche Intelligenz (KI) zwar allgemein als "Goldgrube" betrachtet wird, die damit einhergehende Forschung und Anwendungsprojekte allerdings sehr eng mit einzelnen KI-Techniken verknüpft seien. Und diese einfachen Anwendungen seien nicht imstande, den Anforderungen vieler Unternehmen gerecht zu werden.
Besonders entlang der Lieferkette, bei der Fertigung und den Steuerungssystemen benötigten mittlere und große Unternehmen wesentlich komplexere KI-Anwendungen als derzeit angeboten. Hier soll Enterprise-Intelligence etwa dabei helfen, die End-to-End-Prozesse einer Lieferkette zu optimieren und einen reibungslosen Datenfluss von der Versorgungsprognose und der Logistik bis hin zur Lagerung, Zollabfertigung etc. sicherstellen. Damit würde die Voraussetzung für eine intelligente Logistik geschaffen. Ein anderes Einsatzgebiet könnten intelligente Verpackungslösungen sein. So ermögliche Enterprise-Intelligence unter anderem die 3D-Ansicht jedes Containers, wodurch sich die Effizienz der Containerbelegung um sechs Prozent verbessern lasse.
Generell soll die Enterprise-Intelligence-Lösung mit grundlegenden Plattformdiensten, allgemeinen AI-Services, Szenario-spezifischen Lösungen sowie den erforderlichen Computing-Plattformen aufwarten. Neben OCR-Diensten zählen dazu verteilte Datenbankdienste auf der Huawei Cloud wie das verteilte Online Analytical Processing (OLAP) Enterprise Data Warehouse LibrA, die verteilte Online Transaction Processing (OLTP) Unternehmensdatenbank Derecho und die verteilte MySQL-Datenbank Taurus.
Zur Verwaltung der Cloud-Services dient die Huawei DevCloud mit diversen Tools und Prozess-Services. Darüber hinaus veröffentlichte Huawei auf der Kongressmesse seine FusionCloud- Stack-Lösung, die von Enterprise Storage Services ergänzt wird, für die der Hersteller eine Zuverlässigkeit von 99,9999 Prozent verspricht. Als erweitertes Modul der öffentlichen Cloud kann der FusionCloud Stack in Unternehmens-Rechenzentren Unternehmen eingesetzt werden. Dort soll die Lösung als eine Art Backup-System fungieren, wenn etwa das Netz, mit dem eine Company mit der öffentlichen Cloud verbunden ist, ausfällt. Dann erbringt das lokale System, so Huawei, weiterhin die Cloud-Services für das Unternehmen.
IoT aus der Cloud
Beim derzeitige Hype-Thema IoT adressiert Huawei mit einem Dreiklang aus "Platform + Connection + Ecosystem". Herzstück der IoT-Lösung ist dabei die OceanConnect-IoT-Plattform. Die Plattform bietet dazu offene APIs, um verschiedene Branchenanwendungen und Agenten zu integrieren, sowie um auf verschiedene Sensoren, Geräte und Gateways zuzugreifen zu können. Dabei betonte Huawei in Shanghai, dass die eigene Plattform mit ihrer "device-platform-application"-Architektur einen Durchbruch gegenüber den bisher üblichen "device-application"-Design-Konzepten darstelle.
Auf diese Weise entkopple man nämlich Anwendungen und Geräte und verringere so die Abhängigkeit der Unternehmen von den Lieferanten. Integriert in die intelligente Plattform sind zudem Big-Data-Analytics-Fähigkeiten. Als Huawei IoT Cloud Services ist die Lösung auch aus der Cloud beziehbar. Als Full-Stack-Plattform konzipiert, offeriert der Cloud-Service Features wie SIM-Karten-Management, Geräte-Management und Application Enablement Layer mit Funktionen zur sicheren Verbindung, branchenübergreifendes Ökosystem und einfache Integration umfasst.
In Sachen Connectivity fährt Huawei bei IoT zweigleisig. Zum einen propagiert das Unternehmen eLTE als privates, drahtloses Netz, zum anderen offeriert es auch NB-IoT. Der Konzern gehört damit zu den ersten Anbietern, die NB-IoT als SoC-Lösung (System on a chip) liefern können.
Dass die Cloud-Pläne des Unternehmens keine graue Theorie sind, zeigte Huawei in einer begleitenden Ausstellung, die zwei Messehallen umfasste. Vom IoT-Sensor über Server-Plattformen bis hin zur AI wurde hier an Beispielen gezeigt, wie die Digitale Transformation bewältigt werden kann. Dem deutschen Besucher stach dabei - vor dem Hintergrund der Diskussionen um Datenschutz und Persönlichkeitsrechte hierzulande - ins Auge, welchen breiten Raum das Thema Video und automatische Bild- beziehungsweise Gesichtserkennung einnahm. In China offeriert Huawei dazu mit der National Public Video Cloud sogar einen eigenen Cloud-Dienst.
Überhaupt scheint es in den asiatischen Ländern deutlich weniger Bedenken gegen die automatische Videoverarbeitung zu geben. Nur so sei, so war immer wieder zu hören, in den Millionen-Metropolen per aktivem Traffic Management noch ein Verkehrsfluss in der Rush hour zu gewährleisten. Und last but not least diene das Ganze ja auch der Verbrechensbekämpfung. So hätten die Behörden in Shenzhen dank Videoüberwachung und Gesichtserkennung ein entführtes dreijähriges Kind innerhalb von 15 Stunden befreien können. Zudem, so bekamen Skeptiker zu hören, fördere eine Video Cloud die soziale Stabilität.