Fast alle Bewerbungsratgeber richten sich primär an Hoch- und Schulabgänger. Sucht man hingegen einen Ratgeber für berufserfahrene Fach- und Führungskräfte, lautet das Ergebnis weitgehend: Fehlanzeige. Nur wenige Leitfäden streifen ihre Situation. "Dabei ist die Ausgangslage von berufserfahrenen Stellensuchern und Newcomern sehr unterschiedlich", betont Alexander Walz, Personalberater aus Stuttgart. Einem frisch gebackenen Betriebswirt oder Jurist stehen noch fast alle Wege offen. "Anders ist dies bei Stellensuchern, die schon zehn oder gar 20 Jahre Berufserfahrung haben. Bei ihnen sind die beruflichen Weichen gestellt." Das schränkt ihr mögliches Arbeitsfeld ein.
Zeugnisse mit wenig Aussagekraft
Hinzu kommt: Während auf den Diplomen der aktuellen Hochschulabsolventen die Druckerschwärze oft noch feucht ist, sind die Zeugnisse ihrer älteren Berufskollegen meist schon vergilbt. "Sie sagen wenig über ihr aktuelles Können aus", stellt Walz nüchtern fest. "Denn im Verlauf ihres Berufslebens wuchsen sie oft in ganz neue Aufgabenfelder hinein."
Keine Gehaltserhöhung - ein Warnsignal
Ein weiterer Unterschied: Für Singles, die den ersten Job suchen, ist es meist relativ egal, ob die Stellensuche sie nach Berlin oder München verschlägt. Anders ist dies bei Berufserfahrenen mit Kind und Kegel. Sie müssen bei der Wahl des Arbeitsortes mehr bedenken und sich trotzdem oft bundesweit bewerben. Denn je spezialisierter und qualifizierter ihre bisherigen Aufgaben waren, so Walz, umso rarer seien die Jobs, die ihrem Profil entsprächen.
Deshalb rät er gerade älteren Arbeitnehmern, genau darauf zu achten, wann der Zeitpunkt für das Entwickeln einer neuen beruflichen Perspektive naht. Diesen verpassen viele. Denn ein Student, der seine Bachelor- oder Master-Arbeit schreibt, weiß genau: "In sechs Monaten ist mein Studium beendet. Also sollte ich allmählich Bewerbungsfotos machen." So harte Signale, dass die Zeit reif ist, sich neu zu orientieren, gibt es bei Berufstätigen oft nicht. "Meist sind die Signale eher schwach. Zum Beispiel: Der Chef gibt wichtige Aufgaben plötzlich einem Kollegen. Oder die versprochene Gehaltserhöhung bleibt aus", erklärt der Unternehmensberater Albrecht Müllerschön.
Gutes Arbeitszeugnis statt Abfindung
Fragt man ältere Arbeitslose, ob ihre Kündigung überraschend kam, dann gestehen viele: Sie war absehbar. Sie verdrängten die Bedrohung jedoch. Aus nachvollziehbaren Gründen, wie die Management-Beraterin Barbara Liebermeister betont: "Ältere Arbeitnehmer müssen, wenn sie ihre Stelle verlieren, oft ihre gesamte Lebensplanung überdenken." Deshalb lautet ihr Tipp für Berufstätige: "Hört die Signale, statt die Augen zu verschließen."
Denn Personalleiter sind Bewerbern, die noch eine Stelle haben, "meist gewogener als Bewerbern, die bereits das Kainsmal ‚arbeitslos’ ziert". Hinzu kommt: Je mehr Zeit zum Bewerben bleibt, umso größer ist die Chance, im Umkreis eine Stelle zu finden. Zudem agieren (Noch-)Jobinhaber selbstbewusster.
Ein Problem vieler älterer Stellensucher: Sie können ihre Kompetenz nur schwer belegen. Denn ihre 15 oder 20 Jahre alten Diplome sagen wenig über ihr aktuelles Können aus. "Und Arbeitszeugnisse beschreiben meist nur vage die ausgeübten Tätigkeiten", betont Walz. Zudem würden ihnen, so der Consultant, viele Personaler wenig Vertrauen schenken, weil sie nicht sicher seien, ob der alte Arbeitgeber das Zeugnis nur so positiv formulierte, um die Abfindung zu sparen, oder weil der Bewerber wirklich spitze sei.
Mit Erfahrungen aussagekräftig bewerben
Hier helfen oft Beschreibungen, welche Probleme der Bewerber bei seinem alten Arbeitgeber löste. "Sind in ihnen kurz und prägnant die Aufgabenstellungen nebst Problemlöseschritten skizziert, macht dies die Kompetenz transparent", betont Unternehmensberater Georg Kraus aus Bruchsal.
Insgesamt gilt: Von "alten Hasen" erwarten Unternehmen aussagekräftigere Bewerbungen als von Berufsanfängern. Schreiben Berufseinsteiger im Anschreiben "Mit Interesse las ich Ihre Anzeige", um anschließend nochmals kurz ihren Lebenslauf zu schildern, wird ihnen dies verziehen. Von Berufserfahrenen erwarten die Betriebe präzisere Aussagen darüber, warum sie sich bewerben und wertvolle Mitarbeiter wären.
Spezielle Kenntnisse ermitteln
Diese Fragen zu beantworten, fällt vielen berufserfahrenen Bewerbern schwer. Denn sie wissen nicht: Welche Pfunde kann ich in die Waagschale werfen? Sie verweisen oft nur auf ihr fachliches Know-how und ihre Branchenkenntnis. "Unternehmen haben aber auch unterschiedliche Strukturen und Kulturen. Deshalb haben sie auch spezifische Probleme und Verfahren, diese zu lösen. Folglich brauchen sie auch unterschiedliche Mitarbeiter", erklärt Müllerschön.
Ein Beispiel: Fach- und Führungskräfte in mittelständischen Betrieben benötigen meist eine breitere Qualifikation als Konzernmitarbeiter, denn in Klein- und Mittelbetrieben gibt es nicht so viele Spezialisten zum Delegieren von Aufgaben. Außerdem dürfen sich ihre Mitarbeiter nicht zu schade sein, auch mal Briefe einzutüten. "Ein Stellensucher, der in einem kleinen Familienbetrieb arbeitet, kann just dies beim Bewerben in die Waagschale werfen - auch bei Großunternehmen, die ihre Organisation in kleinere, flexiblere Einheiten untergliedern möchten", erläutert Liebermeister.
Solche speziellen Fähigkeiten und Erfahrungen sollten ältere Arbeitsuchende bei sich ermitteln, damit sie sich gezielt bewerben können. Denn dass sie berufserfahrene Experten sind, sollte sich auch in ihrem Vorgehen beim Bewerben widerspiegeln.