Seit 90 Jahren beschäftigt sich die Modine Manufacturing Company mit Wärmeübertragungs- und Wärmespeichertechnologien und ist heute ein weltweit führender Zulieferer in der Automobilindustrie. Mit
Autofans und ihren Erwartungen kennt sich Kurt Trillsam, IT-Direktor der Modine Europe GmbH, also naturgemäß gut aus. Und natürlich ist ihm bewusst, dass viele Fahrzeugfreaks nichts lieber tun, als nach einem genauen Blick unter die Motorhaube noch ein kleines bisschen mehr aus der Maschine zu kitzeln.
Auch Kurt Trillsam ist ein Mensch, der gerne den genauen Überblick über die Technik hat, auf die er sich verlässt. Vor kurzem hatte auch er Gelegenheit zu so einem Blick unter die Haube.
Doch der Reihe nach: Modine zählt mit mehr als 1,1 Milliarden US-Dollar Umsatz zu den führenden Entwicklern und Herstellern von Wärmeübertragungsund Kühlsystemen. Rund 45 Prozent des Gesamtumsatzes werden von Modine Europe erwirtschaftet. 2300 der weltweit 8500 Mitarbeiter sind in Europa beschäftigt. Deutschland ist mit sechs von zehn europäischen Standorten das wichtigste Standbein in der Alten Welt.
Die Europa-Zentrale in Filderstadt unterstützt seit 1999 die Geschäftsprozesse von Modine mit SAP. Die Walldorfer Software kommt nicht nur im Abrechnungswesen zu Einsatz. „Es gibt praktisch keine anderen Anwendungen im Business Bereich“, sagt Trillsam. Finanzwesen, Controlling, ERP, Qualitätssicherung, Instandhaltung, Warehouse Management und die Abrechungen im Personalwesen für die Mitarbeiter in Deutschland und Österreich werden mit SAP abgewickelt. Seit drei Jahren wird zudem das Walldorfer Business Information Warehouse (BW) für das Reporting genutzt und seit einem Jahr in der Vertriebsplanung.
Das SAP-System arbeitet solide, und Modine behauptet sich gut im harten Zulieferermarkt. Warum also der Wunsch nach einer eingehenden Systemanalyse? „In unserem Markt in Mitteleuropa kann man nur mit innovativen IT Lösungen bestehen“, sagt Trillsam. „Wir waren uns immer sicher, unser System im Griff zu haben. Aber handfeste Beweise sind unserem Management natürlich lieber als mein Bauchgefühl. Deshalb haben wir die Chance, die Stärken und Schwächen genau dokumentiert zu bekommen, wahrgenommen.“
Wie hoch ist der Standardisierungsgrad der SAPLandschaft? Wo hemmen selbst entwickelte Systemkomponenten die Performance? Welche Anwendungsteile werden überhaupt nicht genutzt, aber trotzdem regelmäßig gewartet? Genaue Antworten auf solche Fragen sind für jeden IT-Manager attraktiv. Um zu erfahren, wie Modine in Bereich wichtiger Key-Performance-Indikatoren (KPI) aufgestellt ist, wandte sich Trillsam an West Trax Deutschland in Hahnstaetten.
KPI-Scan als Auswertungswerkzeug
Die IT-Berater haben eine Anwendung entwickelt, den „Life Cycle Manager für SAP-Systeme“. KPI-Scan heißt das Auswertungswerkzeug, das eine systematisierte Bestandsaufnahme des SAP-Systems vornimmt. Die Analyse hilft, Schwachstellen und Einsparungspotenziale zu entdecken. Besonders im Vorfeld eines R/3-Upgrades oder einer Konsolidierung kann das Wissen um diese Schwächen dazu beitragen, Zeit und Geld zu sparen. Auch zur Qualitätsverbesserung aktueller Systeme und zur Reduzierung der Total Cost of Ownership (TCO) vor allem im Bereich von Wartung und Pflege können diese Informationen sinnvoll sein.
Der Clou ist, dass die so gesammelten Werte über das System nicht nur zusammengefasst, sondern auch in einem Kennzahlensystem abgeglichen werden. So einen Service hatte Trillsam gesucht. „Wir kennen unsere Anwendungen sehr gut, aber im Bereich der KPI-Auswertungen braucht man Algorithmen, die wir nicht selbst entwickeln können. Selbst wenn wir es könnten, wüsste ich noch nicht, wie wir im Marktvergleich stehen.“
Trillsam interessierte besonders, wo funktionale Stärken und Schwächen der SAP-Landschaft liegen: „Wir hatten bislang nur Benchmarks für IT-Kosten und Qualität.“ Der KPI-Scan hingegen versprach Kennzahlen aus vier Bereichen: Neben Zahlen zu Kosten und Qualität des Systems liefert die Anwendung auch Kennziffern zu Produktivität und Performance. Vor allem die beiden letzten Punkte waren für Trillsam interessant. Reine Kostenfresser zu identifizieren war bei dem Projekt zweitrangig, sagt er. „Die Kosten ermitteln wir über andere Benchmarks. Und Auskunft über die Qualität unserer Anwendungen bekommen wir aus internen Befragungen. Die Angaben der Anwender sind für mich wertvoller als Kennzahlen aus Systemanalysen.“
Der Aufwand für die Analyse beschränkte sich seitens Modine auf die Ausführung von SAP-Standardreports, die West Trax vorgegeben hatte. Die Daten wurden anschließend per E-Mail an West Trax gesandt. „Der Aufwand für Modine zur Bereitstellung der benötigten Informationen lag bei unter 30 Minuten“, so Trillsam. Bei West Trax fand die eigentliche Arbeit statt. Dort wurden die Werte mit Kennzahlen aus 500 hinterlegten IT-Systemen anderer Unternehmen abgeglichen, die die Berater aus Best Practices und Projekten gewonnen haben und die Grundlage für das KPI-Vergleich sind.
Ergebnisse bestätigen Bauchgefühl
Die Ergebnisse zeigten, dass Trillsam sein Bauchgefühl nicht getrogen hatte. „Die im Modine-System gemessenen Kennzahlen waren die seit langem besten, die wir analysiert haben“, sagt Diana Bohr, Chief Technologie Officer bei West Trax. „Sie bewegten sich in fast allen Bereichen deutlich über dem Branchendurchschnitt.“
Im Bereich Kosten punktete Modine etwa, weil der Anteil der Eigenentwicklungen am SAP-System mit 22 Prozent verhältnismäßig niedrig lag. Im Bereich der Performance-Kennzahlen erzielte Modine gar ein absolutes Top-Ergebnis, das in die Kennzahlendatenbank von West Trax eingehen wird. „Modine hat einen Best-Practice-Wert übertroffen, der seit fast fünf Jahren nicht mehr erreicht wurde“, so Bohr. Die Kennzahl, bei der Modine nun das Maß aller Dinge ist, misst den Anteil an genutzten Eigenentwicklungen im SAP-System, die länger als eine Minute für ihre Antworten brauchen. Modine schlug dabei den bisherigen Best Practice-Wert um fast drei Prozentpunkte. Nur 2,7 Prozent der Anwendungen haben längere Reaktionszeiten. Bisher lag der geringste Anteil von solchen Anwendungen an der Unternehmenslandschaft bei 20,1 Prozent. Vor allem die direkte Konkurrenz aus dem Automotive-Bereich hängte Modine hier um Längen ab.
Standardisierungsgrad als Kennnziffer
Auch der Standardisierungsgrad des Modine Systems kann sich sehen lassen. Er lag mit 56 Prozent um acht Prozentpunkte über dem Durchschnittswert in der Autobranche. Derartige Kennzahlen sind jedoch nicht nur für Trillsam interessant. Auch das Management kann sie nutzen. Die Kennziffer Standardisierungsgrad ist etwa einer der Indikatoren für die Produktivität des Systems. Er definiert den Anteil an genutzten SAPStandardtransaktionen in einem SAP-System. Ein schlechter Wert ist laut West Trax ein Warnsignal, denn er deutet darauf hin, dass Geschäftsprozesse nicht harmonisiert wurden. Die Auswertung von Geschäftsdaten und die kontinuierliche Betreuung der SAP-Installation wird damit behindert.
Viele vergleichbare Systeme des Benchmarks weisen einen erschreckend niedrigen Grad auf. Hätte Modine hier auch nur mäßige Werte erzielt, wäre das Management gefordert gewesen. Denn häufig haben Entscheidungen im Hinblick auf Standard- versus Eigenentwicklungen politische und weniger technische Hintergründe. So versuchen viele Landesgesellschaften und Tochterunternehmen, der Konzernkontrolle durch spezielle Anforderungen zu entgehen.
Es brennt nichts unter den Nägeln
Der gute Wert zeigt, dass Trillsam und seine Kollegen ihre Hausaufgaben gemacht haben, das Management aber auch das richtige organisatorische Umfeld für den SAP-Einsatz geschaffen hat. Was aber folgt noch für den IT-Chef aus den Ergebnissen? Allzu viele Hoffnungen, dass Modine die Verbesserungen umsetzt, die West Trax vorgeschlagen hat – und selbstredend auch gerne durchführen würde –, dürfen sich die Systemdurchleuchter nicht machen. „Ich werde aufgrund der sehr guten Resultate wenig ändern“, sagt Trillsam. „Wir haben Hinweise bekommen, wo wir noch etwas tun könnten, aber uns brennt nichts unter den Nägeln.“
Handlungsbedarf hatte West Trax bei der Vielzahl von Eigenentwicklungen angemahnt, die seit Jahren Teil des Produktivsystems sind und – so die Analyse – oft jahrelang ungenutzt bleiben. Die Messungen des Anteils an ungenutzten Eigenentwicklungen ergaben, dass die Betriebskosten durch die auf ersten Blick nicht benötigten Anwendungen steigen könnten. Eigenentwicklungen können meist nicht mit automatisierten Upgrades auf den neusten Stand gebracht werden. Und Programme, die fortlaufend gewartet werden, obwohl sie niemand benutzt, bedeuten, dass unnötig Geld ausgegeben wird. Für viele CIOs kann es also wertvoll sein, durch Analysen auf versteckten Ballast in der IT stoßen.
Überzählige Codes nicht nutzlos
„Uns ist bewusst, dass wir noch einiges mit uns herumtragen“, sagt auch Kurt Trillsam. Aber: Die scheinbar überzähligen Codes erwiesen sich als nicht so nutzlos, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. „Wir kennen diese Programme und wissen, dass wir sie vielleicht jetzt nicht brauchen, insgesamt aber nicht auf sie verzichten wollen“, sagt Trillsam. Viele dieser Eigenentwicklungen helfen etwa, den Aufwand eines Roll-outs von Änderungen bei Modine zu minimieren. „Es sind Programme, die wir vielleicht drei Jahre lang wirklich nicht nutzen. Aber sie zu entfernen und dann neu zu schreiben wäre zu viel Arbeit. Und sie alle zu archivieren, dazu fehlt uns die Zeit. Aber da wir genau identifiziert haben, um welche Programme es sich handelt, können wir auch sicherstellen, dass wir sie von Wartungsprozessen ausnehmen.“
Dennoch hat die KPI-Analyse ihren Wert gezeigt. Selbst wenn sich die Urheber für die schwachen Kennzahlen nicht so rasch wie bei Modine identifizieren lassen, können IT-Chefs die Hinweise, wo etwas im Motor schleift, nutzen, um eigene Ressourcen besser zu verteilen. Sie können in überschaubaren Projekten gezielt die Schwachstellen unter die Lupe nehmen, statt ganz allgemein den Auftrag zu erteilen, die Performance des Systems zu verbessern oder die Kosten zu senken.
Gewissheit über „tragfähiges Gebäude“
Für Trillsam ist es „eine Frage der Prioritäten“, dass er es sich leistet, diese Schwachstelle im System zu tolerieren. „Wir haben genug andere Projekte, mit denen wir ausgelastet sind.“ Doch waren die Ergebnisse so gut, dass er neue Projekte guten Gewissens angehen kann. Denn schon jetzt steht das R/3-System im Branchenvergleich sehr gut da. Was IT-Kosten am Umsatz angeht, bewegt man sich unter den Zulieferern im unteren Drittel. „Aber bei der Leistung des SAP-Systems sind wir sehr weit vorne dabei“, so Trillsam. „Jetzt haben wir die Sicherheit, dass wir bei der Geschwindigkeit, mit der wir neue Themen angehen, keine Abstriche machen müssen. Mit unserer kleinen Mannschaft könnten wir uns nicht um neue Anwendungen kümmern, wenn wir immer noch mit Systembelangen wie der Performance zu kämpfen hätten.“
Auf der Agenda steht derzeit unter dem Schlagwort „Product Lifecycle Management“ die intensivere Vernetzung mit Auftraggebern und Lieferanten. Das PLMModul von SAP ist bei Modine die Grundlage für den Austausch von Konstruktions- und Zeichnungsdaten. Auch die Verzahnung der CAD-Systeme, in denen die Entwürfe entstehen, mit SAP PLM hat zur Voraussetzung, dass die komplexe Softwarelandschaft made in Walldorf rund läuft. Anders würden die automatische Verteilung von Konstruktionszeichnungen und der integrierte Datenaustausch, die noch in diesem Jahr live gehen sollen, nicht reibungslos funktionieren. „Im Grunde ist es wie beim Hausbau“, erläutert IT-Manager Trillsam. „Wir haben nun bestätigt bekommen, dass wir über ein stabiles und tragfähiges Gebäude verfügen. Jetzt können wir uns mit einem guten Gefühl um den weiteren Ausbau kümmern.“