Self Scanning-Pilotprojekte in der Endphase

Mit Self Scanning neue Services schaffen

09.08.2006
Zeit ist Geld. Dies gilt für immer mehr Kunden. Beim Einkauf wird die Ware in den Einkaufswagen gelegt, man steht an der Kasse an, packt wieder aus, die Kassiererin scannt die Ware, der Kunde packt wieder ein. Dieses umständliche Verfahren lässt sich vereinfachen, indem der Kunde stärker als bislang in den Vorgang integriert wird. Die Lösung: Self Scanning, etwa über den Personal Shopping Assistant (PSA). Mehrere Pilotprojekte in Deutschland und der Schweiz stehen mittlerweile kurz vor dem Abschluss und der finalen Auswertung.



Hilfreicher Personal Shopping Assistant

Der PSA wird als mobiler Touchscreen-Computer auf den Einkaufswagen gesteckt und bietet dem Kunden auf übersichtlichen und multifunktionalen Oberflächen Tipps und Auskünfte über das Sortiment, einzelne Artikel und Sonderangebote. Die Möglichkeit zur Produktsuche mit Anzeige des Standortes, ein integrierter Scanner sowie der Hinweis auf Sonderangebote und Extrakonditionen, zum Beispiel durch die Nutzung persönlicher Einkaufsgutscheine, ergänzen den Service für den Kunden. An der Kasse wird das Gerät dann einfach abgegeben, die bereits gescannten Waren bleiben im Korb, und der Kunde spart eine Menge Zeit.

Ausschlaggebend für den Erfolg des PSA ist der angebotene Content. Im richtigen Moment muss der richtige Inhalt im richtigen Format zur Verfügung stehen. Mit pirobase CB for Retail bietet zum Beispiel Pironet NDH eine Integrationsplattform, um beliebige Applikationen „anzuschließen“ und diese mit dem entsprechenden Content aus unterschiedlichen Quellen zu versorgen.

Coop Pilotprojekt im schweizerischen Frenkendorf

Mitte Oktober 2005 startete Coop im schweizerischen Frenkendorf ein Pilotprojekt, das bei erfolgreicher Bilanz landesweit eingeführt werden soll. Iim Entree des Coop-Einkaufszentrums in Frenkendorf erhalten die Kunden ein kleines Scanning-Gerät, das nach der Kontrolle der „Supercard“ – der Kundenkarte von Coop und deren Partnern in der Schweiz – zugewiesen wird. Dann begeben sie sich mit dem Einkaufswagen, der eine Scanner-Halterung aufweist, ins Ladeninnere und tätigen ihre Einkäufe. An jedem Produkt, das eingekauft wird, liest man mit dem Hand-Scanner den Strichcode ein. Der Scanner zeigt auf dem Display Art, Zahl und Preis der gekauften Produkte sowie den aktuellen Zahlungsbetrag übersichtlich an.

An der Kasse werden die Produkte in die Einkaufstasche gelegt, sie brauchen nicht mehr auf dem Fliessband ausgebreitet zu werden. Der Kassenfrau wird das Scan-Gerät, dessen Angaben via Zentralrechner auf die Kasse übertragen werden, ausgehändigt. Bezahlt wird wie üblich mit der Kreditkarte oder bar. Auf „mindestens 50 Prozent“ schätzt Coop die Zeitersparnis bei Nutzung des Self Scanning-Verfahrens.

Hansruedi Loosli, Chef des Coop-Konzerns in der Schweiz, betonte, dass der Einsatz von Self Scanning keineswegs zum Personalbabbau führe. Allerdings würden konventionelle Kassen zu Schnellkassen umgebaut. Die wesentlichen Ziele seien die Steigerung der Kundenzufriedenheit und der Gewinn von Marktanteilen: „Es geht darum, eine neue effiziente Dienstleistung zu erbringen.“

Erfolgsquote bei 15 bis 20 Prozent

Laut Oskar Sager, Leiter der Coop-Verkaufsregion Nordwestschweiz, soll der Frenkendorfer Pilotversuch im Sommer 2006 ausgewertet werden. Ist der Test - Kosten: eine Million Franken - erfolgreich, soll das Self Scanning in großen urbanen Verkaufsläden der ganzen Schweiz eingeführt werden. Vorgesehen ist das Verfahren vorwiegend für Großeinkäufe, wo es besonders zeitsparend sein soll. Ein Erfolg stellt sich nach Coop-Meinung ein, wenn mindestens 15 bis 20 Prozent der „Supercard“-Kunden zum Self Scanning bereit sind.

Auf die Frage, ob dieses System nicht geradezu zum Ladendiebstahl einlade, weil nicht eingelesene Konsumgüter schon verpackt an der Kasse vorbei geschmuggelt werden können, verwies Loosli darauf, dass sich im Vergleichsland Italien, wo Self Scanning wie auch in den USA und andern Ländern schon in Betrieb ist, die Diebstahl-Quote nicht verändert habe. Zudem sind nach Zufallsprinzip Stichproben vorgesehen: Self Scanner müssen ihre Waren zur Kontrolle - wie früher - aufs Fließband legen, wo es durch die Kassenbedienung manuell nochmals erfasst und mit dem kundenseitig eingelesenen Ergebnis verglichen wird. Dabei könne auch festgestellt werden, dass der Kunde zuviel eingescannt – und bezahlt – hat, weil er ein Produkt wieder ins Regal zurück gelegt, die Eingabe auf dem Scanner aber nicht gelöscht hat. Auch ein Diebstahl des Geräts dürfte schwierig sein: Über die Erfassung der „Supercard“ beim Beziehen des Hand-Scanners ist die Identität des Bezügers bekannt.

Zum Frenkendorfer Pilotversuch entschied sich Coop nach einer Befragung von 400.000 „Supercard“-Besitzern in den Jahren 2002/2003. Deren Fazit: große Zufriedenheit, aber Ärger über das lange Warten in der Kassenschlange. Nach einer gewissen Zeit des Wartens, so sei durch Videoaufnahmen dokumentiert worden, komme es zu „leeren Blicken“ unter der Kundschaft und „diesen Teil in der Warteschlange operieren wir heraus“, sagt Sager. Auch die lästigen Wartefristen während der Verarbeitung der Kreditkarten sollen durch neue Systeme verkürzt werden. Chef Loosli glaubt sogar daran, dass das Self Scanning im Einkaufsprozess als „spielerisches Mittel“ Anerkennung finde. Der SMS-Effekt auch beim Einkauf sozusagen.

Mit „quick n’easy“ schnell und bequem einkaufen

Auch Manor gehört zu den schweizerischen Einzelhandelsunternehmen, die ein Self Scanning-System entwickelt haben und als Pilotprojekt „quick n’easy“ lancieren. Seit dem 15. November 2005 wird im Supermarkt Basel St. Jakob-Park probiert, was bald schon flächendeckend Zukunft werden kann.

Wer „quick n’easy“ ausprobieren möchte, für den stehen beim Eingang zum Supermarkt Hand-Scanner bereit. Hier muss sich der Kunde für die Zulassung zu „quick n’easy“ am dafür vorgesehenen Lesegerät identifizieren. Diese Identifikation erfolgt über die Manor Karte, eine kombinierte Kunden- und Kreditkarte der Schweiz. Wer über keine Manor Karte verfügt, erhält vor Ort eine Gastkarte, die nach dem Einkauf an der Kasse wieder abgegeben werden kann.

Nach erfolgter persönlicher „Anmeldung“ nimmt der Kunde einen entsprechenden Scanner, mit dem er die Strichcodes der gewünschten Artikel selber scannt, bevor er diese in seinen Einkaufswagen legt. Auf dem Handgerät werden die eingekauften Artikel laufend aufgeführt, ebenso der Preis und das Zwischentotal. Artikel können auch wieder ins Regal zurückgestellt und entsprechend „ausgescannt“ werden.

Am Ende des Einkaufs geht der Kunde an die reservierte „quick n’easy“-Schnellkasse. Hier werden die Artikel- und Preisdaten direkt an die Kasse übermittelt. Bezahlt werden kann wie üblich mit allen Zahlungsmitteln. Der heutige Zahlvorgang mit dem Dialog zwischen Kunden und Kassiererinnen und Kassierern bleibe aber auch bei „quick n’easy“ eine wichtige und unentbehrliche Dienstleistung, betont das Handelsunternehmen.

Auswertung des Testlaufs

Die konkreten Ergebnisse und Reaktionen aus dem Testlauf mit „quick n’easy“ werden auf alle Komponenten hin genau analysiert und die Akzeptanz bei der Kundschaft wird ausgewertet. Auf dieser Basis wird dann im Herbst 2006 entschieden, ob, wann und in welcher Form Self Scanning bei Manor eine strategische Bedeutung erhält. Reagieren die Kunden überaus positiv auf den Piloten, ist die Multiplikation dieser technischen Neuerung geplant.

Integrierter Fingerprint-Scanner für neue Bezahlfunktion

AWEK, Anbieter von Produkten, Systemlösungen und Services für Handel und Industrie, pilotiert seit Mitte November 2005 sein Self Scanning-Kassensystem smartONE im Einzelhandel. Der serienmäßig integrierte Fingerprint-Scanner ermögliche eine völlig neue Bezahlfunktion, die so sicher ist wie eine Kreditkarte oder ein PIN-Code, erklärt der Hersteller.

Statt die Ware auf das Kassenlaufband zu legen und zu warten, bis die Kassiererin die Strichcode-Etiketten über die Scannerkasse gezogen hat, können die Kunden in dem Pilot-Markt ihre Waren jetzt selbst an der Lesefläche eines neuen Kassenterminals vorbeiziehen und anschließend mit EC-Karte oder per Fingerprint bezahlen. Mit smartONE, dem Self-Scanning-Kassensystem der AWEK-Gruppe, soll die Wartezeiten an der Kasse verkürzen werden.

„In Nordamerika und in europäischen Nachbarländern sind Self Scanning-Kassen bereits seit längerem im Einzelhandel zu finden“, so Alexander de Poel, Geschäftsführer der AWEK C-POS. „Befragungen haben gezeigt, dass sich zwei Drittel der Verbraucher vorstellen können, das Registrieren und Kassieren selbst zu übernehmen und immerhin 15 Prozent dies sogar einfordern. smartONE ist hier die ideale Ergänzung zur herkömmlichen Kassenzone.“ Nach erfolgreichem Abschluss der Pilotphase soll smartONE bundesweit in weiteren Märkten aufgestellt werden. Konkrete Anfragen von Einzelhandels- und Baumarktketten gibt es bereits.

Der Kunde kann am smartONE seinen Einkauf wahlweise mit seiner EC-Karte und PIN oder per Fingerprint bezahlen. Ein Touchscreen zeigt die gescannten Waren und Preise. Die Benutzeroberfläche ist übersichtlich gestaltet und intuitiv zu bedienen. Um die Fingerprint-Identifikation nutzen zu können, muss sich der Kunde vorher einmalig mit seiner ec-Karte und seinem Fingerabdruck registrieren. Anschließend kann er die Artikel selbstständig durch den eingebauten Barcode-Scanner des smartONE erfassen. Die Freigabe der Zahlung mittels elektronischer Lastschrift erfolgt durch Auflegen des zuvor registrierten Fingers auf dem integrierten biometrischen Fingerscanner. Der Fingerabdruck wird dort an 32 Fixpunkten gemessen, in einen Zahlencode umgewandelt und mit der Bankverbindung gekoppelt. Die Daten dieses Zahlencodes sind nicht rückwandelbar und daher fälschungssicher, erklärt der Hersteller.

Einsatzbeispiel aus dem Facheinzelhandel

Bislang sind es überwiegend Lebensmitteleinzelhändler, die im deutschsprachigen Raum Self Scanning-Systeme testen. Eines der wenigen Unternehmen im Facheinzelhandel in dieser Hinsicht ist die Peek & Cloppenburg KG, die in mehreren großen P&C-Lokationen entsprechende Testinstallationen eingerichtet hat. Hier prüft das Textilhaus den Nutzen und die Akzeptanz von Selbstzahlerkassen. Ende 2004 wurden die ersten Terminals – eine Entwicklung von Torex Retail für P&C – zunächst im Düsseldorfer Haus aufgestellt. „Die Selbstzahlerterminals sehen wir als Ergänzung zu den herkömmlichen Kassen“, sagt Bereichsleiter Peter Gluschak von Peek & Cloppenburg Düsseldorf.

Für die schnelle und bequeme „Express-Bezahlung“ legen die Kunden die Produkt-Etiketten in einen Eingabeschacht am Terminal. Hier analysiert ein Image-Scanner das Etikett. Er ist in der Lage, mehrere Barcodes gleichzeitig zu lesen und den Preis an die von P&C entwickelte Terminal-Software weiterzuleiten. An einem übersichtlichen Touchscreen werden die Kunden durch den weiteren Bezahlvorgang geleitet. Für zusätzliche Anwendungen verfügt das Terminal über einen integrierten Trackball. Außerdem hat der Kunde die Möglichkeit, seine Kundenkarte in einen Magnetkartenleser einzuführen, um sich den Bonus für seinen Einkauf auf dem Kundenkonto gutschreiben zu lassen.

Die Bezahlung erfolgt per EC- oder American Express-Karte. Am integrierten PIN-Pad können EC-Cash-Zahlungen autorisiert werden. Auch Mitarbeitereinkäufe lassen sich an den Systemen durchführen. Eine Besonderheit des P&C-Selbstzahlerterminals ist die Akzeptanz des Lufthansa Miles & More Bonussystems. Ebenso wie an den anderen Kassensystemen bei P&C ist es den Kunden damit möglich, ihre ausgewählten Artikel mit Miles & More Prämienmeilen zu bezahlen. „Ein Einsatz der Selbstzahlerterminals in weiteren deutschen Verkaufshäusern ist bereits geplant“, teilte das Unternehmen schon Mitte 2005 mit.

Reinhold Hölbling, MBmedien GmbH