Eine Bank, bei der die Kunden Kreditkonditionen mitbestimmen, bestehende Produkte bewerten und neue vorschlagen können oder sogar sollen - das alles hört sich zunächst wenig nach klassischem Bankgeschäft an. Es soll aber, jedenfalls nach dem Willen von Matthias Kröner, das Bankkonzept der Zukunft darstellen. Community-Banking nennt der Vorstand der Fidor Bank AG seine Vorstellung von einem modernen Geldinstitut, oder auch Mitmach-Bank. Dabei geht es in den Worten von Kröner um ein "kundenzentriertes, transparentes Finanzdiensteistungswesen, das von einer aktiven Web-Community getragen wird".
Paradigmenwechsel im Bankenwesen
Um einen solchen Anspruch zu realisieren, reicht es nach Kröner nicht, eine traditionelle Bank umzustrukturieren. Vielmehr steht ein Paradigmenwechsel im Bankenwesen an, der aus einem neuen Selbstverständnis von Banken und Kunden erwächst. "Die Finanzkrise hat die Kundenbeziehungen schwer belastet, außerdem ist die Komplexität im Finanzgeschäft stark angestiegen", so Kröner. "Kunden müssen sich daher künftig verstärkt selbst um ihre Geldanlage kümmern, während die Banken den Kunden wieder in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen müssen."
Kröners Wortwahl reflektiert ein Wording, das stark an die zweite Web-Generation, das so genannte Web 2.0 oder Mitmach-Web erinnert. Und das ist kein Zufall. Für den Bank-Manager ist Community-Banking ganz eng mit dem Web 2.0 verknüpft. Das Internet als extrem schnelles und direktes Informations- und Kommunikationsmedium erlaubt, so Kröner, "eine Transparenz von Produkten und Prozessen, wie sie für Privatpersonen bislang kaum nachvollziehbar war". Über das Netz können User sich gegenseitig bei Finanzentscheidungen helfen und unterstützen. Und Kröner ist davon überzeugt, dass sie das teilweise besser, jedenfalls unabhängiger machen als manch klassischer Bankberater.
Für kniffligere Fragen soll es dann aber doch Berater geben. Wenn auch nicht solche, die in das herkömmliche Provisionssystem eingebunden sind. Auf der Community-Plattform www.gemege.de der Fidor Bank AG können Berater quer durch die Branche Produkt- und Anlagetipps abgeben. Ein Ranking auf Basis eines Kriterienkataloges gibt den Usern Anhaltspunkte für die Qualität der Beratungsleistung. Die User-Daten sind soweit anonymisiert, dass Berater nicht unerwünscht mit dem Kunden in Kontakt treten können. Rund 9.000 Mitglieder und 900 Finanzexperten stehen aktuell auf gemege.de in Kontakt. In Kürze ist ein Relaunch geplant, der die Einbindung der Plattform in die eigentliche Banking-Site der Fidor AG www.ficoba.de vorsieht.
60.000 registrierte User auf drei Plattformen
Die Community sieht Kröner als Keimzelle seines Banking-Konzeptes. "Sie ist meine Filiale, der Raum, in dem meine User aktiv werden". Darüber hinaus betreibt die Fidor AG keinen eigenen Vertrieb und beschäftigen auch keine eigenen Berater. Um mit ihr in Kontakt zu treten setzt die Fidor AG augenblicklich ganz auf die bewährten Web 2.0-Kanäle wie Facebook, Twitter und Xing. "Unsere Präsenz dort entspricht", so Kröner, "Satelliten in den Fußgängerzonen des Internetlebens". Wer sich erfolgreich im Web positionieren möchte, muss sich also dort aufhalten, wo die User sind: auf den Social Media Plattformen, jedenfalls zurzeit.
Die Fidor AG hat für die Realisierung ihrer Multichannel-Web-Präsenz Anfang 2008 zunächst den Fidor-Blog ins Leben gerufen, um so interessante Inhalte zu kommunzieren. Schritt zwei war der Auftritt in Facebook, Xing und anderen Social Media Plattformen. Zwischen März und Mai 2009 folgte der Launch von ficoba.de und begleitenden Plattformen wie gemege.de und brokr.de.
Geplant ist nun ein Relaunch, der das Bonussystem von Fidor integriert und die Produktwelt vollständiger darstellt. Die Community ist derzeit überschaubar: 238 Followers bei Twitter, 231 Mitglieder bei Xing und 49 Fans bei Facebook. Doch die drei Plattformen brokr.de, gemege.de und sharewise.de vereinen immerhin schon 60.000 registrierte User. Insgesamt konnte die Fidor Gruppe, zu der auch die Online-Marketing-Agentur Zieltraffic gehört, im vergangenen Jahr einen Umsatz von 25 Millionen Euro erzielen. "Wir sind noch am Anfang. Aber die Entwicklung stimmt uns sehr zuversichtlich", erläutert Kröner die Zahlen. "Entscheidend ist dass das Konzept auf die Mehrheit der Deutschen eine hohe Anziehungskraft ausübt. Wir erwarten in den nächsten Jahren daher ein starkes Wachstum im Bankengeschäft."
Community-Banking, wie es durch die Fidor AG Gestalt annimmt, ist eine der konsequentesten Umsetzungen des Social Media-Gedankens. Doch das innovative Bankenkonzept ist auch eng verbunden mit dem Web 2.0. Könnte die Überflutung der Social Media-Kanäle mit Werbung die Community nicht zerstören? Kröner sieht die Entwicklung gelassen: "Selbst wenn das Web 2.0 mit seinen Kanälen wie Twitter oder Facebook durch extensives Marketing Schaden nimmt, kann dies dem Community-Banking nichts anhaben. Das Konzept einer kundenzentrierten Bank mit hoher Transparenz bei den Produkten und Prozessen wird unabhängig davon Bestand haben. Die Kanäle werden sich immer wieder finden".