Industrie 4.0 ist spätestens seit der diesjährigen Hannover Messe Industrie in aller Munde. Mittelständische Maschinen- und Anlagenbauer fragen sich inzwischen, wie auch sie von diesem Trend, den die Bundesregierung mit dem gleichnamigen Zukunftsprojekt innerhalb ihrer Hightech-Strategie fördert, profitieren können. Das Virtual-Fort-Knox-Konzept gibt Antwort darauf.
Es wurde vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA gemeinsam mit der Hewlett-Packard GmbH entwickelt und versteht sich als Bindeglied zwischen Anbietern von IT-Lösungen für den Unternehmens-/Produktionsbereich und den Endanwendern. "Alle Unternehmen sind massiv daran interessiert, Geschäftsmodelle für Industrie 4.0 zu entwickeln", sagt Michael Mey, Senior Consultant Manufacturing EMEA bei HP Enterprise Services. Wir haben eine Lösung, die umgesetzt wird und deren Kriterien den Anforderungen im gegenwärtigen Kontext am besten entsprechen".
Virtual Fort Knox überwindet Informationsbruch
Hintergrund: Die Entwickler von Virtual Fort Knox beobachteten, dass zahlreiche technische Verbesserungen von Maschinen und Produkten in den vergangenen Jahren dazu führten, Informationen wirtschaftlich zu erfassen und zu verarbeiten - meist jedoch nur in abgeschlossenen IT-Systemen. "Sobald Informationen aus der physischen Produktion mit der digitalen Welt verknüpft und vernetzt werden, ist der Aufwand bei Bereitstellung und Betrieb immens", sagt Universitätsprofessor Thomas Bauernhansl, Leiter des IFF und des EEP der Universität Stuttgart und des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Daher seien die Einführung und der Betrieb solcher IT-Systeme zur Optimierung der Fabrikplanung und des Fabrikbetriebs sowohl in Großunternehmen als auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen noch nicht weit vorangeschritten.
Virtual Fort Knox überwindet diesen Informationsbruch. Auf der Plattform für verteilte serviceorientierte Anwendungen können produzierende Unternehmen zum Beispiel Informationen aus der Fabrikplanung und dem Fabrikbetrieb flexibel, einfach und skalierbar aufbereiten sowie anschließend aufgabenorientiert vernetzen und verwerten. "Kleine und mittelständische Unternehmen werden in besonderem Maße davon profitieren", sagt Professor Bauernhansl. "Denn wir bieten den KMUs eine Community als Endanwender an, aber wir haben auch Softwareanbieter auf der Plattform, die dadurch die Möglichkeit haben, diesen Kundenkreis erst einmal zu erschließen".
Dieses Prinzip fördert die Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen, denn: Kleine Unternehmen können sich häufig Software-Lösungen nicht leisten und für Softwareunternehmen ist es oft uninteressant, diese Kundengruppe zu erschließen. "Über unsere Plattform können wir die Kleinunternehmen nun mit den Softwareanbietern zusammenbringen", so Professor Bauernhansl. Das hat den Vorteil, dass der Vertriebsaufwand sinkt, die Markttransparenz aber in gleichem Maße steigt. In der Praxis funktioniert das Prinzip sehr unkompliziert. Bauernhansl: "Kleine Unternehmen können sich schnell über angebotene Software informieren und Referenzen anderer kleiner Unternehmen einsehen und diese bei Interesse als App herunterladen und testen".
So sicher wie Fort Knox
IT-seitig betrachtet ist Virtual Fort Knox ein Modell, das einerseits die Vorteile einer geschlossenen "Private Cloud" nutzt, andererseits aber den Charakter einer offenen Plattform hat, damit sich Kunden und Anwender darauf austauschen können. Die gesamte Funktionalität der Plattform wird als serviceorientierte Architektur (SOA) zur Verfügung gestellt. Die Sicherheit wird durch den Charakter der Private Cloud gewährt sowie durch den kontrollierten Zugriff durch ausschließlich registrierte Teilnehmer. Der Name "Virtual Fort Knox" soll zum Ausdruck bringen, dass gemeinsam genutzte sensible Daten so sicher sind wie die Goldreserven im Stützpunkt der US-Armee Fort Knox.
Wegbereiter für die "Smart Factory"
Als virtueller Marktplatz ist das Projekt Bestandteil einer künftigen "Smart Factory", bei der nicht nur Mitarbeiter, sondern auch intelligente Lagersysteme, Maschinenkomponenten und Robotereinheiten unter- und miteinander kommunizieren. Dank der durchgehend vertikalen Integration über die Plattform wird das sogenannte "Internet der Dinge" auch im Produktionsumfeld möglich. Dabei werden "smarte Objekte" - das sind die als cyber-physische Systeme (CPS) bezeichneten Verbindungen von Softwarekomponenten mit mechanischen und elektronischen Teilen - mit Internetservices verknüpft, woraus sich wiederum große Optimierungspotenziale in der Produktion erschließen lassen.
"Weil mechatronische Einheiten nun sozusagen in der Lage sind, reden zu können, eröffnen sich weitere Anwendungsfelder im Industrie-4.0-Umfeld", sagt Michael Mey. Denn erstmals werden bislang nicht erfasste Daten verfügbar gemacht. Auf Grundlage dieser Maschinendaten obliegt es der Kreativität der Softwareentwickler und Lösungsanbieter, neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen. Virtual Fort Knox ist somit eine zentrale Komponente auf dem Weg zu Industrie 4.0 mit ihren völlig neuen Produktionsformen.