Vorbild ist Richard Meier: Der US-Architekt hat unter anderem das Paul Getty Center in Los Angeles, das Stadthaus in Ulm und das Museum Frieder Burda in Baden-Baden entworfen. "Licht ist das wichtigste Bauelement", lautet eine seiner Maximen, die sich in Meiers Bauwerken durchgängig widerspiegelt.
"Diesen Ansatz finde ich faszinierend und inspirierend - auch im IT-Bereich, insbesondere für den Aufbau unserer neuen IT-Architektur bei MLP: Eine transparente, leichte und wenig komplexe IT-Infrastruktur für alle Anwender sollte unserem neuen digitalen Arbeitsplatz zugrunde liegen", sagt Klaus Strumberger, CIO bei MLP.
Die Idee zu einem Paradigmenwechsel - Strumberger spricht vom Kulturwandel - bei der Bereitstellung des Arbeitsplatzes hatte der IT-Verantwortliche schon länger. Konkreter wurden die Pläne, als das Ende von Microsofts Support für Windows XP abzusehen war: "Ein traditionelles Betriebssystem- und Microsoft-Office-Upgrade hätte keinen so großen Mehrwert für die Kunden und unser Geschäft gebracht, wie es unser neuer Ansatz schafft", sagt Strumberger.
Denn die Gewohnheiten und Vorlieben von Kunden sowie der Anspruch an Qualität in der Beratung zu Finanz- und Vermögensfragen haben sich in den vergangenen Jahren verändert bzw. weiterentwickelt - die IT von MLP konnte hier immer schwerer Schritt halten: "Dank des Internets sind Kunden heute viel besser informiert. Das ermöglicht uns, im Kundengespräch schneller über den individuellen Bedarf im Detail zu sprechen - und wird so auch erwartet."
Mit heutigen Softwarelösungen stünden dazu ganz neue Möglichkeiten zur Verfügung. So könne MLP seinen ganzheitlichen Beratungsanspruch besser operationalisieren und für den Kunden erlebbarer gestalten. "Das fängt bei einer intuitiven Visualisierung an und wird bis zur Option eines Onlineabschlusses für einfache Banking- und Versicherungslösungen reichen", erklärt Klaus Strumberger.
Gleichzeitig wird die Finanzbranche immer stärker reguliert - auch im Bereich Datenschutz und -sicherheit, was einerseits in einem deutlich größeren Dokumentationsaufwand für Berater und andererseits in einen gestiegenen Anspruch an Sicherheitsmaßnahmen mündet. "Unser Ziel ist es deshalb, den Arbeitsplatz der Zukunft so zu gestalten, dass sich unsere Berater wieder besser auf das Wesentliche konzentrieren können: die Beratung unserer Kunden. Zudem soll der Austausch zwischen Vertrieb und Support durch Experten aus der Zentrale noch effizienter ablaufen", so Strumberger.
Realisiert werden solle dies auf Arbeitsplatzseite durch eine Zusammenführung aller wichtigen Beratungs-Tools - etwa zur Berechnung, Beantragung oder Dokumentation - in einer Anwendung aus einem Guss. Berater müssen zukünftig nicht mehr zwischen verschiedenen Applikationen hin- und herspringen und Daten mehrfach eingeben. "Neben deutlich mehr Effizienz bei der Erfassung werden wir damit auch eine durchgängige Interaktion mit dem Kunden bis hin zur Dokumentation für den gesamten Beratungsvorgang leisten können", so Strumberger.
Eine moderne Applikation alleine wäre für den neuen Ansatz nicht ausreichend gewesen - auch das Fundament wurde deshalb grundlegend neu gedacht und die IT-Infrastruktur modernisiert. "Wir wollten auch Themen wie Bring Your Own Device abdecken - was insbesondere für unsere knapp 2000 Berater wichtig ist. Und die wollen mit den Endgeräten und Betriebssystemen ihrer Wahl auf ihren Arbeitsplatz zugreifen", betont Erik Vellmete, Leiter IT-Infrastruktur bei MLP.
"Das System ist so flexibel - sprich anytime, anyplace und anywhere, so dass Beratungen selbst auf dem PC des Kunden möglich sind, wenn es die Beratungssituation erfordert", sagt Vellmete. Insofern war man offen für Ideen aller Art. Wichtig war Strumberger und Vellmete der Ausbau einer zukunftsfähigen und damit flexiblen sowie leicht skalierbaren IT-Infrastruktur.
Inspirationen aus dem Silicon Valley
Da es keine vergleichbaren "IT-Neubauten" für Anregungen und Wissenstransfer gab, reisten die beiden IT-Verantwortlichen ins Silicon Valley. Hier ließen sie sich in den Labs von HP, Intel, Citrix und Microsoft inspirieren und erhielten Einblicke in Zukunftstechnologien sowie die nächsten Produkt-Releases. Zentrale Themen waren dabei Consumerization, Bring Your Own Device, Plattformunabhängigkeit, Wartbarkeit, Work Life Integration sowie natürlich Security und Compliance - für das Beratungshaus mit Vollbanklizenz eine wichtige Herausforderung.
Zurück aus den USA wurden die Ideen mit verschiedenen Partnern sondiert, bewertet und zu einem großen, konkreten Innovationsplan zusammengefügt. Die Strategie lautete: Der Arbeitsplatz wandert komplett in die Cloud, unterstützt durch Virtualisierungstechnologien, die für eine höhere Flexibilität und niedrigere Kosten sorgen als bei einer dedizierten IT-Infrastruktur.
Dass MLP die Client-Infrastruktur nicht selbst betreiben wollte, war den Verantwortlichen von Anfang an klar. "Das können andere Unternehmen besser als wir", sagt Vellmete. Erst 2012 hatte MLP den bestehenden Outsourcing-Vertrag mit HP, der das Management der IT-Infrastruktur und der Anwendungsumgebung umfasst, um weitere zehn Jahre verlängert - und dabei in ein sogenanntes Utility-Modell überführt.
Seitdem werden die IT-Dienstleistungen nach genutzter Menge abgerechnet - ähnlich also wie bei öffentlichen Cloud-Services. Trotz der guten Erfahrungen von MLP mit HP wurde die Neuausrichtung zunächst für eine Ausschreibung unter verschiedenen Cloud-Providern genutzt, um ein Bild von der aktuellen Marktsituation zu erhalten.
Public Clouds kamen aus Compliance-Gründen nicht infrage
Die Nutzung einer Public Cloud für die Client-Infrastruktur kam für MLP aus regulatorischen Gründen nicht infrage: "Wir waren mit verschiedenen Public-Cloud-Anbietern in Kontakt, doch als Beratungshaus mit Vollbanklizenz ist es für uns unabdingbar, dass wir einen Durchgriff auf das Rechenzentrum haben. Und den konnten uns diese Provider nicht geben", erklärt Strumberger. Damit war klar: Es wird eine private Cloud aufgebaut - die MLP-Finance-Cloud.
"Andere Anbieter mussten abwinken in Anbetracht der großen Datenmengen und User, mit denen wir in der Cloud aktiv werden wollten", erinnert sich Vellmete. "Die meisten Anbieter konnten nur 500 bis 800 Endanwender stemmen. Bei 4000 Usern in der Cloud führe kein Weg an der Bereitstellung dedizierter Server vorbei, hieß es. Das aber wollten wir auf gar keinen Fall, denn dies ist für uns kein Cloud-Service, bei dem wir flexibel nach unten oder oben skalieren können und der uns die wirtschaftlichen Vorteile einer Cloud bietet."
Eine Bewertung durch ein unabhängiges Benchmark-Unternehmen ergab zudem, dass der neue Arbeitsplatz nicht nur technologisch neue Maßnahme setzt, sondern auch in punkto Wirtschaftlichkeit. "Hier sind wir innerhalb der Peer Group wirtschaftlich führend", betont Vellmete.
Strumberger ergänzt: "HP war einer der wenigen Anbieter, die uns regulatorisch konforme und echte Cloud-Services aus Rechenzentren in Deutschland anbieten konnten. Zusätzlich haben sie uns den besten Wachstumspfad für die Zukunft aufgezeigt - was die beiden gewichtigsten Argumente für unsere Entscheidung waren. Gute Erfahrungen mit HP haben zusätzlich unser Vertrauen bestärkt, dass der Infrastruktur-Stack professionell und hochverfügbar betrieben wird."
Wie HP die Lösung technisch realisiert, war für MLP nicht entscheidend. "Für uns zählt der Cloud-Gedanke, wir kaufen den fertigen Dienst ein und steuern ihn über die vereinbarten Service Level Agreements", so Strumberger. Lediglich einige wenige technische Design-Vorgaben wurden mit dem Dienstleister abgestimmt, um die strategischen Ziele erreichen zu können: beispielsweise, dass der Windows-Arbeitsplatz über die Thin-Client-Lösung Citrix XenApp zur Verfügung gestellt wird. "Damit verzichten wir zwar im Vergleich zur Alternative Citrix XenDesktop, die HP im Standard vorsieht, auf einige technische Funktionalitäten, doch bringt uns dies aufgrund der geringeren Ressourcenanforderungen der Software ein deutliches Performance-Plus", erläutert Vellmete.
Die Migration in die Cloud hat bei MLP im Frühjahr 2014 zum großen Teil vollzogen: Die etwa 1500 Mitarbeiter und rund 2000 Berater greifen heute innerhalb der virtuellen Umgebung auf ihre Arbeitsplätze zu. Rund 180 Anwendungen werden darüber zur Verfügung gestellt - darunter Microsoft Office 2013, das auf Sharepoint basierende Dateiablagesysteme, das CRM-System, SAP und weitere Systeme.
Alles digital - von der Beratung bis zur Unterschrift
Nur noch ganz wenige Spezialanwendungen stellt MLP über Fat Clients zur Verfügung - entweder weil sie nur von wenigen Mitarbeitern genutzt werden oder weil die Hersteller ihre Software (noch) nicht für virtuelle Umgebungen bereitstellen: Dazu gehören Tools zur Videobearbeitung oder ein Kartenleser der Bundesbank. Damit liegt der Anteil der Fat Clients bei MLP aktuell nur noch bei fünf Prozent.
In Zukunft dürfte er noch weiter sinken - bei weiter steigender Anzahl von Applikationen in der Cloud: "Eigentlich stehen wir erst am Anfang. Das Design der Infrastruktur ist ja bewusst so ausgelegt, dass wir jederzeit flexibel neue Anwendungen und Technologien darauf realisieren können", so Strumberger.
In der Pilotierung sind bereits Projekte, die Kunden spürbare Vorteile bieten wie die Online-Beratung per Videokonferenz oder der Online-Vertragsabschluss mit digitaler Unterschrift. "Mit solchen Services bieten wir einen zusätzlichen Mehrwert: Die Erstberatung könnte dann bei MLP im Büro stattfinden, für Folgefragen könnte flexibel eine Videokonferenz vereinbart werden", so Strumberger. Selbst eine komplette Beratung könnte via Video erfolgen, falls es der Kunde wünscht. "Bei weniger komplexen Banking- und Versicherungslösungen soll zudem dann auch ein Onlineabschluss mit elektronischer Signatur möglich sein."
Die Private-Cloud-Lösung läuft nach Aussagen des CIO sehr stabil. Auch die Mitarbeiter haben sich in die neue IT-Welt eingefunden: Sie können nun über jedes internetfähige Endgerät auf den virtuellen Desktop zugreifen. Unter den Beratern ist Bring Your Own Device seitdem gelebte Praxis. "Dass man ständig online sein muss, da man eigentlich nicht auf seinen Rechner schaut, sondern im Grunde auf den Desktop im Rechenzentrum, war am Anfang für manchen etwas gewöhnungsbedürftig - inzwischen ist es aber selbstverständlich", sagt Strumberger.
Hilfreich bei diesem Change-Prozess war das sogenannte Multiplikatorenkonzept. Dazu wurde in jeder Abteilung oder den einzelnen Geschäftsstellen ein möglichst IT-affiner Mitarbeiter ausgewählt und geschult, um seinen Kollegen bei den ersten Gehversuchen in der neuen IT-Welt als Ansprechpartner direkt weiterhelfen zu können. Die Multiplikatoren konnten während der Pilotphase bereits auf eine produktionsnahe Testumgebung zugreifen und so den Umgang mit dem neuen Arbeitsplatz frühzeitig erproben. Mit diesem Wissen an der Hand erleichterten sie ihren Kollegen den Einstieg in die neue Welt.
"Das Interesse für die neue Arbeitsumgebung und -möglichkeiten ist unter den Kollegen anhaltend groß. ", freut sich Strumberger. Da auch der Intranet- und Internet-Auftritt von MLP auf der gleichen Infrastruktur basieren werden, lassen sich Informationen über Microsoft SharePoint heute sehr effizient austauschen - bis hin zur Einbindung von Chats und Blogs.
MLP | Projekt "Neuer Client 2015"
Branche |
Finanzen |
Zeitrahmen |
01.09.2012 - 30.04.2014 inklusive Studie, Konzeption und Anbieterauswahl |
Mitarbeiter |
IT + 200 Multiplikatoren aus Fachbereichen/Geschäftsstellen |
Aufwand |
4600 PT gesamt intern und extern |
Produkte |
XenApp, Exchange 2013, Sharepoint 2013, Office 2013 |
Dienstleister |
HP |
Einsatz |
180 Anwendungen für ca. 4000 Arbeitsplätze |
Internet |
Das Unternehmen MLP in Kürze
Das unabhängige Beratungshaus MLP unterstützt Privat- und Firmenkunden sowie institutionelle Investoren in wirtschaftlichen und finanziellen Fragen. Der Finanz- und Vermögensberater wurde im Jahr 1971 gegründet und besitzt eine Vollbanklizenz.
Hauptsitz: Wiesloch (bei Heidelberg)
Umsatz: 480,5 Millionen Euro (2013)
Mitarbeiter: 1559 (2013)
Berater: 1998 (2013)