Die Nielsen-Studie "Was Amerikaner online tun" ergab, dass US-Bürger immer mehr Zeit in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Linkedin verbringen. Von diesem Trend betroffen ist auch die klassische E-Mail, wie Tony Bradley in unserer Schwesterpublikation PC World feststellt: Social Networking und Social Gaming nähmen schon auf dem Desktop immer mehr Zeit in Anspruch und verdrängten damit die Aufmerksamkeit, die vorher unter anderem der E-Mail-Kommunikation gegolten habe.
So fand Nielsen unter anderem heraus, dass Internet-Surfer mittlerweile weniger Zeit mit Outlook, Thunderbird oder Lotus Notes verbringen als mit Spielchen in sozialen Netzwerken, bei denen andere Teilnehmer mitmachen.
Noch ist E-Mail demnach die zweithäufigste Anwendung, droht aber Gefahr, vom Social Networking nach hinten durchgereicht zu werden. Immerhin sank der Anteil der Online-Post von 12 auf 8,3 Prozent, wie eine Umfrage unter 200.000 Online-Nutzern ergab.
Unangefochten die Nummer eins ist E-Mail-Kommunikation dagegen auf mobilen Geräten. Hier stieg der Anteil im Vergleich zu einer Umfrage aus dem Vorjahr von 37 auf 42 Prozent und stellt alle anderen Anwendungen damit deutlich in den Schatten.
Der Trend zeugt von dem gewachsenen Vertrauen in mobile Endgeräte wie Smartphones und - neuerdings - Tablet-PCs. Er wird auch von früheren Umfragen gestützt: So hat RingCentral Anfang dieses Jahres ermittelt, dass 34 Prozent von Anwendern aus dem Business mittlerweile mehr Geschäfte vom Smartphone aus erledigen, als vom Desktop-PC. Noch deutlicher: 80 Prozent der Befragten würden lieber auf den morgendlichen Koffein-Schub verzichten, als auf die neusten E-Mails vom Smartphone.
Mail-Services aus der Cloud wie Google-Mail
Das wird die Hersteller von Messaging-Plattformen freuen, die wie Microsoft mit seinem Exchange Server direkt von iPhone, iPad und anderen Geräten angesteuert werden können. Für die Anbieter von Desktop-Clients für Empfang und Versand von E-Mails ist es dagegen keine gute Nachricht. Unter anderem und am meisten betroffen: wieder Microsoft mit dem Mail-Standard Outlook.
Zu den Gewinnern könnten auch Mail-Services aus der Cloud gehören, Google-Mail etwa, die zu einer zunehmenden Herausforderung für Server-basierte Kommunikationslösungen werden.
Microsoft arbeite hart an der Endpolitur seines mobilen Betriebssystems Windows Phone 7, zu dem neben nativen Office-Funktionen auch eine Mobilversion von Outlook gehört. Der Redmonder Software-Konzern arbeitet mit Partnern auch an einer iPad-Alternative, die mit dem Phone-OS laufen soll.
Unterstellt man, dass jede dieser Plattformen einen Marktanteil von je 20 Prozent erobern könnte, wäre das ein Riesenerfolg für Microsoft. Die Kehrseite dieses Gewinns: Die jeweils verbleibenden 80 Prozent entfallen auf Smartphones und Tablets, die nicht mit Microsoft-Betriebssystem laufen und somit auch nicht mit Outlook und Outlook Apps. Das, so Tony Bradley, öffnet den Mitbewerbern alle Türen.
Und das, obwohl Microsoft seinem Mail-Client einiges für die Einbindung sozialer Netzwerke mitgegeben hat. Die Abnahme des E-Mail-Verkehrs auf dem Desktop und die zugleich zunehmende Verwendung auf mobilen Endgeräten sollte Microsoft beunruhigen, heißt es bei PC World. Es könnte schließlich dazu führen, dass Outlook irgendwann seine einstige Bedeutung als E-Mail-Client komplett einbüßen könnte.
Microsoft muss sich Apple iOS und Android zuwenden
Aber noch ist es nicht so weit: Der Desktop wird auf absehbare Zeit nicht verschwinden, wie verschiedene Umfragen, etwa die von Forrester, belegen. Aber es ist an der Zeit, meint Bradley, dass sich der Konzern aktiv - und aggressiv - an die Arbeit macht, um in der mobilen Welt von morgen und übermorgen mithalten zu können.
Dazu gehöre etwa die Entwicklung von Werkzeugen für alle unterschiedlichen mobilen Plattformen wie iOS oder Android, so dass es egal ist, welches Endgerät die Nutzer verwenden: Outlook könnte überall dort dann auch schon da sein.
Das Gesagte gilt übrigens auch für Office: Bislang sind etwa iPad-Nutzer auf Surrogate wie Page, Numbers und Keynote aus der Apple-eigenen iWork-Suite angewiesen. Wenn es hoch kommt, können diese Mini-Apps Office-Dokumente öffnen und rudimentär bearbeiten; ein echtes Office-Arbeitsklima stellt sich dabei aber nicht ein. Auch hier gäbe es Chancen für Microsoft, den Anschluss im großen Markt mobiler Applikationen zu halten.