Die Vision gibt es seit Jahren: Statt der Brieftasche zückt man im Laden einfach sein Handy. Doch obwohl die Bausteine dafür längst verfügbar sind, bezahlen die weitaus meisten Kunden an der Kasse wie früher - mit Bargeld oder Karten.
Einen Grund für die bisher ausgebliebene Revolution glaubt der Gründer des Berliner Anbieters von iPad-Kassensystemen Orderbird, Jacob Schreyer, ausgemacht zu haben: Bisher fehlende Vorteile für die Kunden. Auch beim Karten-Konzern Mastercard räumt der für neue Bezahldienste zuständige Manager Mario Shiliashki ein, allein die Tatsache, dass man zum Bezahlen mit seinem Smartphone vor dem Kassenterminal wedeln könne, sei nicht so aufregend.
Doch beim heutigen Zustand wird es nicht bleiben: Denn diverse Anbieter sind voller Ideen, wie sie Verbrauchern das Bezahlen per Smartphone schmackhaft machen könnten. Mastercard-Mann Shiliashki etwa lobt das Modell von Taxi-Diensten wie Uber und Hailo, bei denen der Bezahlvorgang komplett im Hintergrund bleibt: Man muss als Kunde gar nichts machen, die Zahlungsdaten sind schon hinterlegt. Auch Orderbird-Chef Schreyer kann sich in seinem Schwerpunkt-Bereich Gastronomie Vorteile für Smartphone-Bezahler vorstellen. Zum Beispiel die Möglichkeit, die Bestellung vorab zu platzieren oder auf dem laufenden über Aktualisierungen des Menüs zu bleiben.
Wie auch immer man derzeit bezahlt - der Kunde hat sich auf jeden Fall verändert. Die Menschen zögern nicht, sich unterwegs über passende Restaurants, neue Produkte oder bessere Preise zu informieren. Das Bezahlen sei nur ein Element, sagt der Chef der Ebay-Tochter PayPal, David Marcus. "Wir wollen das gesamte Einkaufserlebnis verändern." PayPal ist einer von vielen Anbietern aus verschiedensten Branchen, die den eingespielten Alltag umkrempeln und sich einen Anteil am viele Milliarden schweren Bezahlgeschäft der Zukunft sichern wollen. Darunter sind neben jungen Start-ups etablierte Player wie Mobilfunk-Anbieter, Kreditkarten-Konzerne, Handelsketten oder Logistik-Dienstleister wie die Deutsche Post.
Sie gehen unterschiedliche Wege. Eine Fraktion setzt schwer auf den Nahfunk-Standard NFC, der etwa in elektronischen Abo-Fahrkarten, Zugangssystemen oder auch immer mehr Bankkarten genutzt wird. Während Apple die Technik bei seinem iPhone bisher ignoriert, haben diverse Smartphones mit Googles Android-System oder Microsofts Windows Phone einen NFC-Chip an Bord. Allerdings kann man damit bei weitem nicht überall bezahlen. Nach Expertenschätzungen gibt es in Deutschland bei rund einer Million sogenannter "Karten-Akzeptanzstellen" bisher etwa 20 000 NFC-Terminals - und das unter anderem weil schon einige landesweite Tankstellen- und Ladenketten aufrüsteten.
Beim Austausch der Terminals sollen in den kommenden Jahren in großem Stil Geräte mit dem Funk-Standard installiert werden. Zugleich gibt es aber grundsätzliche Kritik an der Idee: So wird PayPal-Chef Marcus nicht Müde, NFC kategorisch als "Lösung auf der Suche nach einem Problem" abzutun, weil es keine Vorteile biete. PayPal experimentiert deswegen wie Apple mit der Beacon-Technologie, bei der kleine Bluetooth-Sender Kontakt zu Smartphones aufnehmen. Ein weltweites Schwergewicht wie Mastercard stellt sich aber nach wie vor massiv hinter die NFC-Technik und will als Bindeglied zwischen Mobilfunk-Anbietern und Banken eine Schlüsselrolle ausfüllen.
Stefan Krueger, den Chef der Software-Firma Valuephone, die im vergangenen Jahr ein mobiles Bezahlsystem für Edeka und Netto aufsetzte, glaubt an ein längeres Nebeneinander verschiedener technischer Verfahren. "Wir werden das Einscannen von Strich- oder QR-Codes, PIN-Verfahren und auch NFC im Einsatz sehen", sagt er. Dabei werde die Zukunft der mobilen Bezahldienste im Handel entschieden. Denn zum einen bestimmt die Bereitschaft der Händler, in neue Technik zu investieren, welche Systeme bei ihnen zum Einsatz kommen. Zum anderen geht es um die Anreize für Verbraucher, die ebenfalls von den Händlern und Dienstleistern ausgehen müssen, die mit den Smartphones neue Möglichkeiten haben, ihre Kunden permanent zu erreichen. (dpa/rs)