Die Anforderungen an Führungskräfte steigen: Neben exzellenter fachlicher und betriebswirtschaftlicher Expertise, Präsentationsfähigkeiten und Verhandlungsgeschick sollten sie Mitarbeiter souverän führen und richtig beurteilen können. Dafür brauche es auch psychologische Fähigkeiten, so Diplom-Psychologe und Unternehmensberater Leopold Hüffer: "Die meisten Führungskräfte im Finanz-, Ingenieurs- und IT-Bereich sind eher rationale Menschen und brauchen ein wenig Navigationshilfe im Bereich Führung. Man hat sonst nur das berühmte Bauchgefühl und stochert herum. Eine Führungskraft muss auch Qualitäten haben, um den Mitarbeiter zu binden - sonst stimmt der mit den Füßen ab."So kündigen nicht wenige wegen schwieriger Chefs. In schnell expandierenden Branchen wie der IT könne das für das Geschäft problematisch werden.
Psychologische Praxiskenntnisse haben auch für die Chefs selbst positive Effekte. Wer als Führungskraft aufsteigen will, kann sich zum Beispiel als Coach weiterbilden lassen und so seine Persönlichkeit entwickeln. "Sonst bleibt man grauer Durchschnitt und verschwindet in der Masse", warnt der Psychologe. "Eine wirkliche Führungskraft muss auch hier mehr können als ein durchschnittlicher Mitarbeiter." Eine Weiterbildung sei aber nur sinnvoll, wenn derjenige auch aufgeschlossen sei, zwischenmenschliche Führungsmethoden zu lernen.
Bisher sieht Hüffer noch große Defizite bei Deutschlands Führungskräften, was deren psychologische Fähigkeiten angeht. Schon bei der Auswahl der Mitarbeiter würden viele unnötige Fehler gemacht. "Viele Führungskräfte unterschätzen, wie wichtig es ist, die richtigen Leute ins Team zu holen", sagt Hüffer. Passen die verschiedenen Mitarbeiter-Typen nicht zusammen, wird die Arbeit ineffizient erledigt. Die Chefs schlagen sich mit Feuerwehreinsätzen, Beschwichtigungsaktivitäten und "Familienzusammenführung" herum, statt sich auf die für den Erfolg entscheidende strategische und operative Arbeit zu fokussieren.
Motivieren, aufbauen, loben
Auch die richtige Personenbeurteilung vermisst Hüffer häufig bei Vorgesetzten. "Um Leute gut führen zu können, die anders sind als man selbst, muss ein Chef verstehen, was zum Beispiel den einfühlenden Mitarbeitertyp motiviert und ihn vom rational eingestellten oder sehr pflichtbewussten Typus unterscheidet", sagt Hüffer.
Auch in brenzligen Situationen ("Kunde will abspringen") sollte ein Vorgesetzter das Mitarbeiterverhalten antizipieren können. "An der Verkaufsfront kommt es häufig vor, dass der Mitarbeiter vom Kunden zusammengefaltet wird. Ein zielorientierter Chef holt ihn aus de rmentalen Talsohle schnell wieder heraus und baut ihn wieder auf", sagt Hüffer. Das heißt nicht, dass der Chef sich in kleinste persönliche Angelegenheiten einmischen sollte. "Zwangsbeglückung ist fehl am Platz", fügt er hinzu. Viele Mitarbeiter wollten nicht, dass ihre Chefs zu tief in ihre Person eindringen.
Hüffer rät zu einem situativ intelligenten und wertschätzenden Führungsstil: Konkrete Leistungen anerkennen und den Mitarbeiter dafür loben. Bekommt ein Mitarbeiter für einen großen Projekteinsatz keine Rückmeldung, besteht die Gefahr, dass er künftig nur noch Dienst nach Vorschrift macht. Viele Vorgesetzte schrecken vor zu viel Lob zurück, "sie denken, dass der Angestellte mehr Lohn wolle oder faul würde, wenn man ihn lobe. Aber das muss nicht so sein", führt Hüffer aus. "Anerkennung ist ab einem bestimmten Lohnniveau begehrter als finanzielle Entschädigung und stärkt die Arbeitsmoral.
Führungskraft, nicht bloß Vorgesetzter
Trotz allem Nachholbedarf in Sachen Führungspsychologie bei deutschen Managern zieht Hüffer eine klare Grenze: "Eine Führungskraft sollte und darf nie Psychologe spielen." Kleinere unterstützende Hilfestellung kann eher die HR-Abteilung leisten, da Personalexperten schon in der Ausbildung psychologische Gesprächsführungskompetenzen kennenlernen und oft auch soziales Engagement haben.
Dennoch sei es die Aufgabe des Chefs, die immer wiederkehrenden und typischen Motivationsprobleme zu beheben. "Wenn ein Kollege einen Durchhänger hat, sollte ein Chef herausfinden können, was die Ursache ist, und einen Weg finden, ihn umzustimmen", sagt Hüffer. "Das unterscheidet die wirkliche Führungskraft vom bloßen Vorgesetzten."