Studie von Accenture und GfK

Multi-Channel sticht E-Commerce aus

08.10.2010 von Hartmut  Wiehr
Die Zukunft gehört Einzelhändlern, die Ladengeschäft und Internet verbinden. Ihr Umsatz wächst bis 2015 um 80 Prozent. Reine E-Commerce-Händler legen kaum zu.

Accenture und GfK haben herausgefunden, dass bei Händlern, die Kunden über mehrere Kanäle wie Geschäft und Internet hinweg bedienen, "die Kasse klingelt". Der Umsatz aus dem so genannten Mehrkanal-Geschäft (Multi-Channel) soll bis 2015 um knapp 80 Prozent steigen, und zwar bei der Warengruppe Nicht-Lebensmittel.

Retailer, die online und mit Ladengeschäften (Multi-Channel) vertreten sind, wachsen laut Accenture und GfK am schnellsten.
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Multi-Channel hat verschiedene Bedeutungen: Kunden informieren sich getrennt vom Einkaufsort oder benützen abwechselnd nur eine Möglichkeit. Ein Kunde informiert sich zum Beispiel über ein Produkt nur im Laden oder im Internet. Dann kauft er es über einen anderen Kanal, entweder beim gleichen Händler oder er sucht gezielt einen anderen, billigeren auf. Laut Accenture und GfK hat der Handel im Jahr 2009 etwa 14 Milliarden Euro auf diese Weise umgesetzt. Das entspreche etwa zehn Prozent des Gesamtumsatzes mit Non-Food-Waren. In den kommenden fünf Jahren soll dieser Anteil dann auf bis zu 17 Prozent steigen, also sich fast verdoppeln (80 Prozent Zunahme).

Der Anteil des reinen Online-Handels wächst dagegen relativ bescheiden lediglich von sieben auf zehn Prozent am gesamten Handelsumsatz. Anders gesagt: Der klassische Ladenhandel hat noch immer die Nase weit vorn. Allerdings fällt er langsam etwas zurück: von 84 auf 73 Prozent, wie Accenture und GfK ermittelt haben.

Dieser leichte Rückfall dürfte wohl auch der Grund für eine Strategieänderung bei Teilen des Handels sein, die schon seit einigen Jahren zu beobachten ist: Man baut den E-Commerce als zweites Standbein auf. Und nur so wird man sich langfristig gegen die reinen Online-Händler behaupten können.

Angstgegner Nummer eins dürfte dabei nicht nur in Deutschland Amazon mit seinem immer größer werdenden Angebot sein. Sich erst im Laden, besser: in irgendeinem beliebigen Laden informieren und dann das Produkt der Wahl sicher und bequem von Amazon nach Hause liefern lassen – das ist inzwischen zu einer weit verbreiteten Praxis geworden. Zumal – und das dürfte häufig das wichtigste Kriterium sein – reine E-Commerce-Häuser heute in der Regel niedrigere Preise haben. Man muss nur einmal Preise für TV-Geräte oder Staubsauger bei Mediamarkt oder Saturn Hansa mit denen bei Amazon vergleichen.

Elektrogeräte: Ein Fünftel des Umsatzes über Multi-Channel

Die Verantwortlichen der Studie sprechen in diesem Zusammenhang vornehm vom "Wechselspiel der Kanäle". Während bei Elektro-Geräten der Anteil des Mehrkanal-Umsatzes 2009 bei etwa 20 Prozent lag, sind es bei Bekleidung dagegen nur etwa fünf Prozent gewesen.

Multichannel-Kunden wählen besonders gezielt zwischen den verschiedenen Einkaufsabschnitten aus. (Grafik: Accenture)

In der Studie heißt es zu diesem Spannungsfeld: "Dieser opportunistische Kanalwechsel von stationär zu online hat auch mit dem Preis zu tun, ist allerdings bei weitem nicht allein auf vermeintlich günstigere Preise im Internet zurückzuführen. So nennen Kunden eine ganze Reihe von Vorteilen, die sie in den meisten Fällen nur im Rahmen eines Onlinekaufs nutzen können. Hierzu gehören zum Beispiel höhere Transparenz und Vergleichbarkeit, Möglichkeiten zur bequemen Heimlieferung, größere Auswahl sowie umfangreichere Produktinformationen und Bewertungen."

Accenture und GfK sehen sogar einen "Kampf der Kanäle" um die stark wachsende Gruppe der Kanalwechsler. Der "lachende Dritte" hierbei sei der Multichannel-Handel: "Händler, die das Geschäft sowohl im Stationär- als auch im Onlinekanal beherrschen und Kunden ein integriertes Einkaufserlebnis mit den Vorteilen beider Kanäle bieten, profitieren vom vollen Umsatzpotenzial des Non-Food-Marktes." Sie müssten Kanalwechsler nicht fürchten, solange es ihnen gelinge, Kunden beim Sprung über die Kanalgrenzen im eigenen Unternehmen zu halten.

Dieses Halten der Kunden könne jedoch nur durch eine Verbindung der Kanäle zu einem nahtlosen Einkaufserlebnis gelingen: "Echten Multichannel-Händlern gelingt es in virtuoser Weise, die Vorteile, die einzelne Kanäle aus Sicht des Kunden bieten, zu einem kombinierten Kundenangebot zusammenzustellen."

Kunden könnten entlang des gesamten Interaktionsprozesses, der sich von der Information vor dem Kauf ("Presales-Info") über Beratung, Kaufabschluss und Zahlung bis hin zu Auslieferung, Retouren und After-Sales-Service erstreckt, jeweils pro Interaktionsschritt entscheiden, welcher Kanal subjektiv am besten geeignet sei.

Zu Hause auswählen und im Laden abholen

Als Beispiele werden genannt: Die erste Information bequem zu Hause per Katalog einholen, sich in einer Filiale beraten lassen, schließlich den Kauf nach einer Bedenkzeit bequem von zu Hause aus tätigen. Die Option "In-Store-Pick-up" biete zusätzlich die Möglichkeit, den Artikel im Internet zu bestellen und dann in der Filiale abzuholen. Der Kunde ist dann unabhängig von oft sehr ungünstigen Zeitfenstern für die Heimlieferung.

Die komplette Studie steht kostenlos bei Accenture zum Download bereit.