Das Musikgeschäft befindet sich in einer tiefgreifenden Umbruchphase. Wollten die meisten Musikliebhaber bislang eine CD oder Dateien persönlich besitzen, so hören viele inzwischen Songs direkt aus dem Netz. Wie einst die MP3 und die dazugehörigen Abspielgeräte wie der iPod die Branche umpflügten, wird das Streaming den Markt nochmals gehörig durcheinanderwirbeln. Bis 2018, schätzen Markforscher der GfK, wird in Deutschland der Streaming-Anteil am Musikumsatz auf mehr als ein Drittel klettern. Das ohnehin kräftige Wachstum werde sich deutlich beschleunigen. 2013 lag der Anteil bei gerade 5 Prozent. Noch ist Streaming hierzulande eine Nische. Noch.
Stream, das englische Wort für Strom, meint den Datenfluss. Und der fließt bei Filmen oder Musik tatsächlich üppig. Erst das schnelle und mobile Internet macht Streaming-Angebote, also die Möglichkeit direkt aus dem Internet Songs zu hören oder Filme zu schauen, attraktiv. Mit dem Netzausbau wächst die Reichweite - und damit die Zahl möglicher Kunden für Streamingdienste wie Spotify, Rdio, Juke, Simfy oder Deezer. Die sind auch weltweit noch klein, haben 2013 laut Branchenverband IFPI 1,1 Milliarden Dollar umgesetzt und zählten 28 Millionen Nutzer. Dennoch: Die digitale Revolution im Musikmarkt erreiche eine neue Phase, sagt der Chef von Sony Music Entertainment, Edgar Berger.
Gemeinsam ist den Angeboten die Abo-Struktur: Gegen eine Gebühr kann gehört werden, nicht mehr einzelne Titel oder Alben bilden das Produkt, sondern der Zugang. Das verändert nicht nur die Musikbranche, sondern auch die Medienszene: Allen voran das Radio bekommt damit weitere Konkurrenz.
Wie die RTL Group baut auch etwa der TV-Konzern ProSiebenSat.1 das eigene Digitalgeschäft kräftig aus. Das Ziel: Unabhängiger vom klassischer TV-Werbung zu werden. Die Münchner haben dabei auch den Video- und Musikmarkt im Blick. Vor rund einem Jahr brachte ProSiebenSat.1 mit Ampya einen eigenen Streaming-Dienst an den Start. Inzwischen hat die Sendergruppe umgesteuert und den Dienst im Gegenzug für eine ungenannte Beteiligung an den französischen Dienst Deezer abgegeben. Christian Wegner, Digital-Vorstand des TV-Konzerns, sieht darin die beste Möglichkeit um "Platz eins in Deutschland, dem drittgrößten Musikmarkt der Welt, zu erklimmen".
Auf dem hat noch die CD das Sagen. Zwei Drittel des Umsatzes lieferte die silbrige Scheibe 2013 hierzulande. "Musik zum Anfassen", wie es die Industrie nennt, liege weiter im Trend. Die GfK geht davon aus, dass sich das ändern wird. Von 2012 auf 2013 hat sich der Anteil von Streaming-Diensten in Deutschland bereits verdoppelt. Bis 2018 werde er sich auf 35 Prozent steigern. Ob das nur zur Lasten der CD geht, ist dabei aber noch nicht völlig ausgemacht, denn Streaming macht auch dem Download-Geschäft Konkurrenz. Das Herunterladen aus dem Netz ist seit Jahren etwa ein Kern des Musik-Geschäftsmodells von Apple. In Deutschland liegt der Anteil von Downloads bei knapp 18 Prozent.
Mit dem Internetladen iTunes hatte Apple das Musikgeschäft umgekrempelt. Doch im Streaming-Geschäft hat der US-Konzern bisher wenig zu bieten. Vor allem das dürfte der Grund sein, aus dem Apple drei Milliarden Dollar auf den Tisch legte, um die Musik-Firma Beats zu kaufen. Zwar ist der Streaming-Dienst mit gerade einmal 250 000 Nutzern klein, aber das Know-how ist für Apple wertvoll. Für den Vorreiter Napster ist es der Beweis für den Durchbruch der Dienste. "Dies ist ein wichtiger Wendepunkt, der noch mehr Menschen die Möglichkeit gibt, jeden beliebigen Titel unabhängig von Ort und Zeitpunkt zu hören", sagte Napster-Manager Thorsten Schliesche jüngst zum Beats-Kauf. Spotify, das Paradebeispiel für die Streaming-Angebote, hat 10 Millionen zahlenden Kunden sowie 30 Millionen weitere, die den Dienst gratis mit Werbung nutzen.
Die große Frage ist, was der Aufstieg der neuen Dienste am Ende für die Künstler bedeuten wird. Musiker wie "Talking Heads"-Frontmann David Byrne oder Thom Yorke von Radiohead kritisieren die niedrigen Erlöse bei Spotify und Co. Wenn sogar die beiden Mitglieder der Band Daft Punk für fast 105 Millionen Abrufe ihres Songs "Get Lucky" nur rund 13 000 Dollar jeder bekämen - wie soll da ein weniger erfolgreicher Musiker überleben, kritisieren sie. Die Anbieter kontern, der Grund für solche Summen sei auch der hohe Anteil der Musik-Konzerne an den Erlösen. Außerdem sichere das Modell den Künstlern einen dauerhaften Strom von Einnahmen statt einmaliger Zahlungen. (dpa/rs)