Analysten-Kolumne

Mut zur Ausbildung: Was deutsche IT-Services-Anbieter von Klinsmann lernen können

12.07.2006 von Andreas Stiehler
Auf die Pirsch gehen, Beute machen, in die Tasche greifen - IT-Dienstleister sind wieder auf der Jagd nach Personal. Dass dabei die Gehälter für begehrte Mitarbeiter kräftig in die Höhe schießen können, lässt sich vermeiden: Nach dem Beispiel von Deutschlands Erfolgstrainer Jürgen Klinsmann sollten Firmenleitungen erst einmal im eigenen Revier nach den Filetstücken suchen.

Die konjunkturelle Belebung im IT-Services-Markt schlägt sich auch im Personalbedarf der IT-Dienstleister nieder. Nach den Ergebnissen der aktuellen Marktanalyse IT Services 2006 von Berlecon Research rechnen mehr als die Hälfte der deutschen IT-Services-Anbieter in diesem Jahr mit einer Aufstockung des Personals.

Der zunehmende Personalbedarf erstreckt sich jedoch nicht auf alle Tätigkeitsfelder gleichermaßen. Auf dem Wunschzettel vieler IT-Services-Anbieter stehen ausgemachte Spezialisten, die umfangreiche Projekterfahrung und Beratungskompetenz mitbringen. Schließlich sind wahre Experten rar - und damit die für Expertenwissen erzielbaren Preise hoch.

Das spiegelt sich auch in den Tagessätzen wider, die von den IT-Dienstleistern 2005 erzielt wurden und sich deutlich nach erforderlicher Qualifikation und Erfahrung unterscheiden. So wurden Tätigkeiten, die spezifisches Technik-Know-how, Beratungskompetenz oder Projekterfahrung voraussetzen, deutlich besser entlohnt als Aufgabengebiete mit vergleichsweise geringem Anforderungsprofil. Zudem fallen auch die Erwartungen für die zukünftige Entwicklung der Tagessätze für hochqualifizierte Tätigkeiten tendenziell optimistischer aus.

Nicht nur die Gehälter der umworbenen Experten steigen, sondern auch die Kosten für deren Suche

Bühne frei also für die Jagd nach erfahrenen Spezialisten? Dabei übersehen die Jäger gern, dass mit dem kollektiven Run auf die wenigen Spezialkräfte nicht nur deren Lohn, sondern auch die Kosten für die Expertensuche steigen. Das lässt befürchten, dass sich die Belebung im IT-Services-Markt weniger in den Gewinnen der Anbieter als vielmehr in den Bilanzen von Headhuntern und auf den Gehaltsabrechnungen der Spezialisten widerspiegelt.

Dieses Phänomen ist nicht neu: Schon zu Zeiten des Goldrausches gingen die Schaufelverkäufer als die Gewinner hervor. Parallelen zeigen sich auch zum Fußballgeschäft, wo die Konzentration auf wenige Spezialisten für stetig steigende Spielergehälter und Transfersummen sorgt - zur Freude der Ballacks, Beckhams und Ronaldinhos sowie deren Berater. Gleichzeitig wächst die Zahl der finanziell angeschlagenen Fußballvereine.

Es dürfte sich für die IT-Services-Anbieter also durchaus lohnen, verstärkt über Alternativen zur Jagdvariante nachzudenken. Für einige IT-Dienstleister könnte es sich schon auszahlen, in der eigenen Belegschaft nach potenziellen Experten zu suchen. So stehen viele IT-Services-Anbieter vor dem Problem, dass durch Industrialisierung und Globalisierung verschiedener Dienstleistungssegmente Arbeitsplätze obsolet werden. Werden Arbeitnehmer rechtzeitig für die Erschließung attraktiver Geschäftsfelder fit gemacht, können - zusätzlich zur Expertengewinnung - Betriebskapital erhalten und Entlassungskosten gespart werden.

Alternative: Der hausgemachte Experte

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich unter den Absolventen von heute nach den Experten von morgen umzuschauen und diese über Trainee-Programme und Jobcoaching zielgerichtet auszubilden. Ein verstärktes Bemühen um Absolventen dürfte sich angesichts der geburtenschwachen Jahrgänge zudem auch als wichtiger Schritt zur Sicherung des zukünftigen Führungspersonals herausstellen.

Unternehmen, die sich für diese Alternativen entscheiden, benötigen jedoch einen langen Atem. Ausbildung kostet und ein ROI ist - im Gegensatz zur Einstellung fertiger Experten - unsicher und nicht in naher Zukunft zu erwarten. Eine auf Dauer erfolgreiche Eigenentwicklung von Experten erfordert zudem auch eine langfristige Personalplanung. So sind hohe Fluktuationsraten eines der größten Hemmnisse für Investitionen in den eigenen Nachwuchs. Es gilt also, Strategien zu entwickeln, die helfen, ausgebildete Fachkräfte dauerhaft ans Unternehmen zu binden.

Wesentliche Voraussetzung für die Personalplanung ist schließlich die Identifikation von Themenfeldern im IT-Services-Umfeld, in denen mittel- und langfristig Bedarf für Spezialisten besteht und für die überdurchschnittlich hohe Tagessätze zu erwarten sind.

Fußballnationaltrainer als Vorbild

Dass sich das Vertrauen auf den eigenen Nachwuchs tatsächlich auszahlen kann, wurde von den Klinsmännern in den letzten vier Wochen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Ob sie nun Fußball mögen oder nicht: Personal-Manager deutscher IT-Dienstleister könnten sich in Sachen Risikobereitschaft und Vertrauen auf den eigenen Nachwuchs am deutschen Fußballnationaltrainer ein Beispiel nehmen.

Andreas Stiehler ist Analyst bei Berlecon Research.