Anfang Dezember 2004 packten die Mitarbeiter des Technologiekonzerns MG Technologies aus Frankfurt am Main ihre Sachen und zogen nach Bochum. Nach dem Verkauf der Chemiesparte und einem harten Konsolidierungskurs trägt die Konzerntochter GEA AG jetzt größtenteils zum Umsatz bei. Wie der neue Konzern heißen wird, dessen Kern der Anlagenbauer GEA bilden soll, ist noch unklar. Sicher ist, dass Bochum der neue Hauptsitz der traditionsreichen Metallgesellschaft wird. Und dass ein unbelasteter Name für einen Neuanfang sorgen soll. "Das Unternehmen hat sich jetzt auf Engineering und Spezialmaschinenbau fokussiert", sagt GEA-CIO Rolf Parschau - auf das langjährige Kerngeschäft der Konzerntochter.
Parschau ist ein Kind des Ruhrgebiets. "Ich habe in Dortmund Informatik studiert - als einer der ersten Jahrgänge überhaupt", sagt der 48-jährige. Während des Uni-Studiums arbeitete er in der Nähe bei Softwarefirmen als Programmierer: "Ich bin in vielen Firmen herumgekommen." Über verschiedene Stationen als Softwareentwickler und IT-Leiter kam er 1997 zur Westfalia Separator, einer Geschäftseinheit der GEA-Gruppe im westfälischen Oelde. "Dort wurde SAP im großen Stil eingeführt, ich sollte das Projekt managen, das nicht so rund lief", sagt Parschau. "Jede Menge Berater waren involviert, die sich mehr mit sich selbst beschäftigten, anstatt das Projekt voranzubringen."
Mit dem erfolgreichen Abschluss des Großprojekts hatte sich der Bochumer zwei Jahre später für den IT-Chef-Posten bei der GEA qualifiziert. MG Technologies hatte GEA gerade gekauft, woraufhin die CIO-Funktion geschaffen wurde. Der Individualismus im "Unternehmen der Unternehmer", so der Geschäftsbericht, hat Parschau das Leben schwer gemacht. Als Säulen der GEA-Kultur ebenfalls ausgewiesen: Dezentralität und Unternehmertum. "Nur langsam setzte sich die Einsicht durch, dass die GEA in manchen Bereichen einen eher zentralistischen Ansatz braucht", so Parschau. "Ich habe bei einer ersten Bestandsaufnahme festgestellt, dass wir überall Geld verschenken, weil wir unsere Masse nicht richtig genutzt haben".
Die Geschäftsbereiche waren unabhängig. Das Thema Synergien stand nicht auf der Tagesordnung. "Wenn die Geschäftsführer gute Ergebnisse abgeliefert haben, hat ihnen keiner reingeredet", so Parschau. "Es hat gedauert, bis ich allen klar machen konnte, dass es kaum was bringt, wenn sie sich selbst darum kümmern, welche PCs und Software sie einsetzen."
Zusätzlich gründete die GEA im Jahr 2000 mit der GEA IT Service GmbH eine eigene Servicegesellschaft mit 50 Mitarbeitern, die vornehmlich die Vorgabe hatte, eine schwarze Null zu schreiben; Kostenvorteile werden an die Kunden weiter gegeben. Parschau: "In die Gesellschaft haben wir nach und nach den Bereich IT-Infrastruktur der GEA-Unternehmen eingebracht." Sein Angebot an die lokalen Geschäftsführer: "Wir erledigen für dich den bisherigen Service mit einem 15-prozentigen Kostenvorteil." Das habe nicht nur die Kaufleute überzeugt, sondern gleichzeitig auch den Druck auf die eigene Gesellschaft erhöht, die versprochenen Synergien auch wirklich zu erschließen.
Mittlerweile wird der SAP-Betrieb mit rund 3500 Nutzern von der IT-Tochter abgewickelt. Die vormals zahlreichen lokalen SAP-Installationen werden nun im GEA-Rechenzentrum in Oelde gehostet. Auch die PC- und Netzwerk-Welt ist nun standardisiert. "Im PC-Umfeld arbeiten wir zumeist mit Dell-Produkten und Windows 2000." Bei den Netzwerken setzt die GEA auf standardisierte LAN-Komponenten. Das Netzwerk-Setup wurde, basierend auf Active Directory und Windows 2000, vereinheitlicht. Die Netzwerkadministratoren unterschiedlicher Standorte konnten sich früher nicht untereinander verständigen: "Jeder hatte seine Umgebung anders aufgesetzt und dachte nur in dieser Welt, so Parschau. "Heute kann man in Deutschland in jeder unserer Gesellschaften seinen PC ans LAN anschließen, und die Oberfläche sieht so aus wie am Home-Standort. Darauf bin ich sehr, sehr stolz."
Sein Fazit: "Teilt man die IT in Operation, Infrastruktur und Applikationsmanagement auf, haben wir den Bereich Operation und Infrastruktur weitgehend in Ordnung gebracht und jede Menge standardisiert. Nun können wir unsere Einkaufsmacht voll ausnutzen." Nach dem Aufräumen hierzulande folgt jetzt der Rest der Welt, wo mit rund 60 Prozent die meisten Mitarbeiter zu finden sind. 85 Prozent des Umsatzes erzielt die GEA-Gruppe im Ausland. Diese Internationalität wird auch im CIO-Büro deutlich, in dem seit kurzem eine riesengroße, bunte Weltkarte hängt.
Ausland übernimmt neue Standards
"Ein Standort der Westfalia und einer der Landtechnik in den USA ziehen auch im Ausland bei der Standardisierung auf SAP 4.6c und CAX-Anwendungen schon mit", freut sich Parschau, der mit Argumenten überzeugen will: "Mit dem Knüppel erzielt man nur Ergebnisse für ein, zwei Jahre. Dann machen die Leute doch wieder, was sie wollen". Und weiter: "Wer es will, bei dem wird es gemacht." Bisher wollen genug. "Der Rest ist dann einfach nur eine Frage der Zeit".
Nach der ersten Etappe will Parschau auf der einheitlichen Infrastruktur standardisierte Anwendungen aufsetzen. In einer Anwendungs-Harmonisierungs-Initiative will er an allen Standorten der über 300 Töchter von elf Divisionen die ERP-Anwendungen auf SAP 4.6c und Microsoft Navision Axapta standardisieren. Besonderheit: Acht Divisionen haben sich für SAP entschieden, drei für Axapta. "Das habe ich bewusst gefördert, denn ich will Wettbewerb. Keine Fraktion darf sich zu sicher fühlen."
Ein weiteres Riesenprojekt für den neu gestalteten Konzern: der Wechsel von einer Vielzahl unterschiedlicher Provider zu AT & T als einzigem WAN-Provider, der bis Mitte 2005 abgeschlossen sein soll. Im Moment sind von den 300 Standorten rund 60 angeschlossen. "Wegen des gestiegenen Vernetzungsgrads in unserer Gruppe wird die Ausfallsicherheit immer wichtiger. Bei Störungen gab es bisher immer ein endloses Ping-Pong-Spiel, wer Schuld hat", so Parschau.
Eine weitere Herausforderung: "Jetzt kommt der große Schwenk hinein in die Prozesse. Wir wollen die Bereichs-CIOs dazu bringen, interne Prozesse zu optimieren und so einen Added Value erbringen." Seine IT-Leute will er intern aufwerten: Parschau will die IT-Leute aus der Freak-Ecke herausholen. "Das sind nicht mehr die Leute, die man fragt, wie viele Megabyte man für seinen PC braucht. Sie sollen sich mit Dingen beschäftigen, die für das Geschäft relevant sind."
Parschaus rigoroses Standardisierungskonzept trägt der Vorstand mit. "Ich habe das mehrfach auf oberster Ebene vorgestellt", sagt der IT-Chef, der an CFO Peter Steiner berichtet. In dem dezentralen GEA-Konzern sieht sich Parschau mit seiner IT immer mehr als Klammer des Ganzen: "Außer der IT kann keiner mehr die Prozesse wirklich überblicken; hier laufen alle Fäden zusammen."