CIO-Agenda 2023

Nach der Krise ist vor der Krise

29.11.2022 von Oliver Laitenberger, Christoph Seebach und Julian Müller  
Alte und neue Herausforderungen werden im Jahr 2023 auf die CIO-Community zukommen. Diese Themen sollten Sie im Blick haben.
  • IT-Strategie
  • Business Integration
  • IT-Kosten
  • Nachhaltigkeit
  • Fachkräftemangel
  • IT-Sourcing
  • Cloud Computing
  • Neue Technologien
Während IT-Kosten und der Fachkräftemangel für CIOs seit Jahren auf der Agenda stehen, kommen neue Themen wie Nachhaltigkeit und Technologien wie das Metaverse hinzu.
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Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als Sie noch zu Ihrem PC im Unternehmen gehen mussten, um zu arbeiten? Es ist erst zwei Jahre her, dass die Pandemie die Art und Weise, wie und wo wir arbeiten, verändert hat. Wer jetzt, nachdem die Pandemie sich scheinbar abschwächt, an die Rückkehr des "Business as Usual" geglaubt hat, der irrt.

Denn zeitgleich führt die neue Bedrohungslage in Osteuropa und deren Folgen zu einer weiteren Verschärfung des Krisenmodus vieler Unternehmen. Ehrlicherweise konnte dies zum Jahreswechsel 21/22 niemend vorhersehen. Spätestens jetzt ist klar: Ein "Weiter so" kann es nicht mehr geben. Alle müssen einen Beitrag leisten und CIOs sind gleich mehrfach gefragt: Einerseits beeinflussen Sie mit der Informationstechnologie die strategische Weichenstellung. Andererseits wird der Blick auf die Kosten nach den ausufernden Jahren der Digitalisierung wieder wichtiger.

Wir richten den Blick nach vorne und schauen welche Themen gerade im Hinblick auf diese Rahmenbedingungen im Spektrum zwischen strategischer Weichenstellung und Kostenoptimierung ganz weit oben auf der CIO-Agenda 2023 stehen.

IT-Strategie

Die CIOs von heute müssen nicht nur strategisch vorgehen, sondern auch visionär sein. Sie haben das "Große Ganze" im Auge und verstehen, dass sie nur durch eine holistische Betrachtung und Orchestrierung von Geschäfts- und Technologiethemen erfolgreich sein können. Natürlich kann keiner wissen, was die Zukunft bringen wird. Wie Covid oder der Krieg in der Ukraine zeigen, können solche Ereignisse aus heiterem Himmel kommen und selbst sehr gute Strategien, Ziele und Pläne über den Haufen werfen.

CIOs müssen 2023 mehr denn je ihre IT-Strategien aktualisieren, vorausplanen sowie die verfügbaren Informationen und Erkenntnisse bestmöglich zur Transformationsgestaltung nutzen. War die Strategiegestaltung bislang meist allein in den Händen der IT-Verantwortlichen, gilt es mehr und mehr den Schulterschluss mit dem Geschäft zu suchen. Um sowohl jetzt als auch in Zukunft erfolgreich zu sein, müssen CIOs Altlasten mit innovativen Technologien zusammenführen, um Mitarbeitern, Partnern und vor allem Kunden Erfahrungen, Funktionalitäten und Mehrwertdienste anzubieten.

Business Integration

Zwar ist das gegenseitige Verständnis zwischen Geschäft und IT gewachsen und die Zusammenarbeit in vielen Organisationen agil ausgerichtet und verbessert. Dennoch wird die IT viel zu oft weiterhin in die Rolle eines internen Dienstleisters verortet. Für die Zukunft reicht das nicht mehr. Effizienz, Geschwindigkeit und Schlagkraft können nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit und Integration erreicht werden. Jenseits des Buzzwords "Interdisziplinarität" sind hierfür Strukturen, Prozesse und Verantwortlichkeiten zu überdenken und neu auszurichten.

Viele CIOs haben bereits mit dem strukturellen Umbau ihrer IT-Organisation begonnen. Diese Transformation setzt sich sicher auch 2023 fort. Das Themenfeld rund um "IT-Prozesse" wird mit Blick auf den bunten Blumenstrauß der Digitalisierung eine Renaissance der Standardisierung erfahren. Offene und agile Standards, wie etwa das Essence-Modell, bilden hierfür die Basis. Es unterstützt Unternehmen dabei, neue Funktionen schrittweise an die Kunden zu liefern. Diese Denkweise gilt es im Kontext eines standardisierten Rahmens auszuweiten und zu etablieren. Das stellt sicher, dass andere Teams schneller reagieren können und dass Änderungen an Rollen oder Verfahren keine Angst auslösen oder abschreckend sind. CIOs haben es damit auch 2023 in der Hand, dass sich Struktur- und Prozesssilos weiter auflösen.

IT-Kosten

Die stärkere Integration mit dem Business bedingt auch, den Fokus wieder stärker auf IT-Kosten zu lenken. Die letzten Jahre waren durch starke Investitionen in Digitalisierung und hohe, durch Transformationsprojekte getriebenen, IT-Budgets geprägt. Der Kostendruck auf der Geschäftsseite, die Inflation und die immens gestiegenen Energiekosten werden sich auch auf die IT-Budgets auswirken. Sicherlich wird das IT-Budget in vielen Unternehmen für 2023 zunächst gleich hoch oder marginal höher geplant.

Lesetipp: Korr-Bremse-CIO Hilzinger - Wie der CIO die IT-Kosten im Griff behält

Viele CIOs sind jedoch jetzt schon dabei, die geplanten Run- und Change-Budgets genau unter die Lupe zu nehmen und an den richtigen Stellen zu optimieren. Nur so wird es möglich sein, weiterhin den notwendigen Spielraum für gesetzliche Anpassungen, wichtige Innovationen und weitere Digitalisierung zu haben.

Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit oder Environment, Social Governance (ESG) ist das Trend-Thema der letzten Jahre und weiterhin in aller Munde. Dass Investment-Fonds großen Wert auf einen guten ESG-Score legen ist fast schon wieder ein alter Hut. Mittlerweile gibt es kaum noch ein Unternehmen ohne eigene Nachhaltigkeits- oder ESG-Strategie.

Doch was bedeutet das Thema Nachhaltigkeit eigentlich für die IT? Im Zuge eigener IT-Nachhaltigkeitsstrategien oder durch Operationalisierung unternehmensweiter Ziele muss ein CIO 2023 sich den eigenen, teils erheblichen "IT-CO2-Fußabdruck" bewusst und transparent machen. Dies geht Hand in Hand mit Fragestellungen zu den IT-Kosten - sorgen doch die steigenden Energiekosten für ein signifikante Kostensteigerung.

Darüber hinaus muss ein CIO ganz konkrete Maßnahmen, beispielsweise bezüglich Hardware-Recycling, Rechenzentrums- und Cloud-Optimierung sowie nachhaltige IT-Architekturen erarbeiten, um den Nachhaltigkeitsthemen gerecht werden. Ein Nachhaltigkeits-Cockpits, um dem Unternehmen die eigene Situation auf Knopfdruck transparent zu machen, ist ein guter Anfang.

Fachkräftemangel

Der Personalmangel, insbesondere an jungen IT-Fachkräften, war für die CIOs in den vergangenen Jahren ein Dauerbrenner. Klar ist zwischenzeitlich, dass die Situation in Deutschland nicht über Nacht besser wird. Das Damokles-Schwert der Baby-Boomer, die in den nächsten Jahren in Ruhestand gehen werden, schwebt über vielen IT-Bereichen.

Umgekehrt entstehen mit der Wechselwilligkeit der Generation Z wieder Chancen, die es zu nutzen gilt. Entscheidend hierfür ist es, die Lebensrealitäten dieser Generation zu verstehen und entsprechend darauf zu reagieren. Gerade die IT kann ein hohes Maß an Flexibilität und Freiheiten ermöglichen und den Arbeitnehmern ein stabiles und gleichzeitig spannendes Umfeld bieten, das zu ihren Wertevorstellungen passt. Viele Tätigkeiten lassen sich von nahezu jedem Ort und zu fast jeder Zeit erledigen. Nicht wenige wünsche sich: "Coden" auf Bali, zwischendurch Surfen und abends zum Yoga.

Zu guter Letzt müssen diese Rahmenbedingungen nicht nur geschaffen, sondern auch erfolgreich und vor Allem glaubhaft und authentisch kommuniziert werden. Es ist 2023 also höchste Zeit, die Nachwuchsgewinnung mit einer dedizierten und gesamthaften IT-Personalstrategie anzugehen und entsprechend auf der Agenda zu priorisieren.

Lesetipp: Führung nach Covid - Neue Leadership-Strategie für CIOs

IT-Sourcing

Eine der Möglichkeiten mit dem Fachkräftemangel umzugehen ist der Einsatz von externen Dienstleistern. Skill- und Kompetenzdefizite, auch bezüglich Legacy-Altlasten, lassen sich kompensieren. In Deutschland hat dies seinen Preis. Für große Unternehmen liegen daher Near- oder Off-Shore-Lokationen nahe.

Der Krieg in der Ukraine hat auch Auswirkungen auf den Nearshoring-Markt für IT-Dienstleistungen. Russland ist mindestens mittelfristig keine Option mehr. Sourcing in der Ukraine wird in der nächsten Zeit zumindest mit signifikanten Risiken verbunden sein. Doch abgesehen von der aktuellen Situation in der Ukraine sorgen unter anderem Kommunikationsschwierigkeiten, Qualitätsmängel und die hohe Fluktuation in den Sourcing-Ländern nicht nur für Erfolgsmeldungen.

Lesetipp: Exklusive CIO-Umfrage - Ukraine-Krie fordert CIOs heraus

2023 ist es daher an der Zeit die bisherige Aufstellung in Bezug auf das Sourcing von IT-Dienstleistungen auf den Prüfstand zu stellen. Elementar dabei ist, dass alle Aktivitäten einer klaren unternehmensweiten Strategie folgen. Gegebenenfalls besteht auch über Dienstleister die Möglichkeit für Near- und Offshore-Sourcing.

Darüber hinaus ist zu definieren, welche Art von Dienstleistungen gesourct und in welchen Ländern Technologie-Hubs aufgebaut werden sollen. Zudem ist sind die Steuerungsprämissen für das Sourcing festzulegen. Auf Basis dieser strategischen Leitplanken gilt es, das eigene Auslagerungsmanagement passgenau aufzustellen um eine erfolgreiche Operationalisierung sicherzustellen.

Cloud Computing

IT-Anwendungen in der Cloud zu betreiben ist für viele Unternehmen in den vergangenen Jahren bereits zur Normalität geworden. Weshalb findet sich Cloud dann auf der Liste der Themen für 2023 wieder?

Mit der hohen Verbreitung von Cloud-Diensten zeigt sich, dass der Markt von einigen wenigen Anbietern dominiert wird. Dieser Marktmacht müssen sich Unternehmen bewusst sein und ihre bestehenden Cloud-Strategien dementsprechend hinterfragen und anpassen.

Ein Cloud-Modell rechnet sich kostenseitig, wenn es darum geht, schnell Speicher- und Rechenressourcen zu- und abzuschalten. Bei Geschäftsmodellen mit kontinuierlichem Ressourcenverbrauch kann eine Ausrichtung am Maximum jedoch ein teures Vergnügen werden. Da es für CIOs schwer ist, mit den großen Cloud-Anbietern mit entsprechender Marktmacht zu verhandeln, sind alternative Konzepte gefragt.

Einige Unternehmen bauen sich bereits eigene Private Clouds für ein Insourcing auf. Für alle Zögerer wird es ohnehin Zeit, strategische Leitplanken für eine Cloud-Nutzung in der eigenen Organisation zu erarbeiten. Ein moderner IT-Betrieb ohne Cloud-Elemente ist nahezu undenkbar und die mittlerweile starke Verbreitung zeigt, dass bestehende Bedenken auch in Bezug auf Compliance- und Sicherheitsaspekte in der Regel lösbar sind. Lösungen liegen also weder in der Welt des Eigenbetriebs noch in der Migration des Gesamtbetriebs in der Cloud, sondern in hybriden Ansätzen. Diese muss ein CIO 2023 gestalten (lassen).

Gamification, Metaverse und Co.

Die Zahl neuer Technologien und Innovationen nimmt seit Jahren rapide zu. CIOs - im Zusammenspiel mit CDOs - müssen permanent beurteilen, inwiefern die eine oder andere Technologie für das eigene Geschäftsmodell relevant ist. Nicht jede technische Neuerung bietet jedem Unternehmen die gleichen Chancen und oft zeigen sich diese nicht von Beginn an.

Sicherlich gibt es einige, die CIOs 2023 auf dem Radar haben sollten. Exemplarisch ist hier das Metaverse genannt. Bei der Ankündigung von Facebook ein eigenes Metaverse aufzubauen, gab es noch viele fragende Blicke. Danach wurde das Metaverse schnell "overhyped". Heute ist diese Technologie bei einigen Unternehmen schon im experimentellen Stadium. Einige Versicherer gehen sogar davon aus, zukünftig einen nicht unerheblichen Anteil der Neuverträge im Metaverse abzuschließen. Die Technologie in Experimenten zu erproben, schafft einen strategischen Rahmen für den Einsatz.

Lesetipp: Phänomen, Potenzial, Prototyp - CIO-Experimente im Metaverse

Ohne eigenes Innovationsmanagement, das neue Trends sucht, deren Auswirkungen auf das eigene Geschäftsmodell bewertet und Chancen erkennt, läuft ein CIO Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Auch wenn Innovationsmanagement nur übergreifend in der Gesamtorganisation erfolgreich sein kann, sind gerade in Bezug auf technische Neuerungen CIOs mit ihrer Expertise besonders gefragt. Das Innovationsmanagement darf nicht mehr dem Bauchgefühl folgen, sondern muss dringend institutionalisiert werden und strategisch sowie fachbereichsübergreifend aufgestellt sein.

Rahmen für 2023

Viele CIOs haben während der Corona-Pandemie maßgeblich zum Überleben und zum Erfolg ihres Unternehmens beigetragen. Angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen werden Unternehmensstrategien wieder verstärkt Effizienz- und Kostenfragestellungen adressieren, um die Resilienz zu erhöhen.

Die Schwerpunkte werden sich deshalb jenseits der obigen Trendthemen von arbeitserleichternden Technologien hin zu arbeitsoptimierenden Lösungen verlagern. In dieser Gemengelage kommt dem CIO 2023 weiter die Rolle zu, den laufenden Wandel und die Transformation anzuführen und so die Kernstrategie des Unternehmens voranzutreiben. Hieraus sollte jeder CIO in Zukunft Kapital schlagen können. (bw/jd)