Im ersten Teil der kleinen Artikelserie zu negativen Glaubenssätzen, den "Inneren Bremsern", haben wir Herrn M., den Leiter der Entwicklung in einem IT-Unternehmen, kennen gelernt. Im Coaching sprach er seine notorische Unpünktlichkeit an und es stellte sich heraus, dass er zutiefst davon überzeugt war, ein unpünktlicher Mensch zu sein.
Nachdem wir diese Überzeugung als echten Glaubenssatz identifiziert hatten, ermutigte ich Herrn M., ihn mithilfe seiner stark ausgeprägten analytischen Fähigkeiten in Frage zu stellen - mit zunächst nur mäßigem Erfolg.
Tatsächlich war Herr M. sehr häufig unpünktlich und erschien bei fast allen Meetings und Terminen zu spät - darum war es schwierig, auch nur eine Ausnahme für die Richtigkeit seines Glaubenssatzes zu finden.
Vom Nutzen der Unpünktlichkeit
Der Durchbruch kam erst in meinem Coaching-Programm, als ich ihm vor den anderen Teilnehmern die alles verändernde Frage stellte: "Was haben Sie davon, wenn Sie zu spät kommen?" Er sah sich ungläubig im Kreis der Teilnehmer um. "Was ich davon habe? Vorteile, meinen Sie? Sehen Sie nicht, dass das für mich nur Nachteile hat?"
Daraufhin erklärte ich ihm, dass unser System uns immer Gutes will und hinter einer inneren Überzeugung deswegen grundsätzlich eine positive Absicht steht.
Ein anderer Teilnehmer schlug nach einigem Nachdenken höflich vor: "Schließlich haben Sie die volle Aufmerksamkeit, wenn Sie als letzter den Raum betreten, oder?" Nachdenklich bestätigte Herr M. das: "Ok, das ist richtig: Die Tür geht auf, alle sehen mich. Das Gespräch wird wegen mir unterbrochen. Ich gehe durch den Raum, lasse mir Zeit, packe meine Sachen aus. Meistens erklärt man mir dann auch noch, worüber gerade gesprochen wird, damit ich ins Thema komme."
Für meinen Klienten tat sich so eine völlig neue Sicht der Dinge auf. Mit der Feststellung "ich bin unpünktlich" hatte er bislang die verkrampfte Haltung verbunden: "Ich bin ein unpünktlicher und ein schlechter Mensch". Nun erkannte er: Nicht Unzuverlässigkeit war die Ursache, sondern der Wunsch nach Aufmerksamkeit und Einfluss.
Sein "System" hatte ihn mit notorischer Unpünktlichkeit beglückt, in der guten Absicht, ihm diese Bedürfnisse zu erfüllen. Als wir diese Zusammenhänge herausgearbeitet hatten, verlor der Glaubenssatz seinen Schrecken. Herr M. war in der Lage, sich zu überlegen, welche anderen Wege es gab, seine Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit und Einfluss zu befriedigen.
So war es nicht schwer, den Glaubenssatz zu integrieren und ihm eine Alternative entgegen zu halten: "Ich bin sehr wohl ein pünktlicher Mensch. Aber ich komme öfter zu spät." Bei den meisten Terminen erschien er von nun an pünktlich, bei einigen Meetings kam er bewusst zu spät.
Er war nicht mehr seinem Glaubenssatz ausgeliefert, sondern hatte das Ruder in der Hand und verfügte über Handlungsalternativen. Er musste nicht mehr zu spät kommen, sondern hatte die Wahl. Der Glaubenssatz war so in sein Handeln integriert.
Glaubenssätze integrieren - Weitere Schritte zum Erfolg
Schritt 3: Die Absicht dahinter erkennen
Gehen Sie davon aus, dass hinter dem Glaubenssatz eine Absicht steht, die dem Gesamtsystem nutzen möchte. Gemäß einem Grundgesetz der Natur liegt jedem Verhalten, und auch jedem Glaubenssatz, eine positive Absicht zugrunde. Fragen Sie sich: Welchen Sinn hat dieser Glaubenssatz?
Schritt 4: Integrieren
Mit der Frage nach seiner positiven Absicht haben Sie Ihrem Glaubenssatz in gewisser Hinsicht Wertschätzung und Respekt entgegengebracht. So wird es möglich, eine Umgangsform mit ihm zu finden. Formulieren Sie nun eine Alternative zu Ihrem Glaubenssatz, damit Sie ihm eine andere, positive Botschaft entgegensetzen können. Außerdem können Sie dem Glaubenssatz den Wind aus den Segeln nehmen, indem sie seine positive Absicht auf anderem Wege erreichen.
Schritt 5: Den Umgang trainieren
Auch weiterhin wird der Glaubenssatz kaum eine Gelegenheit auslassen, sich zu melden. Taucht der Glaubenssatz auf, kommt es darauf an, ihn wahrzunehmen und freundlich, aber bestimmt in seine Schranken zu weisen - und dann die Alternative mit der positiven Botschaft zu wählen. Bis das zuverlässig gelingt, braucht es in der Regel eine längere Trainingsphase.
Gudrun Happich ist Executive Business Coach.