Der Videodienst Netflix kommt nach Deutschland eigentlich nur als ein Anbieter unter vielen in einem bereits gut gefüllten Markt. Aber an Selbstbewusstsein mangelt es dem Neuzugang aus Amerika aber nicht. Gründer und Chef Reed Hastings verspricht nichts geringeres als "das Fernsehen der Zukunft" und zeigt sich überzeugt, dass das klassische Fernsehen mit seinen festen Startzeiten die nächsten 20 Jahre nicht überstehen werde. "Selbst Sport-Übertragungen werden dann über Apps aus dem Internet laufen."
Netflix will die Zukunft dabei mit Hilfe von Daten gestalten. Es gehe darum, das Angebot punktgenau auf jeden einzelnen Nutzer zuzuschneiden, sagt Produktchef Neil Hunt. Sein Ziel sei: "50 Millionen Sender für 50 Millionen Nutzer." Nach 15 Jahren Forschung sei man auf diesem Weg weit vorangekommen. "Schon heute könnte Netflix besser als Sie selbst wissen, was Sie sich gern ansehen werden."
Allerdings setze das eine hohe Trefferquote voraus: "Wir zeigen dem Nutzer um die 18 Titel. Es müssen die richtigen sein." Dafür werden die Vorlieben der Nutzer analysiert und abgeglichen - und bald auch die Tageszeit berücksichtigt. "Wir versuchen allerdings nicht, Ihre Stimmung zu erraten", zieht Hunt eine Linie. Zugleich werde das angezeigte Angebot so zusammengestellt, dass für verschiedene Launen etwas dabei ist. Die Filme und Serien werden dabei nach Bedarf aus dem Internet abgerufen: "Was Sie wollen, wo Sie wollen, wann Sie wollen."
Die konsequente Personalisierung setzt einen für Netflix gläsernen Nutzer voraus. Das müsse aber kein Grund zur Sorge sein, beteuern unisono Hunt und Konzernchef Reed Hastings. Schließlich gebe es bei Netflix keine Werbung und man verkaufe auch keine Daten an Werbenetzwerke. "Die Daten werden nur genutzt, um Ihnen das passende Programm zu bieten."
Während Netflix seinen Empfehlungs-Algorithmus in den Vordergrund rückt, bezweifelt Branchenexperte Jürgen Morath von der Unternehmensberatung Accenture, ob das zum entscheidenden Faktor wird. "Das Inhalte-Angebot ist ein entscheidender Dreh- und Angelpunkt", sagt er. "Player wie Maxdome sind gut aufgestellt, weil sie eine Kombination aus Video auf Abruf und traditionellem linearen TV bieten können." Maxdome, der aktuelle deutsche Marktführer unter den Streaming-Diensten, gehört zum TV-Konzern ProSiebenSat.1.
Er habe keine Angst vor Netflix, ließ Maxdome-Geschäftsführer Andreas Heyden schon mal wissen. "Mehr Teilnehmer beschleunigen den Markt." Am Ende entscheide das beste Angebot. "Netflix muss mit Druck in den Markt reingepresst werden."
Auch der Preis werde eine wichtige Rolle spielen, ist Accenture-Experte Morath überzeugt. Ein Nutzer könne das Angebot eines Anbieters vorher kaum überprüfen, "also ist das Kriterium Nummer eins zunächst der Preis." Die Realität im deutschen Markt sei, dass sich die Inhalte über verschiedene Anbieter verteilen. "Es gibt keinen, der das komplette Angebot hat." Auch Netflix werde das nicht schaffen, räumte Programmchef Ted Sarandos ein. "Das würde für die Verbraucher auf einen Preis von von 200 Euro im Monat hinauslaufen." Der Ruf des Überfliegers aus den USA eilt Netflix voraus, die Manager selbst dämpfen die Erwartungen.
Zugleich glaubt auch Morath nicht, dass Netflix zu spät den Weg nach Deutschland angetreten ist. Der Markt werde sich in den kommenden vier bis fünf Jahren mehr als verdoppeln - "da ist noch für jeden Player Potenzial da." Allerdings sei klar, dass mit Netflix der Kampf um Inhalte deutlich schärfer werden wird. Hastings deutete jedenfalls an, dass er durchaus bereit ist, den Wettstreit um exklusive Inhalte mit höheren Geboten zu lösen. (dpa/rs)