Networking vs. fachliche Kompetenz?

Netzwerke und ihre Bedeutung für die Karriere

06.03.2008 von Christiane Pütter
Wer nach oben will, braucht vor allem Eines: die richtigen Freunde. Ständiges Networking sollte daher höchste Priorität haben. Das sagt Mark Cummuta, CTO und CIO auf diversen beruflichen Stationen wie etwa Airtronic USA oder Platinum Community Bank. Was aber, wenn man soziale Netze nicht leiden kann? Cummuta hat eine Diskussion entfacht, die bei Kollegen und Personal-Agenturen auf geteiltes Echo stößt.

Mark Cummuta ist so etwas wie der neue Papst des Networking. Networking, erklärt er, muss effektiv, konsequent und hingebungsvoll betrieben werden. Effektiv heißt: Nicht möglichst viele Kontakte sammeln, sondern möglichst gute. Konsequent heißt: Die Netzwerk-Mitglieder sind wichtiger als alles andere. Und das mit der Hingabe heißt auf Chinesisch "Guanxi" (ausgesprochen wohl: Guahnschi, Betonung auf dem "ah").

Guanxi ist ein uralter Begriff für die hochkomplizierten, für Außenstehende kaum verständlichen Beziehungsgeflechte in der chinesischen Kultur. In dieser eingeschworenen Gemeinschaft wird selbstlos gegeben, ohne gleich darauf etwas zurück zu erwarten. Vielmehr übt sich der Gebende in Gelassenheit und vertraut mit konfuzianischer Weisheit auf Ursache und Wirkung: Irgendwann wird er durch einen anderen Guanxisten, den er jetzt vielleicht noch gar nicht kennt, belohnt.

Sobald man es in ein solches Netz geschafft hat, läuft die Karriere wie am Schnürchen, versichert Mark Cummuta. Sind die Mitglieder dieses Zirkels doch Mentoren und Mentees, Ratgeber und -empfänger, Jobvermittler und -suchende in Personalunion, je nach der aktuellen Situation. Glaubt man der Legende, schließen sich in China Kommilitonen und Kollegen frühzeitig zu solchen Netzen zusammen und sind sich treuer als jedem Unternehmen. Guanxi? Verlässlicher als jeder Arbeitsvertrag.

April M. Williams kann das bestätigen. Die Business Analystin und Project Managerin reagiert begeistert auf Mark Cummutas Blog-Beitrag. Jeden ihrer Jobs, schreibt April, habe sie durch ihre Beziehungen bekommen. Vor zwanzig Jahren habe sie mit dem Netzwerken angefangen, und die alten Kontakte hätten ihr durch gute wie durch schlechte Zeiten geholfen. Anscheinend hat Frau Williams (Spitzname: "Networking Goddess") in jedem Unternehmen sofort ein Frauen-Guanxi gegründet, auf dass die Guanxi-Frauen sich gegenseitig Tipps für die Karriere geben.

Doch nicht jeder teilt die Begeisterung von Kontakt-Koryphäe Williams und Guanxi-Guru Cummuta. So kontert der User John Agno, dass es Leute gibt, die Netzwerken nicht leiden können.

Agnos These: Es macht mindestens genauso viel Sinn, sich innerhalb des Unternehmens schlicht über Leistung zu profilieren. Er hat nichts gegen Kontakte - wenn sie auf fachlichen Austausch abzielen. Wer mit Hard Skills überzeuge, erarbeite sich den Ruf eines fähigen und vertrauenswürdigen Mitarbeiters. Aber mit diesem Guanxi und dem Glauben vom Netzwerken um des Netzwerkens willen kann er nichts anfangen.

John Agno ist der Einzige, in dessen Beitrag es auch um den Benefit des Unternehmens geht und nicht nur um das Fixieren auf die eigene Karriere.

So schreibt er denn auch: Wer nichts vom Netzwerken hält, soll es bleiben lassen und statt dessen den rein fachlichen Austausch im Kollegenkreis suchen. Davon profitiere das eigene Wissen und damit auch das Unternehmen.

Erfolgreiches Netzwerken ist wie Fußballerbildchen-Sammeln

Ein weiterer User, Tim Siko, schlägt wiederum eine andere Strategie vor. Ergebnisorientiertes Netzwerken scheint für ihn so etwas Ähnliches zu sein wie Fußballer-Bildchen sammeln: Hat man zu viele CIOs und zu wenig Projekt-Manager im Netz, muss man eben welche tauschen. Tim sagt, man soll sein Netzwerk nach Kriterien wie Skills, Wissen, Rollen und Branchen sortieren und versuchen, es komplett zu kriegen.

Diese Diskussion mag abgehoben oder sehr amerikanisch scheinen. Dennoch: Auch in Deutschland rückt die Bedeutung von Netzwerken in den Fokus. Für Katja Hollaender-Herr muss, wer nach oben, will, denn auch beides können - fachlich wie sozial überzeugen.

Die Betriebswirtin mit dem Schwerpunkt IT arbeitet seit 1996 für die Personalberatungsfirma Heidrick & Struggles. Als Junior-Partnerin ist sie auf die Besetzung von CIO- und IT-Management-Positionen über alle Branchen hinweg spezialisiert.

Wer nur noch auf Networking-Events unterwegs ist, macht auch keinen guten Eindruck

Ihre Erfahrung: Eine Führungskraft, die quasi nur noch auf Tagungen, Seminaren und Workshops unterwegs ist und selten am eigenen Schreibtisch sitzt, ist in keinem Unternehmen gern gesehen. "Wenn die Entwicklung darauf hinausläuft, die Loyalität zum Netzwerk höher anzusetzen als zum Arbeitgeber, wird es grenzwertig", warnt die Beraterin.

Katja Hollaender-Herr hat allerdings auch das genaue Gegenteil erlebt, also den fachlich hochkompetenten Entscheider, der nie auf Networking-Events gehen wollte. "Er hat das grundsätzlich abgelehnt", berichtet sie. Mit einiger Überredungskunst sei es gelungen, den Mann davon zu überzeugen, es einfach mal zu probieren. Mit Erfolg: Dem CIO wurde klar, wie wichtig Austausch und persönlicher Kontakt sein können. "Heute besucht er regelmäßig ausgewählte Veranstaltungen und profitiert davon", sagt die Beraterin.

Das ist für Katja Hollaender-Herr denn auch der Königsweg: Ausgewogenheit zwischen Hard Skills und Soft Skills. Networking gehört dazu, wenn es dosiert und sinnvoll betrieben wird.

Die Diskussion ist auf CIO.com unter dem Titel "How to network for an effective job search" nachzulesen.