Für den Chef des Bezahldienstes PayPal, David Marcus, sieht Einkaufen in der Zukunft ungefähr so aus: Man geht zum Beispiel in ein Warenhaus, nimmt, was man braucht, scannt die Strichcodes am eigenen Handy ein - und geht wieder. Kein Anstehen an der Kasse, der Einkauf wurde im Hintergrund abgerechnet. Im Café lässt man die Geldbörse in der Tasche, weil die Bedienung einen am Foto in einer App entdeckt. Und sieht man etwas im Schaufenster eines geschlossenen Ladens, wird ein QR-Code abfotografiert und der Artikel kommt per Post.
"Ich wäre schockiert, wenn man in vier Jahren in großen Städten zum Einkaufen noch seine Brieftasche mitnehmen müsste", sagt der Manager, den die Ebay-Tochter Paypal mit der Übernahme seines Mobil-Bezahldienstes Zong einkaufte. "Das funktioniert aber nur, wenn wir nicht nur den Bezahlvorgang, sondern das gesamte Einkaufserlebnis verändern." Die US-Firma prescht mit ihren Zukunftsvisionen vor. In Berlin kann man derzeit in mehreren Lokalen das Bezahlen per Gesichtsabgleich nach dem Check-in mit der PayPal-App testen. Im kommenden Jahr sollen die "Beacons" kommen, Mini-Sender, die per Bluetooth-Funk einen Kunden automatisch im Laden erkennen.
Die Eile von PayPal, sein "Betriebssystem für den Handel der Zukunft" in die freie Wildbahn zu bringen, hat ihre Gründe. Die Verbreitung von Handys und Smartphones hat eine neue Einkaufswelt geschaffen: "Kunden können alles jederzeit von allen kaufen", bringt es IT-Analyst George Colony von Forrester Research auf den Punkt. Wer dabei die Kontrolle über das Bezahlen hat, kann viel Geld verdienen. Und andere experimentieren schon mit ähnlichen Modellen. So testet der amerikanische Supermarkt-Gigant Wal-Mart an mehreren Standorten seine App "Scan & Go", bei der ein Kunde die Einkäufe selbst mit seinem iPhone einliest. Und der Berliner Bezahldienst SumUp arbeitet ebenfalls an einem System, bei dem der Kunde am Gesicht erkannt wird.
Obwohl der Markt jung ist, geht es jetzt schon um viel Geld. Nach Einschätzung der Marktforscher von Gartner werden in diesem Jahr weltweit bereits über 235 Milliarden Dollar über Handy und Tablet umgeschlagen - 44 Prozent mehr als 2012. Für die kommenden Jahre rechnen die Experten mit jährlichen Zuwächsen von gut einem Drittel, so dass es zum Jahr 2017 um ein Zahlungsvolumen von über 720 Milliarden Dollar bei 450 Millionen aktiven Kunden gehen dürfte.
Derzeit stürmen Firmen aus allen möglichen Richtungen in das Geschäft. Google will mit seinem Wallet ebenso dabei sein wie Mobilfunk-Betreiber, die ihre eigenen digitalen Geldbörsen einführen. Die Kreditkarten-Riesen Visa und Mastercard haben eigene Systeme zum kontaktlosen Bezahlen und wollen zudem über Partnerschaften mit neuen Anbietern im Spiel bleiben.
Dann sind da noch Start-ups wie zum Beispiel die Firma Loop, die verspricht, Nutzer könnten mit ihrem kleinen Zusatzgerät ein Smartphone statt der Bankkarte an nahezu jedem Bezahl-Terminal an US-Kassen einsetzen. Die NFC-Funktechnologie, bei der man sein Handy zum kontaktlosen Bezahlen nur kurz vor ein Terminal halten muss, konnte aber bisher den vielen Vorschusslorbeeren nicht gerecht werden. Immer noch haben zu wenige Smartphones einen NFC-Chip an Bord. Und zu wenige Nutzer setzen ihn ein.
In Deutschland versuchen die drei Anbieter iZettle, SumUp und Payleven umgekehrt, Kartenzahlungen auf Smartphones und Tablets zu etablieren. Der aus Schweden stammende Anbieter iZettle will zum Jahresende rund 100 000 Lesegeräte in den Markt gebracht haben. Die anderen nennen bisher keine Zahlen. Bei dem Modell geht es nicht nur darum, dass ein Schornsteinfeger direkt per Handy kassieren kann oder ein Café ein iPad statt eines klassischen Kassenapparates einsetzt. Ein Vorteil für die Geschäfte soll auch die Aufbereitung von Daten zum Strom der Kunden und deren Vorlieben sein, die übliche Kassen nicht bieten. (dpa/rs)