Fachkräftemangel

Neue Chance für IT-Quereinsteiger

27.05.2019 von Hans Königes
Myskills ist ein neuartiger Test. Er soll dazu beitragen, die immer größer werdende Lücke zwischen fehlenden Fachkräften und berufserfahrenen Menschen ohne Beschäftigung zu schließen – auch in der IT.

Ende 2018 erreichte der Fachkräftemangel in der IT laut dem Digitalverband Bitkom mit rund 82.000 offenen Stellen einen neuen Höchststand - 49 Prozent mehr als im Vorjahr. 82 Prozent der befragten 800 Geschäftsführer und Personalverantwortlichen in den Unternehmen aller Branchen beklagten, offene Stellen in der IT nicht besetzen zu können.

Mit gezielter Fortbildung können auch Quereinsteiger jene Skills erwerben, die sie im besten Fall zur vollwertigen IT-Fachkraft qualifizieren.
Foto: Olivier Le Moal - shutterstock.com

Viele Unternehmen suchen voll ausgebildete Alleskönner. Aber die sind immer schwerer zu finden. Dabei erledigen heute schon 70 Prozent der sogenannten Ungelernten Aufgaben und Standardtätigkeiten von Fachkräften. Mitarbeiter also, die über langjährige Erfahrung verfügen, aber eben nicht über einen Ausbildungsabschluss.

Wissenstest für Mitarbeiter ohne Berufsabschluss

Das Testverfahren Myskills zeigt, welches berufliche Wissen sich Mitarbeiter am Arbeitsplatz angeeignet haben, die keinen formalen oder in Deutschland anerkannten Berufsabschluss haben. Das können Geringqualifizierte, Quereinsteiger oder Menschen sein, die längere Zeit nicht in ihrem Beruf arbeiten konnten. Aber auch Flüchtlinge aus Syrien oder Zuwanderer aus Osteuropa.

Myskills-Tests gibt es mittlerweile für 30 Berufe, wovon die meisten bereits bundesweit in allen Arbeitsagenturen und Jobcentern verfügbar sind. Darunter nun auch der Test für den Beruf Fachinformatiker (Fachrichtung Systemintegration). Myskills ist ein computergestützter, videobasierter Test, den die Jobcenter oder Arbeitsagenturen anbieten. Die Prüfung ist in sechs Sprachen verfügbar: Deutsch, Englisch, Arabisch, Farsi, Russisch und Türkisch. Sie dauert ungefähr vier Stunden. Den Teilnehmern werden rund 120 Fragen zu konkreten beruflichen Handlungssituationen gestellt.

Know-how bei Datenbanken, Programmierung und Sicherheit

"Der Myskills-Test ist in unterschiedliche Handlungsfelder aufgeteilt, die an der tatsächlichen beruflichen Praxis und am aktuellen deutschen Ausbildungsstandard ausgerichtet sind", sagt Martin Kaya, staatlich geprüfter Betriebswirt, Fachinformatiker und Bereichsleiter der Firma Cross Media - die Daten und Netz GmbH - und einer der Myskills-Testentwickler für den Beruf Fachinformatiker/-in. "Der Test zeigt, welche praktischen Fähigkeiten jemand bereits hat, wo man ihn bereits einsetzen kann, und wo der weitere Schulungs- und Qualifizierungsbedarf besteht, um jemanden mittelfristig zur Fachkraft zu entwickeln." Und zwar in fünf Handlungsfeldern:

1. Einfache IT-Systeme zusammenbauen, installieren, konfigurieren, warten und instand setzen.

2. IT-Netzwerke installieren, integrieren, erweitern und konfigurieren.

3. Maßnahmen zur IT-Sicherheit anwenden und Server und ihre Dienste installieren, konfigurieren und warten.

4. Mit Datenbanken und deren Managementsystemen arbeiten.

5. Programmierungen anwenden und prüfen.

Bei der Entwicklung waren Innungen, Arbeitgeberverband, Berufs- und Fachschulen sowie viele Unternehmer und IT-Systemintegratoren vertreten und brachten ihr praktisches Know-how ein.

10 unentbehrliche IT-Skills
1. Kommunikation
Von vielen als "weicher " Faktor belächelt, sollte die Fähigkeit, mit anderen Menschen verbal zu interagieren, auch im "harten" IT-Geschäft nicht vernachlässigt werden. Die Welt im Datenzentrum verändert sich noch rascher als anderswo. Hier eine strukturierte Umgebung aufrechtzuerhalten erfordert Kommunikation - nicht nur mit dem Business, sondern auch innerhalb der IT-Organisation.
2. Service-Management
Viele Unternehmen beziehen bereits Teile ihrer IT-Services aus der Cloud. Diese Auslagerung verlangt von den IT-Verantwortlichen ein Umdenken in Sachen Service-Management. Sie müssen das komplexe Zusammenspiel von Kapazität und Nachfrage in einer nicht länger fest umrissenen Infrastruktur im Griff haben.
3. Unified Computing
Das "Unified Computing System" von Cisco, die "Blade System Matrix" von HP und die Cloud-Computing-Strategie von IBM stehen laut Rockwell Bonecutter, Data-Center-Experte bei Accenture, beispielhaft für einen Trend, der auch noch die kommenden Jahre kennzeichnen werde.
4. Projekt-Management
Wenn die Wirtschaft wieder anzieht, werden die Unternehmen auch ihre verschobenen IT-Projekte in Angriff nehmen. Aber sie werden darauf achten, dass sich die Investitionen am Ende auch auszahlen. Deshalb sind die Fähigkeiten zur Business-Analyse und zum effizienten Projekt-Management gefragt.
5. Ressourcen-Management
In einen Zusammenhang mit dem Thema Green IT gehört die Beherrschung der Wechselwirkungen zwischen IT- und Facilities-Management. Keine Kapazitätsplanung kommt heute ohne eine Betrachtung des Energieverbrauchs und der Wärmeabstrahlung aus. IT-Teams brauchen also dringend jemanden, der diese Faktoren auf dem Schirm hat und in der Lage ist, dieselbe Sprache wie die Facilities-Experten zu sprechen, also einen "Ressourcen-Manager". Auch der Data-Center-Chef selbst darf diese Aspekte nicht aus den Augen verlieren.
6. Engineering
Die Leute, die heute am verweifeltsten gesucht werden, sind, so Pricewaterhouse-Coopers, Mechanik- und Elektro-Ingenieure, die sich mit modernem IT-Equipment auskennen. Heutige Rechenzentrumskonzepte, beispielsweise virtualisierte Server, unterscheiden sich auch hinsichtlich der Elektrik und Kühlsysteme fundamental von denen der vergangenen Jahre.
7. Netzwerk-Know-how
Wenn ein Rechenzentrum ohne Menschen vor Ort auskommt (die Stichworte heißen hier "lights out" und "remote"), dann nur, weil es über ein Netz gesteuert wird. Folgerichtig braucht ein IT-Manager moderner Prägung ein solides Wissen hinsichtlich Netzkonfigurationen, - hardware, und -schwachstellen. Zudem sollte er Mitarbeiter einstellen, die über solches Know-how verfügen.
8. Finanzanalyse
Gerade in einer Wirtschaftskrise wird von einem IT-Verantwortlichen wirtschaftliches Denken verlangt. Er muss beispielsweise in der Lage sein, die Applikationen nach ihrer Bedeutung für das Business zu priorisieren und auf dieser Basis zu entscheiden, welche Lösung einen eigenen Server benötigt und welche beispielsweise in die Cloud ausgelagert werden kann.
9. Green IT
Mögen manche auch die Augen verdrehen - kein Unternehmen kommt an dem Mandat für eine "nachhaltige" Technologie vorbei.
10. Virtualisierung
Die Basistechnik für eine moderne IT-Infrastruktur ist eine Trumpfkarte für den, der sich mit ihr auskennt. Die Unternehmen packen immer mehr IT-Komponenten in flexible, leicht zu wartende und günstig zu betreibende, sprich: virtualisierte Umgebungen.

"Interessant für Arbeitgeber ist, durch den Test zu erfahren, in welchen Arbeitsfeldern in der IT jemand bereits anschlussfähige Fähigkeiten besitzt", so Kaya. Wichtig sei es, die Ergebnisse des Tests richtig zu interpretieren. "Denn der Test ist alles andere als leicht. IT-Integratoren sollten aufhorchen, wenn ein Absolvent zwei der genannten Handlungsfelder beherrscht, in denen sie selbst aktiv sind." Denn so eine Person ist bereits nach kurzer Einarbeitung in diesen Bereichen problemlos einsetzbar, wenn sie unterstützt wird. Auch Absolventen mit nur einem Punkt haben schon Erfahrungen gesammelt. Hier bietet sich sicherlich ein Praktikum oder eine Probearbeitszeit an.

"Gleichzeitig zeigt der Test aber auch, was jemand noch nicht kann und wo man sehr gezielt mit Fortbildungen und Qualifizierungen ansetzen sollte. Das ist dann auch etwas, wofür man zusammen mit den Arbeitsagenturen geeignete Qualifizierungswege finden kann - im besten Fall bis zum vollwertigen Abschluss als IT-Fachkraft", so IT-Experte Kaya.

Mehr Informationen zu Myskills unter www.myskills.de und https://www.arbeitsagentur.de/myskills.