Der IT-Branchenverband Bitkom hat seinen Leitfaden Social Media neu aufgelegt. Naheliegenderweise hat die Komplexität zu- und nicht abgenommen. So ist die Checkliste für die Anwender von fünf auf zehn Punkte angewachsen, der Leitfaden selbst ist rund 70 Seiten lang. Er kann auf der Bitkom-Website kostenfrei heruntergeladen werden.
Naturgemäß kaum aufzulösen ist das Spannungsfeld aus Freiheit und Ermunterung für die Arbeitnehmer auf der einen Seite sowie Kontrolle und Vorgaben von Firmenseite auf der anderen Seite. So lautet Punkt Zehn der Checkliste in der Überschrift „Mitarbeiter motivieren“. Konkret heißt es dann aber sofort: „Die Mitarbeiter sollten Social Media Guidelines erhalten.“
Tendenziell zielen die Bitkom-Vorstellungen also weiterhin darauf ab, das Thema Social Media von oben zu regeln. Just daran hatte es nach der Veröffentlichung der ersten Fassung harsche Kritik gegeben. „In dem insgesamt sehr praxisnahen Leitfaden fallen erstaunlich oft eher negativ konnotierte Wörter wie ‚müssen‘, ‚anweisen‘, ‚rechtlich unzulässig‘ und ähnliches“, hatte CIO.de seinerzeit kommentiert. „Tenor dieser Ausführungen: Die sozialen Netze sind gefährlich, und als Mitarbeiter hat man sich dort regelkonform zu verhalten, sonst droht Ungemach durch die Firmenleitung.“
„Das eigentliche Problem ist, dass die Mitarbeiter Angst haben, sich auf Facebook über ihr Unternehmen zu äußern“, sagte ebenfalls auf CIO.de Michael Kausch, Geschäftsführer der PR-Agentur Vibrio. Kausch plädierte für größere Spielräume für die Mitarbeiter: „Mitarbeiter brauchen Orientierung, um ihr Unternehmen in sozialen Netzwerken vertreten zu können, keine Strafen.“ Konsequenterweise erarbeitete Vibrio in Kontrast zu Bitkom einen eigenen Leitfaden.
Diese unterschiedlichen Akzentsetzungen bestehen im Kern sicherlich fort. Informativ ist der Bitkom-Leitfaden für viele Firmen aber zweifellos. Er enthält Lösungsansätze und Best-Practice-Beispiele und richtet sich in erster Linie an kleinere und mittelständische Unternehmen, die mit der Nutzung sozialer Medien beginnen oder diese ausbauen wollen.
Kein reines Marketing-Thema mehr
„Viele Unternehmen nutzen die Wertschöpfungspotenziale sozialer Medien noch längst nicht aus", sagt Bitkom-Präsident Dieter Kempf. Social Media sei nicht nur ein Thema für Marketing und PR. Der nächste Schritt sei die Implementierung im Kundenservice, in der Produktentwicklung oder in der internen Kommunikation.
Laut einer Bitkom-Umfrage nutzen aktuell etwa zwei Drittel aller Unternehmen in Deutschland soziale Medien wie Blogs, Kurznachrichtendienste oder soziale Netzwerke. „Der konsequente Einsatz sozialer Medien führt zu tief greifenden Veränderungen in den Unternehmen“, so Kempf. „Mit der Art der Kommunikation wandeln sich auch Strukturen und Prozesse in einer Organisation.“ Die Quintessenz der Bitkom-Empfehlungen ist in der folgenden Checkliste enthalten.
1. Strategie erarbeiten: Unternehmen sollten zunächst prüfen, in welchen Geschäftsbereichen und Handlungsfeldern ihnen soziale Medien einen Mehrwert bieten können. Bei der Analyse sollten sie neben PR und Marketing auch andere Bereiche wie das Personalwesen, den Kundenservice oder die Produktentwicklung einbeziehen.
2. Ziele setzen: Organisationen sollten sich konkrete, realistische und messbare Ziele setzen, die sie mit Social Media im jeweiligen Unternehmensbereich erreichen wollen.
3. Organisation anpassen: Social Media erledigt sich nicht nebenbei. Es sollte festgelegt werden, wer für Social Media verantwortlich ist und wer die Aktivitäten steuert. Dabei sollte sichergestellt sein, dass die Mitarbeiter ausreichend Zeit haben und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen. Sinnvoll kann die Einrichtung einer Arbeitsgruppe sein, um die verschiedenen Aktivitäten zu koordinieren.
Monitoring ist sinnvoll
4. Aufwand kalkulieren: Der finanzielle und personelle Aufwand der Social-Media-Aktivitäten sollte genauso gewissenhaft kalkuliert werden, wie das auch bei anderen Projekten der Fall ist. Dabei sollte insbesondere der Aufwand für die Interaktion mit Social-Media-Nutzern einbezogen werden.
5. Zielgruppen identifizieren: Unternehmen sollten herausfinden, wo die eigenen Zielgruppen im Internet die meiste Zeit verbringen und auf welchen Social-Media-Plattformen sie sich vornehmlich aufhalten. Neben den großen sozialen Netzwerken können auch kleinere, spezialisierte Plattformen wie etwa Online-Foren von Bedeutung sein.
6. Monitoring durchführen: Sinnvoll ist laut Bitkom eine systematische Beobachtung der sozialen Medien. Das Monitoring liefert Erkenntnisse darüber, was über das Unternehmen, seine Produkte oder seine Wettbewerber kommuniziert wird. Die Ergebnisse können in Marketing und PR sowie im Vertrieb, im Service oder in der Produktentwicklung verwertet werden.
7. Inhalte und Medien-Mix festlegen: Die angebotenen Inhalte sollten auf die Informationsbedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe zugeschnitten sein sowie die Besonderheiten der verschiedenen Plattformen berücksichtigen. Jede Plattform im Social Web kann eine bestimmte Rolle im Kommunikations-Mix einnehmen. Im Rahmen einer integrierten Online-Kommunikation sollte ein einheitlicher Außenauftritt angestrebt werden.
8. Krisenmanagement vorbereiten: Organisationen müssen sich im Social Web auf Irritationen, Kritik und Krisen einstellen. Über das Internet artikulierte Entrüstungsstürme, so genannte Shitstorms, werden künftig eher die Regel als die Ausnahme sein. Unternehmen sollten daher ihre Prozesse und Strukturen für einen Krisenfall vorbereiten.
Erfolgsmessung empfohlen
9. Erfolge messen: Der Erfolg der Social-Media-Aktivitäten sollte anhand des Erreichungsgrades der definierten Ziele kontinuierlich gemessen werden. Hierfür sollten aussagekräftige Leistungskennzahlen (KPIs) festgelegt werden.
10. Mitarbeiter motivieren: Die Mitarbeiter sollten Social-Media-Guidelines erhalten. Die Richtlinien informieren über Chancen und Risiken von Social Media und geben konkrete Hinweise zum Verhalten im Social Web. Informationsveranstaltungen und Schulungen tragen dazu bei, dass die Leitlinien unternehmensweit umgesetzt werden.