Die Veränderungen werden aber nur deutlich, wenn man sich sowohl die Kunden- als auch die Anbieterseite anschaut. So bewerten über die Hälfte der befragten IT-Beratungsunternehmen die These "Die Zusammenarbeit mit den Kunden gilt für immer kürzere Zyklen" mit den Faktoren "trifft weniger zu / trifft gar nicht zu". Und spiegelbildlich wird die These "Die Zusammenarbeit mit den Kunden wird zunehmend längerfristiger, d.h. mehrjähriger Basis (Rahmenverträge) erfolgen" von über 68 Prozent der Anbieter mit "trifft voll zu / trifft zu" für richtig befunden.
Daraus abzuleiten, dass sich die Zusammenarbeit zwischen Kundenunternehmen und IT-Beratungen jedoch ruhiger und kontinuierlicher gestaltet, wäre ein Trugschluss. So gilt heute bei vielen Kunden die Devise, Projekte in möglichst viele Prozessschritte zu unterteilen, die jeweils separat oder neu ausgeschrieben werden können. Das sorgt zwar für starken Wettbewerb und einen hohen Preisdruck, führt aber nicht zwingend zu einer Optimierung der Qualität. Hinzu kommt, dass die Aufwändungen für die Ausschreibungsprozesse und Auswahlverfahren sich offen oder verdeckt kostensteigernd auswirken. Es mag eine Reihe von Projekten geben, die eine stark segmentierte Vergabepolitik gut vertragen. Je komplexer und voluminöser sich ein IT-Projekt gestaltet, desto vorsichtiger sollte das Instrument des kostenoptimierten Einkaufs angewandt werden.
Eine weitere These der Lünendonk-Studie, die fragte, ob "die Bereitschaft der Kunden für neue Partnerschaftsmodelle (Wertschöpfungspartnerschaften) steigt", wird von den Anbieterunternehmen in hohem Maße (68 Prozent) mit "trifft voll zu / trifft zu" bestätigt. Hier haben sowohl Anbieter als auch Kunden eine gleiche Sicht.
Allein die Realität der Umsetzung dieses neuen Konzepts scheint noch nicht so recht zu gelingen. Dies zeigt sich nämlich, wenn man die Anbieterunternehmen fragt, welche Form der Zusammenarbeit bzw. welche Vertragsform sie in der Kooperation mit ihren Kunden bevorzugen. Hier liegt die Abrechnung nach Aufwand (time and material) weit an der Spitze aller Nennungen. 74,6 Prozent der Anbieter halten diese Vertragsform für richtig.
Einen durchaus auch noch hohen Zustimmungswert erhält die Zusammenarbeit im Rahmen eines Festpreisvertrages. (40,7 Prozent). Betrachtet man dann jedoch die eher auf Partnerschaft und Verantwortungs- und Risiko-Teilung auslegten Vertragsformen, so schmilzt der Wert "richtig" hier wie Eis unter der Sonne. Für richtig halten lediglich 9,3 Prozent ein Basishonorar mit Erfolgsbeteiligung, ebenfalls 9,3 Prozent eine Bonus-Malus-Vereinbarung. Eine gänzlich erfolgsabhängige Honorierung ist jedoch nur für 7,4 Prozent der befragten IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen als richtig zu betrachten. Immerhin zwölf Prozent sagen, dass sie Wertschöpfungspartnerschaften, die individuell zu definieren sind, für richtig halten. Das heißt: Während die Firmen einerseits konstatieren, dass die Bereitschaft der Kundenunternehmen für neue Partnerschaftsmodelle steigt, präferieren sie bei konkreter Nachfrage aber nach wie vor die tradierten Vertragsformen.
Große Anbieter offener
Es gibt dabei allerdings interessante Unterschiede, wenn man die Frage nach der bevorzugten Vertragsform einmal unter dem Zusatzfaktor der Anbieter-Größenklassen betrachtet. Hier wird ganz deutlich: Die Bereitschaft großer Anbieter-Unternehmen - im konkreten Fall die Top 10 der IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen in Deutschland - sich auf neue Zusammenarbeitsformen und Risiko einzulassen, liegt deutlich höher als die aller befragten Unternehmen beziehungsweise der Unternehmen unterhalb der Top 10.
Zwar bekommt die "Abrechnung nach Aufwand" bei allen Unternehmen auf einer Skala von -2,0 (nicht akzeptabel) bis +2,0 (richtig) den hohen Wert 1,71 (Top 10: 1,50; übrige Unternehmen 1,76). Auch beim Festpreisvertrag besteht mit 1,13 bei allen Unternehmen, 1,63 bei den Top 10 und 1,0 bei den übrigen Unternehmen recht hohe Einigkeit. Dann jedoch spaltet sich das Bild. Bei allen Unternehmen (arithmetisches Mittel) und den Unternehmen unterhalb der Top 10 rutschen die Bewertungen für "Basishonorar mit Erfolgsbeteiligung", "Bonus-Malus-Verianbrung", "Erfolgsabhängige Honorierung" und "Wertschöpfungspartnerschaften" in den Minusbereich. Die Top 10 hingegen setzen hier mit Wert von +1,0 und höher ein deutliches Signal für Risiko-Bereitschaft und erhöhte Flexibilität, was die Formen und Ausgestaltungen der Zusammenarbeit betrifft.
Natürlich ist diese Entwicklung nicht ganz überraschend. Zwar können kleinere Unternehmen in der konkreten Zusammenarbeit auch ein hohes Maß an Flexibilität an den Tag legen. Hinsichtlich einer umfassenden Wertschöpfungspartnerschaft oder risikoreicherer Vertragsformen sind ihnen jedoch häufig mangels Größe und Kapitalbasis enge Grenzen gesteckt. Hier haben große Anbieter den Vorteil, Verantwortungs- und Risikobeteiligung sowie Kapital in höherem Maße einbringen zu können. Für einen kleineren Anbieter können variable Vergütungsfaktoren wie Erfolgshonorierung oder Bonus-Malus-Vereinbarungen zwar auch eine attraktive Alternative zu tradierten Vertragsformen darstellen - der Minus-Fall jedoch kann bei ihm für existenzielle Bedrohung des Unternehmens sorgen.
Sowohl Kunden als auch Anbieter müssen sich daher in der konkreten Projektvergabe fragen, welche Vertragsform für beide Seiten die geeignete ist. Bei Interesse an echter Partnerschaft und wirklich längerfristiger Zusammenarbeit sollte dabei der Blick tatsächlich ein partnerschaftlicher sein, der das Wohl des Kunden oder Dienstleisters gleichermaßen im Auge behält.
Thomas Lünendonk ist Eigentümer des Dienstleistungs- und Marktforschungsunternehmens Lünendonk.