Schon vor dem offiziellen Verkaufsstart von Windows 7 am 22. Oktober hat das Zeitalter des neuen Microsoft-Betriebssystems begonnen. Die Software-Hersteller aus Redmond haben bereits die zur Veröffentlichung bestimmte Version (Release To Manufacturing, RTM) an große Firmen ausgeliefert, die Windows mit einer Volumen-Lizenz nutzen. Außerdem arbeiten schon heute Fachleute mit Windows 7, die zum Kreis der Technet-Mitglieder von Microsoft gehören.
"Windows 7 kommt einem vor wie ein Anti-Vista", urteilt Harry McCracken, der es für unsere US-Schwesterpublikation PC World getestet hat. Anders als sein Vorgänger versuche das neue System nicht, den Nutzer mit schillernden optischen Effekten zu blenden. Mit dem Wegfall von Funktionen wie der Photo-Galerie oder dem Movie Maker habe Windows 7 sogar weniger Funktionen als Vista.
Doch gerade die Schlichtheit mache viel vom Reiz des neuen Betriebssystems aus, schreibt McCracken. Anders als seine Vorgänger sei Windows 7 so angelegt, dass der Anwender sich wenig direkt damit befassen müsse und Raum habe, seine eigentlichen Aufgaben zu erledigen. Seit Windows 2000 sei er nicht mehr so begeistert von einem Microsoft-Betriebssystem gewesen, resümiert McCracken - nicht, ohne auch einige Schwachpunkte aufzuzählen.
Die Pluspunkte von Windows 7
Als eines der größten Mankos von Windows Vista sieht McCracken darin, dass die Aero-Oberfläche die Ressourcen vieler PCs überlastet habe - sogar die von Rechnern, die ausdrücklich als Vista-fit beschrieben wurden. Nach ersten Tests im Labor von PC World sieht es danach aus, als ob ähnliches mit Windows 7 nicht blühe. Das Betriebssystem scheint schlank genug, um auf allen derzeit erhältlichen Rechnern zu laufen, sogar auf Netbooks.
Einige Verbesserungen hat Microsoft in der Taskbar untergebracht, die sich seit Windows 95 nicht wesentlich verändert hatte. In Windows 7 zeigt sie in der Standard-Einstellung keine Textzeilen, sondern nur noch Programm-Symbole an, was weniger Platz auf dem Bildschirm überdeckt.
Jump Lists für Windows 7 - System Tray und Navigation Area erneuert
Neu sind die sogenannten Jump Lists. Über sie lassen sich auch Anwendungen bedienen, die vorher noch gar nicht geöffnet wurden. Man muss nur mit der rechten Maustaste auf das Programmsymbol klicken, damit sich ein Kontext-Menü mit verschiedenen Optionen öffnet. Zum Beispiel lässt sich über den Media Player Musik in zufälliger Reihenfolge abspielen, ohne dass man ihn vorher erst mit Doppelklick öffnen muss.
Wer Windows 7 nutzt, wird nicht mehr so oft mit Benachrichtigungen aus der Arbeit gerissen wie bei den Vorgänger-Systemen. Microsoft hat die sogenannte System Tray oder Notification Area erneuert. Wenn man neue Programme installiert, werden alle dazugehörigen Mini-Anwendungen erst einmal unter einem einzigen Symbol zusammengefasst, damit sie den Bereich rechts unten auf der Leiste nicht verstopfen und in einer Art Sprechblasen Benachrichtigungen anzeigen. Außerdem haben die Redmonder etwas gegen Störungen durch System-Meldungen unternommen. Die Nachrichten laufen im sogenannten Action Center auf, wo der Nutzer sie dann lesen kann, wenn er will.
Virtuelle Bibliotheken
Die Nutzerkonten-Steuerung (UAC) warnt nach Einschätzung von McCracken in Windows 7 endlich maßvoll vor potenziellen Gefahren wie Viren oder Malware. Es erscheinen weiterhin Warnungen, wenn ein Programm Einstellungen zu ändern versucht, aber nicht mehr in dem laut McCracken nervtötenden Ausmaß wie bei Windows Vista.
Die neuen Bibliotheken vereinfachen die Verwaltung von eigenen Bildern, Musikdateien oder Dokumenten. Statt alles unter "Eigene Dateien" zu speichern, kann der Anwender seine Dateien an verschiedenen Orten speichern und diese virtuellen Ordnern zuweisen, so dass er auf Wunsch alle Fotos in einer Übersicht findet.
Die Home-Groups von Windows 7 enttäuschen
Unausgegoren sind dagegen die sogenannten Home-Groups. Eigentlich findet McCracken die Idee gut: Die Anwendung soll die Dateiaustausch und die gemeinsame Nutzung von Medien auf den PCs in einem Netzwerk ermöglichen. Schlecht findet der Tester, dass der Nutzer ein vom System vorgegebenes Passwort aufschreiben muss, statt während der Einrichtung selbst eines wählen zu können. Außerdem funktioniert die Anwendung nur, wenn alle PCs am Netzwerk unter Windows 7 laufen.
Kritik erntet auch die Update-Funktion des Systems. Weiterhin ist es nach Updates manchmal notwendig, den Rechner herunterzufahren. Beim Wiedereinschalten muss der PC-Nutzer dann außerdem damit rechnen, dass das System einige Zeit braucht, um Updates zu installieren.
Wer von Windows XP direkt auf Windows 7 umsteigen will, dem blüht eine komplette Neu-Installation all seiner Anwendungen und persönlichen Einstellungen. McCracken räumt ein, dass das womöglich ohnehin sinnvoller sei, als das neue System auf einem bis zu acht Jahre alten Fundament zu installieren. Allerdings schrecke das sicher viele bisherige XP-Nutzer vom baldigen Umstieg auf Windows 7 ab.
Kompatibilität noch schwer einzuschätzen
Noch kein abschließendes Urteil fällen kann PC-Experte Harry McCracken, was mögliche Kompatibilitäts-Probleme mit älteren PCs angeht. Nicht einschätzen kann er darüber hinaus, ob Hardware-Hersteller die neue Funktion "Device Stage" annehmen werden. Peripherie-Geräte wie Drucker oder Kameras erhalten damit alle ihr eigenes, spezielles Informations-Center. Ob die Anbieter von solchen Geräten die Möglichkeit nutzen werden, das Informations-Feld auf ihre Produkte anzupassen, lässt sich noch nicht absehen.
Auch ob sich die Unterstützung des Multitouch-Input lohnt, muss sich erst zeigen. Windows 7 unterstützt als erste Version des Microsoft-Betriebssystems die Bedienung über das Touchpad mit mehreren Fingern. Wer statt mit der Maus mit dem Finger das Startmenü öffnet, erhält ein größeres Menü, in dem er nicht so punktgenau navigieren muss. Bisher sind allerdings nur wenige Rechner auf dem Markt, die diese Funktion unterstützen.
Migration auf Windows 7 nicht überstürzen
Wer auf das neue Betriebssystem aus Redmond umsteigt, wird nach Einschätzung von Harry McCracken in den seltensten Fällen enttäuscht sein. Allerdings rät der Tester von einem überstürzten Wechsel ab.
Auch wenn Windows 7 wahrscheinlich auf allen aktuellen Rechnern einsetzbar sei, werde es mit Sicherheit auf kommenden PCs noch besser laufen. Wer ohnehin in Bälde einen neuen Computer kaufen wolle, der solle die Zeit bis dahin getrost noch abwarten, empfiehlt McCracken.