Es wird wieder eingestellt. Viele Unternehmen in Deutschland blicken zuversichtlich in die wirtschaftliche Zukunft und werben um neue Mitarbeiter. Das ist eine gute Nachricht. Die Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter liegt bereits Anfang 2011 über dem Niveau vor Beginn der Krise. Als Folge daraus wird es inzwischen wieder schwerer, zur gewünschten Zeit die richtigen Mitarbeiter in ausreichender Zahl zu finden. Das ist keine gute Nachricht.
Wie gehen Unternehmen mit dieser Situation um, wenn die ehemals bewährten Methoden wie Zeitungsanzeigen oder sogar Online-Anzeigen nicht die gesuchten Profile liefern und Produktionsengpässe drohen oder wichtige Projekte verzögert werden? Mehr Anstrengung allein bedeutet bei den strukturellen Veränderungen in der Bewerberlandschaft keine Lösung.
IT wird Prozessbetreiber für Personalstrategie
Vieles deutet darauf hin, dass Unternehmen ihre Rekrutierungsstrategie und Personalplanung überdenken und neu ausrichten müssen. Attraktivität als Arbeitgeber, effiziente Rekrutierungsprozesse ohne digitale Brüche sowie eine Neubewertung der Kernkompetenzen im Personalbereichstehen dabei im Fokus. Die IT kann hier als Prozessbetreiber im Dialog wichtige Impulse geben.
In der Krise hat sich gezeigt, wie wichtig es für die Unternehmen ist, Flexibilitätsreserven aufzubauen. Dabei haben sich beispielsweise das Kurzarbeitergeld, Zeitarbeit sowie die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern als wichtige Flexibilisierungsinstrumente bewährt. In der IT wurden Projekte gestoppt und Konditionen mit externen Partnern neu verhandelt.
Auch hier sorgten die externen Partner für spürbar mehr Flexibilität. Für die meisten IT-Beratungs- und IT-Service-Unternehmen war es eine neue und schmerzhafte Erfahrung, selber Kurzarbeitergeld einsetzen zu müssen, um ihre Mitarbeiter halten zu können.
Neue On-demand-Modelle für den Personalbereich
Lange Zeit galten Outsourcing-Verträge als eher unflexibel. Heute hingegen ist die Flexibilität in modernen Prozess-Dienstleistungen und Service-Varianten mit On-Demand-Elementen sogar fest in das Modell der Zusammenarbeit integriert.
Die Bandbreite reicht hier von nutzungsabhängiger Abrechnung bei IT-Outsourcing-Verträgen bis hin zum Business Process Outsourcing (BPO), das in vielen Fällen transaktionsabhängig vergütet wird und dem Auftraggeber echtes "Ein- und Ausatmen" in der Nachfrage und bei den Kosten erlaubt. Für den Personalbereich ergeben sich damit neue Chancen, auch in Wachstumsphasen durch Prozess-Dienstleistungen mehr Flexibilität zu gewinnen.
Aktuelle Untersuchungen, etwa von Monster in Zusammenarbeit mit den Universitäten Bamberg und Frankfurt, zeigen, wie sehr sich beim Thema Human Resources die Gewichte in Richtung Internet verschoben haben: Mehr als 70 Prozent der Bewerbungen gehen elektronisch ein, der Anteil der elektronischen Formularbewerbungen über eigene Job-Portale oder Drittanbieter nimmt zu. In der Folge habe sich die Bearbeitungsgeschwindigkeit bei den Unternehmen erhöht. So weit so gut.
Noch weit entfernt von digitalen Rekrutierungs-Prozessen
Von durchgängig digitalen Rekrutierungsprozessen - einschließlich der Schritte nach dem Absenden der Bewerbung durch den Kandidaten wie formales Kriterien-Matching oder Online-Assessments - sind die meisten Unternehmen in der Praxis jedoch noch weit entfernt. Und angesichts des Fachkräftemangels wären viele mittelständische Unternehmen, die in strukturschwachen Gebieten oder im Schatten eines Regionskonzerns als ungewollte "Hidden Champions" händeringend neue Mitarbeiter suchen, froh über das Luxus-Problem, zu viele Bewerbungen bearbeiten zu müssen.
Während die einen also nach Wegen suchen, wie sie die oft zyklischen Bewerbermengen neben dem Tagesgeschäft bewältigen können, ohne dabei die strategischen Personalaufgaben wie die Entwicklung der Arbeitgebermarke oder die Fach- und Führungskräfte-Entwicklung zu vernachlässigen, geht es für die anderen darum, die Bewerber überhaupt auf das Unternehmen aufmerksam zu machen und zum Bewerbungsgespräch zu gewinnen.
Hier bewirbt sich das Unternehmen sprichwörtlich schon heute beim Bewerber. Das gelingt, wenn das Unternehmen wenig bekannt ist, oft durch direkte Ansprache - und das bindet Zeit. Wenn die Kandidaten erst einmal zum Bewerbungsgespräch gekommen und für die Stelle geeignet sind, das zeigen Gespräche mit Personalern in dieser Konstellation immer wieder, dann spielt der Sichtbarkeits- und Bekanntheitsnachteil meist keine Rolle mehr.
Stark diskutiert: Recruitment Process Outsourcing
Parallel zu dieser Entwicklung hat sich in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Dienstleistungen rund um die Mitarbeiter-Gewinnung entwickelt. Neue Dienstleister-Typologien positionieren sich am Markt als strategische Partner der Personalbereiche. Das sogenannte Recruitment Process Outsourcing (RPO) hat sich bei Personalverantwortlichen zu einem der am stärksten diskutierten und nachgefragten Themen entwickelt.
Dabei übernimmt ein externer Dienstleistungspartner Teile des Rekrutierungsprozesses von seinem Auftraggeber, beispielsweise das Stellenmarketing. Oder er steuert das Bewerbermanagement und führt zusätzliche Services wie Assessments - persönlich oder online - durch. Das Angebot an Services ist so vielfältig wie die Anbietertypologien, die bei den Kunden inzwischen miteinander im Wettbewerb stehen.
Anbieter wie Monster, Stepstone und TDS
Zu den verschiedenen Anbietertypologien zählen dabei neben den Job-Portal-Anbietern wie Monster oder Stepstone, die ihre Leistungskette in Richtung der Kundenprozesse verlängern, klassische HR-BPO-Anbieter wie die TDS HR Services and Solutions, die vor allem den Bewerbermanagement-Prozess einschließlich der Korrespondenz adressieren. Auch Personaldienstleister, bei denen Rekrutierung Kernkompetenz des Geschäftsmodells ist, positionieren sich hier.
In diesem Zusammenhang ist nicht die klassische Personalvermittlung gemeint. Dabei wird der rekrutierte Mitarbeiter gewissermaßen zur Vertragsunterschrift gesucht und geliefert - wenngleich das für Unternehmen mit Bekanntheitsdefizit eine attraktive Alternative zur Selbstansprache sein kann. Für diese Dienstleistung, bei Top Positionen als Executive Search bezeichnet, werden typischerweise Personalberatungen beauftragt.
Personaldienstleister wie Autovision und Kelly werden unterschätzt
Auch wenn Personaldienstleister in der Personalvermittlung viel leisten können, werden sie bis auf wenige Ausnahmen auf die Arbeitnehmerüberlassung reduziert und für andere Aufgaben schlicht nicht wahrgenommen. Dabei haben einige der großen Anbieter, die Tausende Mitarbeiter pro Jahr rekrutieren, ihr Leistungsportfolio erweitert und übernehmen nun für ihre Kunden zusätzliche Aufgaben im Rekrutierungsprozess.
Als Beispiel seien hierzulande die Volkswagen-Tochter Autovision genannt, deren Online-Rekrutierungsplattform Prozess-Module für Scan-Services oder auch Online-Assessments integriert und transparent in Kundenprozesse einbinden kann. Auch Kelly OCG, der Outsourcing-Arm von Kelly Services, ist in diesem Bereich tätig. Die Adecco-Gruppe positioniert in Deutschland das Tochterunternehmen Flexbasefür RPO-Services und sogenannte Workforce Management Solutions.
Große Unternehmen mit hohen Bewerberzahlen können sich mit derartigen Werkzeugen gezielt bei Massenbewerbungen entlasten, mittelgroße und kleinere Unternehmen profitieren durch großunternehmenstaugliche Prozesse und gewinnen Reichweite für die gezielte Ansprache von Bewerbern sowie Zeit für die tatsächliche Kandidatenauswahl - im Sinne des Rekrutierungsprozesses die wohl wichtigste Kernkompetenz.
Hartmut Lüerßen ist Partner bei der Lünendonk GmbH.
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