Der neue Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing schaltet nach drei Verlustjahren auf Angriff. "Mit Blick auf die Erträge müssen wir unsere Jägermentalität zurückgewinnen, uns in allen Geschäftsbereichen steigern und die Messlatte wieder höher legen", forderte Sewing in einer am Montag veröffentlichten Nachricht an die fast 100.000 Mitarbeiter des größten deutschen Geldhauses. "Unser Start in das Jahr war solide, aber "solide" darf nicht unser Anspruch sein."
Die Aufstellung der Investmentbank will der bisherige Chef des Privat- und Firmenkundengeschäfts genau unter die Lupe nehmen. "Zuletzt konnten wir in wichtigen Bereichen wieder Marktanteile hinzugewinnen. Wir wissen aber auch, dass wir uns hier hinsichtlich unserer Ertrags-, Kosten- und Kapitalstruktur weiter verändern müssen", erklärte Sewing, der am späten Sonntagabend mit sofortiger Wirkung zum Nachfolger des seit Sommer 2015 amtierenden Konzernchefs John Cryan bestimmt worden war. Zu Vizechefs wurden Rechtsvorstand Karl von Rohr und Kapitalmarktvorstand Garth Ritchie ernannt.
Sewing kündigte an, der Vorstand werde unter seiner Führung "harte Entscheidungen treffen und umsetzen". Das Führungsteam werde "nicht mehr akzeptieren", dass Kosten- und Ertragsziele verfehlt würden. "Die bereinigten Kosten dürfen dieses Jahr 23 Milliarden Euro nicht übersteigen. Das ist nicht verhandelbar", betonte der 47-Jährige. Die Bank müsse wieder schneller werden: "Wir werden deshalb unsere internen Prozesse daraufhin überprüfen, dass wir Bürokratie oder Doppelarbeiten beseitigen."
Neue Umsetzungskraft
Sewing verbrachte fast sein gesamtes Berufsleben bei der Deutschen Bank. Sein Weg führte ihn von einer Banklehre bis in den Vorstand des Instituts, dem er seit 2015 angehört, zuletzt als einer von zwei Vizechefs. Der Aufsichtsrat sei überzeugt, dass es Sewing und seinem Team gelingen werde, "die Deutsche Bank erfolgreich in eine neue Ära zu führen", hatte Aufsichtsratschef Paul Achleitner am Sonntagabend nach mehrstündigen Beratungen des Kontrollgremiums mitgeteilt. Der Aufsichtsrat sei nach einer umfassenden Analyse zu dem Schluss gekommen, "dass es nun eine neue Umsetzungskraft in der Führung unserer Bank braucht", erklärte Achleitner.
Vorgänger Cryan war im Sommer 2015 von Achleitner als Sanierer an der Konzernspitze installiert worden. Der Brite drückte beim Abbau teurer Rechtsstreitigkeiten aufs Tempo, brachte die Integration der Postbank und den Börsengang der Fondstochter DWS auf den Weg. Die Schwäche im Kapitalmarktgeschäft - dem einstigen Gewinnbringer der Bank - konnte in Cryans Amtszeit aber nicht überwunden werden. Drei Jahre in Folge schrieb die Bank rote Zahlen - dies allerdings auch wegen der Belastungen aus juristischen Streitigkeiten und der US-Steuerreform.
Cryan wollte CEO bleiben
Cryan, der einen Vertrag bis 2020 besaß, hatte sich noch kurz vor Ostern mit einer kämpferischen Botschaft an die Belegschaft gewandt und klargemacht, dass er bleiben will. Nun verlässt er die Bank Ende April.
Achleitner übte Kritik an Cryan. Es habe "bei der Geschwindigkeit, wie der Vorstand Entscheidungen trifft und deren Umsetzung durchsetzt", gehapert, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Dienstag). Achleitner machte sein Urteil unter anderem an der Entwicklung des Aktienkurses fest: Habe dieser vor einem Jahr noch bei 17 Euro gelegen, sei er vergangene Woche unter 11 Euro gerutscht.
Seine eigene Rolle verteidigte der Chefkontrolleur: "Die strategische und operative Verantwortung liegt beim Vorstand. Aufgabe des Aufsichtsrats ist es, zu beaufsichtigen und, ob die Strategie umgesetzt wird, Rat zu geben und gegebenenfalls personelle Konsequenzen zu ziehen. Und hier hat der Aufsichtsrat dem Vorstand und natürlich auch dem Vorsitzenden John Cryan frühzeitig die notwendigen Fragen gestellt", sagte Achleitner.
Sewing müsse nun "neue Akzente setzen, damit die Bank endlich zu profitablem Wachstum zurückfindet", sagte Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment. Das Kernproblem bleibe jedoch, befanden Analysten: Der Bank fehle ein wirklicher Gewinnbringer, auch Einschnitte im Investmentbanking führten nicht zwangsläufig zu höherer Profitabilität.
Ungeachtet der Aufbruchstimmung, die viele Marktakteure mit dem Chefwechsel verbinden, bleiben Analysten bezüglich einer Strategieänderung zunächst skeptisch. Anfangs noch mit mehr als viereinhalb Prozent im Plus, lagen die Aktien der Deutschen Bank zum Handelsende nur noch 1,16 Prozent im Plus. (dpa/rs)