Analysten-Kolumne

Neuer Schwung für Management- Beratungen

18.10.2006 von Tobias Ortwein
Strategie- und Prozessberater sind wieder gefragt. Wurde in den vergangenen Jahren aus Kostengründen kaum in diese Themen investiert, sind heute Management-Beratungsprojekte branchenübergreifend in nahezu allen großen Unternehmen wieder in vollem Gange. Beratungen suchen händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern und haben es gleichzeitig mit neuen Anforderungen und einem stärkeren Wettbewerb zu tun. Doch woher kommt die Trendwende und welche Themen treiben den Markt an?

Waren Unternehmen in den Jahren der wirtschaftlichen Krise hauptsächlich mit Projekten beschäftigt, die zur Kostensenkung sowie einem schnellen ROI führen sollten, stehen jetzt wieder Wachstums- und Geschäftsstrategien sowie Prozess- und Organisationsprojekte auf dem Plan. Unternehmen aller Branchen arbeiten daran, sich für die Zukunft "fit" zu machen und eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Prozesse, die es zu optimieren und besser miteinander zu verzahnen gilt. "Prozess-Effizienz" heißt hier das Zauberwort, das eine schnelle Reaktion auf sich ändernde Marktanforderungen mit sich bringen soll.

In der Tat wächst der weltweite Markt für Prozessberatung laut PAC bereits 2006 wieder um 8,5 Prozent, leicht hinter Strategieberatung mit 8,7 Prozent, jeweils mit steigender Tendenz. In Deutschland zeichnet sich ein ähnliches Bild ab, wobei hier die Prozessberatung leicht im Vorsprung liegt (8,6 Prozent versus 7,8 Prozent). Weniger dynamisch entwickelt sich dagegen der Bereich der klassischen Technologieberatung, der 2006 an die 6,9 Prozent (weltweit) bzw. 6,4 Prozent (Deutschland) erreicht, verglichen mit den Vorjahren jedoch auch beträchtlich zulegen konnte.

Zunehmender Wettbewerbsdruck infolge Globalisierung

Welche Themen treiben den Markt an? Strategie- und Prozessberatungsbedarf besteht in den verschiedensten Bereichen, angefangen von Customer Relationship Management über Supply Chain-Management bis hin zur Umsetzung neuer Compliance-Regeln wie Sarbanes-Oxley, Solvency II oder Basel II - und das querbeet über alle Branchen hinweg. Weiterer Bedarf ergibt sich aus M&A-Aktivitäten, strategischen Allianzen oder Buy-out-Transaktionen von Private-Equitiy-Unternehmen. All dies ist letztendlich als Resultat des zunehmenden Wettbewerbsdrucks infolge der Globalisierung zu sehen.

So herrscht zum Beispiel in der Telekommunikationsbranche große Nachfrage nach neuen Geschäfts- und Preismodellen, Organisationsstrukturen sowie Kunden- und Verkaufsstrategien, da die Marktkonsolidierung stetig steigt. Außerdem gehen Telekommunikationsunternehmen zunehmend Kooperationen mit Anbietern anderer Branchen ein (z.B. Handel, Medien) und bekommen Konkurrenz von neuen Marktteilnehmern (z.B. Mobile Virtual Network Operators/ MVNOs). Aber auch Branchen wie der Handel oder die Energieversorger, die durch wachsende Liberalisierung geprägt sind, die Finanzwelt mit ihren komplexen Prozessen und Systemen sowie der etwas verstaubte, schwerfällige öffentliche Sektor werden die Management-Beratungen in den nächsten Jahren gut beschäftigen.

Management-Beratung spielt jedoch nicht nur hierzulande, in Westeuropa und den USA eine Rolle, sondern gewinnt auch immer mehr in Wachstumsregionen wie Osteuropa, Asien oder Australien an Bedeutung. In Asien ist das eine Folge der zunehmenden Liberalisierung der Schlüsselindustrien sowie der schnellen Integration Chinas in die globale Wirtschaft. Für globale Beratungen bedeutet das, mit lokalen Anbietern zusammenzuarbeiten, um die sprachlichen, kulturellen und geschäftspolitischen Unterschiede zu kompensieren und Fuß fassen zu können. Die lokalen Beratungen versuchen gleichzeitig, sich zunehmend zu internationalisieren, um ihr Know-how zu erweitern und sich im globalen Markt zu positionieren.

Business und IT immer stärker verzahnt

Ein Blick auf den weltweiten Beratungsmarkt zeigt, dass der Wettbewerb nicht nur auf Anwenderseite, sondern auch auf Seiten der Anbieter zugenommen hat. Anforderungen und Bedingungen sind härter geworden. Da die Konzentration im Anbietermarkt stetig steigt, sinken die Margen und Marktanteile sowie die Differenzierungsmöglichkeiten. So müssen Beratungen ständig an sich arbeiten, ihre Kompetenzen erweitern, sich auf den modernsten technologischen Stand bringen und breites Erfahrungswissen sowie fundiertes Branchen-Know-how aufweisen, um langfristig überleben zu können. Gleichzeitig führen viele Anwenderunternehmen schärfere Auswahlverfahren ein. Budgets werden oft direkt an die tatsächlichen Ergebnisse gekoppelt und Aufträge fallen in der Regel kleiner aus oder werden aus Gründen der Risiko-Minimierung zwischen mehreren Beratungen aufgeteilt.

Allerdings haben Beratungen die schwierige Zeit der vergangenen Jahre für sich genutzt und sich bereits zum Großteil auf die neuen Marktanforderungen eingestellt. So präsentieren sie sich oft mit optimierten internen Strukturen, geschärften Profilen und Qualifikationen. Angesichts der sich verbessernden wirtschaftlichen Lage steigen mittlerweile auch die Tagessätze und Margen wieder, allerdings eher langsam.

In einer Analyse des weltweiten Marktes für Management-Consulting ermittelte PAC die Firmen IBM, Accenture, Booz Allen Hamilton, McKinsey und Deloitte Consulting als Top 5. Interessant ist, dass IBM die Mehrheit seines Beratungsumsatzes im Bereich Strategie, Prozesse und Organisation generiert, während der Bereich reiner Technologieberatung schwächer abschneidet. Booz Allen Hamilton und McKinsey sind relativ gleich aufgestellt und gelten als führend im Bereich Strategie-, Prozess- und Organisationsberatung, wobei klassische Strategieberater wie McKinsey wieder öfter dazu übergehen, Kompetenzen im Bereich Technologieberatung aufzubauen, da Business und IT immer stärker verzahnt sind. Deloitte Consulting kann zwischen den beiden Gruppen IBM/ Accenture sowie McKinsey/ Booz Allen Hamilton angesiedelt werden.

Der Bereich Strategie/ Prozesse/ Organisation umfasst einerseits die klassische Strategieberatung à la McKinsey sowie andererseits Prozess- und Organisationsberatung, sowohl mit Bezug zur IT (beispielsweise BPR, Prozessanpassungen bei einem SAP-Rollout), als auch ohne Bezug zur IT (z.B. Optimierung von operativen und organisatorischen Strukturen). Technologieberatung beinhaltet Beratung zu Themen wie IT-Strategie, IT-Architektur, IT-Sicherheit oder IT-Sourcing.

Langfristig erwartet PAC ein schnelleres Wachstum bei den großen Beratungen, die sich dadurch bessere Marktanteile sichern können. Ebenso haben Nischen-Player mit sehr spezialisierten Kompetenzen (z.B. in einem bestimmten Thema oder einer bestimmten Branche) langfristig sehr gute Karten. Der Mittelstand wird es dagegen künftig schwerer haben. Um nicht von den "kleinen Spezialisten" oder den "großen Allroundern" aus dem Rennen geworfen zu werden, wird sich dort eine zunehmende Konsolidierung vollziehen. Mittelständler können so ihr Service-Portfolio erweitern und damit leichter große Kunden gewinnen.

Tobias Ortwein ist zweiter Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Pierre Audoin Consultans (PAC).