Der Marktführer bei Virtualisierung wird wieder billiger – zumindest ein bisschen. Die mit vRAM Mitte 2011 vorgenommene Preissteigerung bei den Lizenzen wurde auf der VMworld in San Francisco zurückgenommen. Der gerade erst ernannte CEO Pat Gelsinger, der von EMC zu VMware wechselt, verkündete am 27. August den strategischen Schwenk bei den Lizenzen.
Die 22.000 Konferenzteilnehmer, in der Mehrzahl Kunden, honorierten seine Ankündigung mit starkem Beifall. Waren es doch vor allem sie gewesen, die bereits 2011 gegen die neue Lizenzregelung protestiert hatten. Noch im Herbst letzten Jahres kam ihnen VMware ein Stück entgegen und kappte die härtesten Auswirkungen. An der grundsätzlichen Ausrichtung des vRAM-Lizenzmodells hielt man jedoch fest: Kunden sollten nicht mehr per CPU zahlen, sondern je nach genutztem virtuellem Arbeitsspeicher. Und damit letztlich nach der Anzahl der virtuellen Maschinen (VMs), die auf einem physikalischen Server installiert sind.
vRAM ist tot: Bezahlen nach CPU
Die klaren Worte von Gelsinger – "vRAM ist tot, es wird nach der Anzahl der benutzten CPUs bezahlt" – haben allerdings einen kleinen Haken: Das CPU-Lizenzmodell gilt nur, wenn Kunden die komplette neue vCloud Suite erwerben. Sie erhalten dann den gesamten Satz der Cloud-Infrastruktur und der Management-Fähigkeiten: Virtualisierung, Software Defined Datacenter Services, richtlinen-basiertes Provisioning, Disaster Recovery, Applikations- und Operations-Management. Die Preise beginnen laut Hersteller bei 4995 US-Dollar pro Prozessor.
Kunden, die bereits die Enterprise-Plus-Edition der vCenter Operations Manager Suite besitzen, können bis zum Ende 2012 ein kostenloses Upgrade auf die vCloud Suite machen. Diese neue Suite ist vor allem für jene Unternehmen interessant, die ihre Virtualisierungsbemühungen in Richtung "Software-defined Data Center" ausdehnen wollen. VMware hat schon vor ein paar Monaten darüber gesprochen, dass man mehr als nur Server-Konsolidierung, vMotion oder Desktop-Virtualisierung anbieten will.
Die neue Vision heißt Virtualisierung aller Teilbereiche eines Rechenzentrums: neben Servern und PCs also Storage, Netzwerke, Security und Workload-Anforderungen. Die vCloud Suite soll die nötigen Bestandteile enthalten, um diese flexible Architektur eines "virtuellen Rechenzentrums" aufzubauen.
VMware will virtuelle Switches, Controller und Netzwerke bauen
Mit dem vor kurzem angekündigten Kauf des Startups Nicira will VMware zunächst den Netzwerkbereich virtualisieren. Nicira-Technologie wird bereits eingesetzt von AT&T, eBay, Rackspace, NTT, Fidelity und Google. Ähnlich wie schon bei Servern will VMware nun virtuelle Switches, Controller und Netzwerke bauen, die in Software abgebildet sind und sich von ihrer physikalischen Basis loslösen.
CEO Paul Maritz, der von VMware zu EMC auf den Posten eines Chief Strategy Manager wechselt, betonte, wie wichtig es für den ehrgeizigen Plan eines Virtual Data Center sei, über qualifizierte Ingenieure und Software-Entwickler zu verfügen. Von den etwa 100 Angestellten bei Nicira sind allein 70 Ingenieure und Entwickler. Die kleine Firma war VMware 1,26 Milliarden Dollar wert.
VMware-Mutter EMC hat übrigens erst im Mai das israelische Startup XtremeIO übernommen, das sich auf Speichergeräte spezialisiert hat, die sehr schnelle Flash-Bausteine für Memory-Operationen verwenden – wichtig für Analytics- und Big-Data-Anwendungen. Auch hier ging es nicht nur um Produkte, sondern um das damit verbundene grundsätzliche Know-how. Aber die Konkurrenz schläft mitnichten. So hat IBM Ende August angekündigt, Texas Memory Systems zu übernehmen, ebenfalls ein Spezialist für Flash-Memory.
Der Unterschied zwischen Gelsinger und Maritz
Auf der VMworld in San Francisco antwortete der neue Mann an der Spitze des Unternehmens auf die Frage eines Analysten, wodurch er sich von Maritz unterscheide: "Ich bin etwas mehr auf die Umsetzung von Ideen ausgerichtet." In der Tat ist er nicht nur rhetorisch brillanter als Maritz, sondern seit seiner Zeit als langjähriger Intel-Manager eilt ihm der Ruf voraus, Technologie marktreif zu machen. Bei Intel soll er es gewesen sein, der die Entwicklung des damals revolutionären Pentium-Prozessors vorangetrieben hat. Seine Berufung auf den CEO-Posten kann als Indikator dafür gelten, dass es der EMC-Tochter ernst ist mit der Virtualisierung des ganzen Rechenzentrums.
Mal sehen, was die Anwender draußen in der Welt dazu sagen.