Thomas Cook

Neues Buchungssystem für Spontanreisen

31.05.2006
Um für die Umbrüche auf dem weltweiten Touristikmarkt gerüstet zu sein, führt der Reisekonzern Thomas Cook mit „Globe“ ab Juni 2006 ein innovatives Veranstalterund Buchungssystem ein.Voraussetzung war eine komplett neue IT-Strategie.

Immer weniger Menschen gehen schon im Januar ins Reisebüro, um den dreiwöchigen Pauschalurlaub für August zu buchen. Stattdessen will die Kundschaft heute spontan verreisen und akzeptiert ungern unabänderliche Termine und Aufenthaltszeiten.„Nach Mallorca fliegen für drei Tage, dann einen Freund in Barcelona besuchen und schließlich den Urlaub auf den Balearen fortsetzen – auf deutlich mehr solcher Reisewünsche im Bausteinprinzip müssen wir uns in Zukunft einstellen“, so Reinhard Eschbach, CIO von Thomas Cook.

Sich individuelle Wünsche zu erfüllen fällt leicht, schließlich gibt es ja im Internet Reiseagenturen wie Expedia oder Opodo und die Seiten von Hotelanbietern und Fluglinien. Eine Reise lässt sich also konfigurieren wie das neue Auto. Das Produkt wird damit immer individueller, und aus Sicht der Anbieter anspruchsvoller.

Thomas Cook, zweitgrößter Reisekonzern Europas, muss sich wie alle anderen der veränderten Nachfrage und dem Konkurrenzdruck durch das Internet anpassen, um auch in Zukunft erfolgreich sein zu können. Doch dazu braucht es nachhaltige Veränderungen. „Unsere Prozesse sind bisher sehr stark an das klassische Pauschalgeschäft angepasst, bei dem ein Anbieter vor der Saison Pakete zusammenstellt und diese verkauft“, sagt Eschbach, „in Zukunft muss Thomas Cook aber auch zu einem Broker von verschiedenen Reiseangeboten werden.“ Um diesem Ziel näher zu kommen, arbeitet das Unternehmen derzeit an einem neuen Veranstaltersystem. „Globe“ soll es ermöglichen, jedes Reisepaket erst zum Zeitpunkt der entsprechenden Kundenanfrage zusammenzustellen und individuell zu bepreisen. Die Branche nennt dieses Verfahren Dynamic Packaging beziehungsweise Dynamic Pricing. Die Pakete können bei Bedarf sowohl aus eigenen Beständen (Flüge, Hotelbetten) als auch aus externen Elementen entstehen, die der Anbieter erst bei der Anfrage durch den Kunden bei Drittanbietern einkauft („Dynamic Sourcing“).

Natürlich stellen sich schon heute viele Thomas-Cook-Kunden ihre Reisen selber zusammen, doch viele Vorgänge innerhalb dieses Prozesses werden noch manuell abgewickelt. Ein Grund dafür ist, dass das Unternehmen mit unterschiedlichen Tour-Operator-Systemen arbeitet: Beim Pauschalgeschäft mit Mallorca ist ein anderes System zuständig als für die Fernreise mit individuellen Zwischenstopps. Für ein erfolgreiches Dynamic Packaging müssen aber beide Buchungssysteme verzahnt sein und automatisiert zusammenarbeiten.

Neue IT-Strategie als Basis

Der Aufwand, um die eigene IT diesen hohen Ansprüchen von Globe anzupassen, würde erheblich sein, das war schon zu Beginn der Planungsphase klar. Deshalb beschloss Thomas Cook Anfang 2005, eine komplett neue IT-Strategie zu erarbeiten. Im Mittelpunkt steht das Etablieren einer globalen IT-Governance. Das Regelwerk sollte einerseits für die nötige Flexibilität sorgen, um das regionale Geschäft IT-seitig schnell und adäquat zu unterstützen, und andererseits globale Transparenz und Synergien ermöglichen.

Alle notwendigen Entscheidungen werden jetzt vom neu geschaffenen IT-Governance-Board getroffen, das aus den Vorständen, den CEOs der Regionen und den CIOs der Einzelgesellschaften besteht.

„Durch diese Struktur können wir global zusammen Dinge schneller entwickeln, zugleich lassen wir aber auch den lokalen Märkten die nötige Flexibilität“, sagt CIO Eschbach. „Außerdem ermöglicht uns das Modell so straffes Kostenmanagement.“

Der Vorteil dieses Governance-Modells liegt nicht nur darin, dass mit der gestiegenen Budget- und Projekttransparenz ein straffes Kostenmanagement möglich wird. „Es ging uns vor allem darum, Geschäft und IT dauerhaft miteinander zu verzahnen“, erläutert Eschbach. Ohne diese Governance-Strukturen, da ist sich der CIO sicher, wäre der Aufbau des neuen Veranstaltersystems gar nicht möglich.

Modulare Architektur im Visier

Bevor die IT-Verantwortlichen bei Thomas Cook Globe konkret in Angriff nahmen, gaben sie im November 2005 eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, die auch dazu diente, den richtigen Softwareanbieter auszuwählen.Wer das sein wird, will CIO Eschbach übrigens noch nicht verraten, weil der endgültige Zuschlag bei Redaktionsschluss noch ausstand.

Festgelegt hat man sich in jedem Fall auf eine offene, modulare, service-orientierte Architektur. Weil das Vorhaben enorm komplex ist, der Migrationsaufwand riesig und die abzubildenden Geschäftsmodelle sehr unterschiedlich, schied eine monolithische Gesamtlösung von vornherein aus. Funktionieren soll das Ganze durch eine neue Systemlandschaft, die perfekt mit den bestehenden Applikationen und neuen Komponenten zusammenarbeitet. „Ziel ist es nicht, sich von allen Systemen zu trennen“, erläutert Eschbach, „sondern bewährte Anwendungen in die Gesamtlandschaft zu integrieren.“

Der Startschuss für Globe soll im kommenden Monat fallen, der CIO rechnet für die Umsetzung mit einer Gesamtdauer von etwa 36 Monaten. Und das liegt nicht an der hohen Komplexität, oder jedenfalls nicht nur. Eschbach: „Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen, um die zweimal jährlich stattfindende Katalogproduktion nicht zu behindern.“

Denn schließlich verkauft Thomas Cook mit Hilfe dieser Kataloge seine Reisen. Als Erstes ausgerollt wird Globe übrigens, so viel immerhin will das Unternehmen verraten, bei einer kleinen Konzerngesellschaft im Vereinigten Königreich.
Christoph Lixenfeld