"Das ändert alles. Wieder einmal", würde man vielleicht bei Apple sagen. Roel Vertegaal drückt es anders aus: "Das ist die Zukunft." Und tatsächlich dauert es noch ein paar Jahre, bis ihr iPhone-Konkurrent auf dem Markt landet, an dem Forscher um Vertegaal grade tüfteln. Aber einen Prototyp haben die Wissenschaftler aus Kanada jetzt auf der "ACM CHI Conference on Human Factors in Computing Systems" in Computing Systems vorgestellt.
"In fünf Jahren sieht alles so aus"
Sie nennen es "PaperPhone" oder auch "Snablet": ein Smartphone aus einer biegsamen Folie, die auf Bewegungen reagiert. Es ist im Human Media Lab an der Queen’s University in Ontario entstanden. Vertegaal ist dessen Direktor. "In fünf Jahren", sagt er, "wird alles so aussehen und sich alles so anfühlen" wie das PaperPhone. Er meint: "Wie ein kleines Blatt interaktives Papier." Hinten auf die Folie sind flexible Schaltkreise aufgedruckt. Vorne auf dem Display stellt es mit Hilfe von "E Ink" Apps und Schrift dar, ähnlich wie im E-Book-Reader Kindle.
Mit dem Retina-Display des iPhone 4 kann dieses Gerät allerdings nur schwer mithalten. Alles ist monochrom grau in grau - wie in den Zeiten, als nur Börsenmakler ihr Handy ständig am Ohr hatten. Mit der Armbinde, an der man es an den Arm schnallt, mutet es an wie ein Blutdruckmessgerät. Und mobil ist auch etwas anderes. Noch hängt das PaperPhone mit Kabeln an einem Laptop, der die Knicke und Quetscher der Folie zu Befehlen umrechnet.
Denn das ist der Clou des Ganzen: Das Paperphone reagiert auf die Form, zu der man es biegt, und stellt dementsprechend andere Apps zur Auswahl - ein bisschen wie beim Origami. Man wölbt es in der Handfläche, und es wird zu einem Telefon. Zum Auflegen lockert man den Griff wieder. Beim E-Book-Lesen blättert man vor und zurück, indem man die Ecke vor und zurück knickt. Mit einem Stift lässt sich zudem auf der Oberfläche zeichnen. Bindet man das PaperPhone um den Arm, dient es als Uhr und spielt Musik oder Filme ab.
Schon schweben den Wissenschaftlern fesche Designs dieser neuen Smartphone-Generation vor: "Ihre Biegsamkeit macht angenehm tragbare und modische Designs erst möglich", heißt es in ihrem Vortrag. Für den mobilen Einsatz eigne sich die Technik besonders gut, weil solche Geräte leicht und nur schwer zerbrechlich seien. Anders als ein iPhone, bei dem sich nach mehreren Stürzen gerne mal die Glasscheibe oder das Innenleben zerlegt hat. Außerdem würden sie nur wenig Energie verbrauchen. Das "PaperPhone" benötigt nur dann Strom, wenn man es gerade benützt.
User-Experimente für die intuitive Bedienung
Noch sei die Elektronik der zu zerbrechlich an manchen Stellen, um sie nach Lust und Laune zu verbiegen. Rechts sind aber Knicks bis 45 Grad möglich. Zehn Grad sind mindestens vonnöten, damit das "PaperPhone‘" darauf reagiert.
Um Apple in Sachen intuitive Bedienung die Schau zu stehlen, haben die Entwickler eine ganze Serie von Experimenten gestartet. Sie ließen Probanden mit der Folie hantieren und sich Handbewegungen für die wichtigsten Befehle ausdenken. Blättern, Zoomen und natürlich Telefonieren. Die Folie denkt nämlich mit und lässt sich auf bestimmte Verformungen programmieren. Die Knicks und Verbiegungen, die am häufigsten in der Studie vorkamen, landeten im Repertoire des Prototyps.