Web-Entwickler gehören zu den gefragtesten Fachkräften der IT-Branche. Allerdings haben sich die Anforderungen kräftig gewandelt: "Die Zeiten, da die Programmierung eines Internet-Auftritts quick and dirty erledigt wurde, sind endgültig vorbei", sagt Kai Guschal, Teamleiter und Senior Interface Designer bei der doubleSlash Net-Business GmbH in Friedrichshafen. "Heute werden beispielsweise komplexe Geschäftsprozesse im Marketing mit Web-Technologie automatisiert. Da sind hohe Performanz und Ausfallsicherheit gefordert. Intransparenter Code voller Hacks und Workarounds kann dieser Anforderung nicht genügen."
Software ist kein Selbstzweck
Internet-Projekte sind wie die meisten Software-Entwicklungsvorhaben in erster Linie dazu da, Geschäftsprozesse effizient und zuverlässig abzuwickeln. Jedes Entwicklungsteam muss daher drei Leistungsbereiche abdecken: Technologie, Consulting und Projekt-Management. Internet-Entwickler, egal ob sie direkt von der Hochschule kommen oder aus einem berufsbegleitenden Fortbildungskurs, sollten Fähigkeiten am besten in allen drei Bereichen mitbringen, empfiehlt Guschal: "Im Tagesgeschäft lassen sich viele Aufgaben in einem Projekt nicht einem einzigen Tätigkeitsbereich zuordnen. Überspitzt formuliert: Ein Programmierer ist nie ,nur` ein Programmierer."
Dennoch besteht in einem gut geführten Team immer die Möglichkeit für die einzelnen Mitarbeiter, sich in bestimmten Bereichen zu spezialisieren. Künftige Bewerber sollten in ihrer Ausbildung darauf achten, entsprechend ihren Neigungen und Fähigkeiten spezielle Zusatzqualifikationen wie etwa Gesprächsführungstechniken oder Projekt-Management-Methoden zu erwerben. Praktiker wie Teamleiter Guschal empfehlen Bewerbern, sich immer an den konkreten Anforderungen in Internet-Projekten zu orientieren.
Klare Kommunikation ist alles
Geht es beispielsweise darum, Marketing-Abläufe eines Unternehmens mit Internet-Technologie zu automatisieren, müssen die Entwickler zunächst die bestehenden Abläufe verstehen. Der Erfolg eines Internet-Projekts steht und fällt mit der offenen und ehrlichen Kommunikation zwischen dem Auftraggeber und dem Entwicklungsteam. Im technischen Bereich sollte ein guter Web-Entwickler fit sein im Umgang mit BasisWeb-Technologien wie HTML, XML, Javascript und CSS und die wichtigsten Eigenheiten der gängigen Browser kennen. Guschal rät: "Wer sich viel mit Java beschäftigt, hat auf das richtige Pferd gesetzt."
Qualitätsorientiert und kreativ arbeiten
Erschwert wird die Arbeit des Internet-Programmierers durch den meist hohen Zeitdruck, denn die Projektlaufzeiten werden immer kürzer. Auf der anderen Seite können selbst kleine Fehler große Folgen haben. "Das verlangt nach einer durchgängigen Qualitätssicherung im gesamten Projekt, beginnend mit der Definition der Anforderungen", betont Guschal. "So werden die Teams gedrängt, vor Abnahme selbst gut zu testen. Vor jedem Release gibt es dann ein Gateway, bei dem die Qualität intern noch einmal gesichert wird - durch einen Nicht-Entwickler. Dann erst erfolgt die Abnahme durch den Kunden, und danach wird es schließlich installiert." Insgesamt macht die Qualitätssicherung etwa 25 bis 30 Prozent der Entwicklungszeit aus.
Mit Scrum-Methoden in die agile Zukunft
Immer mehr Entwicklungsteams von Internet-Projekten entscheiden sich für den Einsatz von Scrum. Auch bei doubleSlash laufen 60 Prozent der Projekte nach agilen Methoden. Angesichts der Notwendigkeit, neue Lösungen im Internet immer schneller verfügbar zu machen, wird dieser Trend in den kommenden Jahren anhalten, und eine Beschäftigung mit agilen Methoden dürfte keinem Entwickler schaden.
Die derzeit wohl wichtigste Entwicklung ist für Guschal jedoch die Einbindung unterschiedlicher Endgeräte in die Internet-Plattformen von Unternehmen nach dem Prinzip Machine to Machine (M2M): "Egal, ob es um Smartphones, Connected Cars, Verkaufsautomaten, Küchengeräte oder Serviceterminals aller Art geht: IT-Profis müssen eine Affinität zu diesen neuen Phänomenen haben und die Komplexität von Zusammenhängen verstehen, um sie in kleine, lösbare Aufgaben zu zerlegen und daraus flexible, skalierbare Lösungen zu entwickeln."
Uwe Küll ist freier Journalist in München.