Digitale Revolution

Newton was so damn right

16.12.2022 von Francesco Gerweck  IDG ExpertenNetzwerk
Ein Gedankenexperiment: Im Jahr 1687 erschien Isaac Newtons Werk Philosophiae Naturalis Principia Mathematica. Damit beschrieb er schon damals die Naturgesetze der Digitalen (R)Evolution.
Newtons Wiegekugeln fassen sehr illustrativ die drei Newtonschen Gesetze zusammen, welche sich auch in erstaunlicher Präzision im Rahmen der Digitalen (R)Evolution und den einhergehenden Veränderungen anwenden lassen.
Foto: Dotted Yeti - shutterstock.com

Bei näherer Beschäftigung mit den Newtonschen Gesetzen fällt auf, dass diese nicht nur in der physikalischen oder mathematischen Welt Anwendung finden, sondern in erstaunlicher Präzision auch im Rahmen der Digitalen Evolution und den einhergehenden Veränderungen. Steigen wir also ein in Newtons Welt:

1. Newtonsches Gesetz: Trägheitsgesetz

Definition: Jeder Körper behält seine Geschwindigkeit nach Betrag und Richtung so lange bei, wie er nicht durch äußere Kräfte gezwungen wird, seinen Bewegungszustand zu ändern.

Projektion auf die Digitale (R)Evolution: Jedes Unternehmen, jeder Bereich, jede Abteilung, jedes Team und jeder Mensch unterliegen diesem Trägheitsgesetz. Wir würden wahrscheinlich im Bett liegen bleiben, gäbe es keine externen Reize wie beispielsweise die eigenen Kinder, der Spaß an der Arbeit oder einfach nur persönliche Hobbies, die uns zum Aufstehen motivieren. Und selbst wenn wir in Bewegung sind, wirken wiederum externe Kräfte auf uns ein, die uns über kurz oder lang entschleunigen, wenn nicht gar zum Stillstand bringen wie beispielsweise Stress, Müdigkeit, Antriebslosigkeit - bis hin zum Burnout. Im Rahmen der Digitalen Evolution gilt es also gemäß dem ersten Newtonsches Gesetz, Anreize zu schaffen. Zum einen grundlegende, damit die Menschen "ins Rollen kommen", zum anderen jedoch auch kontinuierlicher Natur, damit die Menschen "im Flow bleiben".

Jedoch ist gemäß Newton nicht nur der Impuls ausschlaggebend, sondern auch die Richtung des Impulses. Für Führungskräfte ist das eine enorme Herausforderung. Sie müssen grundsätzliche Themen wie die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit, konkrete Fragen nach Wertschätzung und Mitgestaltungsmöglichkeiten der Mitarbeiter, sowie die zukunftsgerichtete Ausrichtung in einer VUCA-Welt ohne Leitplanken und doppelten Boden verantworten. Eine echte Mammutaufgabe im Zuge der Digitalen (R)Evolution.

Abgeleitetes Gesetz: Setze dir ambitionierte Ziele, fokussiere dich darauf und bleib am Ball.

2. Newtonsches Gesetz: Aktionsgesetz

Definition: Kraft = Masse * Beschleunigung

Projektion auf die Digitale (R)Evolution: Innovation lässt sich nicht auf Knopfdruck oder per Ansage realisieren. Es bedarf einer sehr spezifischen Konstellation aus den richtigen Mindsets, der richtigen Arbeitsumgebung, den richtigen Fragestellern sowie der relevanten Expertise. Im übertragenen Sinne würde sich die Innovationskraft aus der Multiplikation aus der Masse (wie schwer sind die kulturellen und persönlichen Lasten und Widerstände) und der Beschleunigung (wie stark kann der Impuls gesetzt werden) beschreiben. Im Umkehrschluss bedeutet dies, je starrer und verkrusteter Strukturen und persönliche Einstellungen sind, desto stärker müssen der Innovationsimpuls bzw. die Innovationsbeschleunigung sein.

Abgeleitetes Gesetz: Kenne deine Kultur und setze die richtigen Impulse zur richtigen Zeit und verstärke diese kontinuierlich.

3. Newtonsches Gesetz: Reaktionsgesetz

Definition: Wirkt ein Körper A auf einen Körper B mit der Kraft F, so wirkt der Körper B auf den Körper A mit einer gleich großen Kraft. Die Richtungen der beiden Kräfte sind jedoch entgegengesetzt.

Projektion auf die Digitale (R)Evolution: Häufig erleben wir Diskussionen und Diskurse innerhalb von Veränderungsprozessen, die zwar am selben Thema argumentieren, aber auf unterschiedlichen Wellenlängen. Das häufig beobachtete Phänomen ist analog dem dritten Newtonsches Gesetz; nämlich die Fronten verhärten sich und die Argumente des einen, sind die Abwertung des anderen - und umgekehrt.

An diesem konkreten Beispiel wird klar, wie wichtig Empathie auf der operativen Ebene und das Gespür der Führungskraft auf taktischer Ebene tatsächlich sind. Ohne Empathievermögen lassen sich Konflikte selten auf Augenhöhe austragen und je emotionaler und existenzieller das Thema ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit. Führungskräfte benötigen dieses Gespür, Konflikte zu erkennen, auch wenn sie nur zwischen den Zeilen stattfinden. Sie sollten in der Lage sein, menschennah zu einer Lösung beizutragen, indem sie die Vermittlerrolle annehmen und dafür sorgen, dass sich die Kräfte, während sie gegenläufig sind, nicht potenzieren

Abgeleitetes Gesetz: Baue emotionale Beziehungen auf und interessiere dich für die Menschen und nicht nur für deren Output.

Vielleicht hilft dieses Gedankenexperiment dabei, die mittlerweile völlig aus den Fugen geratene Arbeitswelt, den Automatisierungswahn und die zukünftigen Möglichkeiten und Chancen ein Stück weit auf gesunden, nämlich logisch, rationalen Boden zu stellen. Eben nicht mehr jedem und allem hinterherzuhächeln, der alten Themen neue Begrifflichkeiten (meist fancy Buzzwords) gibt, um am Ende selbst daran finanziell zu partizipieren. (bw)