EINE FABRIK, in der Autos gefertigt werden, ist nicht gerade die gesündeste Umgebung für einen Computer. Am Standort Rastatt, wo Daimler-Chrysler die Mercedes-AKlasse baut, stehen gleich 70 Stück. Um den Arbeitern einen kurzen Weg zum Firmenportal zu ermöglichen, stellte die IT-Abteilung auch in den Produktionshallen Zugangsgeräte auf. Anstelle von PCs beschlossen die Verantwortlichen, Thin Clients anzuschaffen. Drei Kriterien sprachen dafür: Zum einen die Kosten. Sowohl die Anschaffung als auch der Betrieb der Rechner sind günstig im Vergleich zu herkömmlichen PCs. „Fast noch wichtiger war allerdings der Umstand, dass die Geräte wesentlich sicherer und einfacher zu bedienen sind“, sagt Oliver Schäfer, IT-Projektleiter am Standort. Nicht zuletzt überzeugte auch die unkomplizierte Möglichkeit, Mitteilungen oder Formulare sicher und problemlos auszudrucken.
Die Sicherheit der Thin Clients hat zwei Seiten. Die Hardware ist äußerst robust, denn es gibt keine mechanischen Bauteile wie Festplatte, Diskettenlaufwerke oder Lüfter. Nicht einmal ein externes Netzteil haben die in Rastatt laufenden Geräte des Bremer Anbieters Igel Technology. Darüber hinaus muss sich vor Ort niemand den Kopf über Viren, Würmer oder Softwareprobleme zerbrechen. Den Fabrikarbeitern steht lediglich ein Browser zur Verfügung, über den sie sich im Mitarbeiter-Portal anmelden. Ungeliebte Software-Downloads, das Aufspielen mitgebrachter Programme oder eigenmächtige Konfigurationen sind schon gar nicht erst möglich.
Das Konzept des serverbasierten Computing war in den vergangenen Jahren durch PCs und die Client-Server- Architektur verdrängt worden. Mit einer neuen Generation von Frontrechnern wollen die Hersteller nun das verlorene Terrain zurückerobern. „Die heutige Technologie ist eine Verbindung dessen, was uns die PC-Welt gebracht hat, mit den Vorzügen aus der alten Welt der Host-Rechner“, erläutert die Marketing-Chefin von Wyse Technology in Deutschland, Ulrike Walther.
Niedrige Total Cost of Ownership
„Die Thin Clients sind eine großartige Lösung für eine ganze Palette von Aufgaben“, bestätigt Bob O’Donnell, Director für den Bereich Personal Technology beim Marktforschungshaus IDC. „Sie bieten mehr Sicherheit, Zuverlässigkeit und niedrigere Total Cost of Ownership (TCO) als der PC.“
Mit einem Anteil von gerade mal einem Prozent am globalen Business-Desktop-Markt bewegt sich die Thin-Client-Industrie jedoch nicht gerade im Blickfeld der Kundschaft. Weltweit, so die Schätzungen von IDC, wurden 2004 rund 1,62 Millionen Geräte verkauft, in Westeuropa gingen zirka 635000 über den Ladentisch. Zum Vergleich: Der PC-Markt wird in diesem Jahr um rund 14 Prozent auf 176,5 Millionen Rechner steigen. Für Global Player wie IBM, Dell oder HP, die darauf angewiesen sind, Masse zu verkaufen, lohnt es sich schlichtweg noch nicht, Vertriebs- oder Marketingressourcen für Thin Clients zur Verfügung zu stellen. „Auch wenn im direkten Vergleich die Marge höher liegt als bei den PCs“, erklärt Markus Hoffmann, verantwortlich für den Bereich Thin Clients und Workstations bei HP Deutschland. „Durch die hohen Stückzahlen ist das PC-Geschäft nach wie vor rentabler.“
Ganz vernachlässigen will man das Segment dennoch nicht. Während IDC vorhersagt, dass sich der Anstieg im PC-Geschäft mit einem Plus von gut acht Prozent im kommenden Jahr wieder verlangsamen wird, soll die Nachfrage nach Thin Clients 2005 um knapp 22 Prozent zulegen. Das richtig große Geschäft, so schätzen Anbieter, wird sich aber erst ab einem Marktanteil von sieben bis acht Prozent einstellen. „Dann dürfte es für die Branche zu einem weiteren Schub kommen“, rechnet Walther.
Viel Platz für Spezialisten
Bis dahin beackern vor allem die Spezialisten das Feld. Laut IDC steht der privat gehaltene US-Hersteller Wyse Technology sowohl global als auch in Westeuropa an der Spitze. Weltweit spielen Neoware und HP, in Westeuropa außerdem Fujitsu-Siemens sowie Igel Technology in der oberen Liga mit.
Die vornehme Zurückhaltung der Kunden hängt indes nicht nur mit dem kleinen Markt zusammen. Auch der Aufwand, der mit dem Kauf von Thin Clients verbunden ist, stellt ein Hindernis dar. Einen PC kennt jeder CIO und jeder Administrator - Thin Clients und die damit verbundene zentralisierte Architektur hingegen nicht. Hier ist ein ordentliches Stück Beratungsund Überzeugungsarbeit nötig. Das setzt entsprechendes Fach-Know-how des Verkäufers ebenso voraus wie ein offenes Ohr beim Kunden.
Angst vor einem begrenzten Anwendungsspektrum, Inkompatibilität oder ungenügende Leistung sind die wesentlichen Vorbehalte im Markt. Ein Erbe aus den Anfangszeiten des Host-Computing, als die Fähigkeiten der Terminals tatsächlich ziemlich begrenzt waren. Auf den neuen Geräten, so die Schätzungen der Industrie, laufen jedoch rund 80 Prozent der in Unternehmen benötigten Anwendungen – ob auf Windowsoder Linux-Basis, ob mit modernen Lösungen oder Legacy- Systemen. Ausnahmen bilden mobile Lösungen sowie Spezial-Applikationen wie Grafik-, Video- oder Konstruktionssoftware, doch auch hier bemühen sich schon einige Hersteller, die Lücke zu schließen.
Nichts für das Prestige des Mitarbeiters
Am leichtesten fällt CIOs der Umstieg, wenn ihr Unternehmen mit einem hohen Anteil standardisierter Anwendungen arbeitet. Daher finden sich Thin Clients bislang vor allem in Versicherungen, Banken oder Behörden. Die Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen beispielsweise setzt insgesamt 15000 Thin Clients ein. Dabei eignen sich die Kleinen durchaus für heterogene Anwendungsumgebungen.
Gerade die zentrale Administration und Steuerung, die eine einfache Zuteilung nach Anwendergruppen oder eine regionale Zuordnung erlaubt, bringt die Kosten- und Sicherheitsvorteile der Architektur zum Tragen. „Für den Support einer PC-Infrastruktur benötigt man Betreuer für Server sowie für einzelne Desktops“, so HP-Mann Markus Hoffmann. Letzteres entfällt bei den Thin Clients ebenso wie der Schutz jedes einzelnen Rechners. Abgesichert wird nur der Server. Eine Faustformel, mit der die Anbieter hausieren gehen, lautet: „Man braucht zehn Mann für den Betrieb von 4000 PCs, aber einen Mann für 4000 Thin Clients“.
Auf wenig Gegenliebe treffen die Rechner beim Endanwender. Ein leistungsstarker PC ist ein Prestigeobjekt. Hier ist die Phantasie der CIOs gefragt. Ein Konzern etwa machte die ungeliebte Anschaffung der Dünnen mit teuren Flachbildschirmen wett. In einem anderen Unternehmen ließ man sich auf einen Kompromiss ein und stellte pro Arbeitsgruppe noch einen Extra-PC zur Verfügung (das Gerät wurde nach einigen Monaten wegen Nichtnutzung wieder abgeschafft). Denkbar ist auch, die ganze Abteilung zu belohnen, indem sie von den Einsparungen im IT-Bereich profitieren und ihr Budget erhöhen kann.
Für die Analysten ist die Sache klar: Sie raten CIOs, sich ernsthaft mit dieser Desktop-Alternative auseinander zu setzen. Die genannten Vorbehalte hält IDC-Mann Bob O’Donnell für vorgeschoben, dahinter verberge sich mehr Unwissenheit denn handfeste Argumente. „Es handelt sich um einen dieser Fälle, wo die Realität nicht unbedingt der Logik folgt“, kommentiert er den fehlenden Zuspruch. Auch sein Gartner- Kollege Edward Younker sieht keine Alternative: „Um Anwendungen effektiver zu managen sowie die Kosten für Betrieb, Wartung und Support der Rechner zu deckeln, müssen Unternehmen die serverbasierte Architektur auf jeden Fall in Betracht ziehen.“