Beim Schweizerischen Pharma-Konzern Novartis gehört E-Learning zum Weiterbildungsalltag. Beat Meyer, verantwortlich für die Einführung neuer Lernformen in der Führungsausbildung, hat beispielsweise das Novartis Financial Training Program entwickelt: eine Kombination aus Online- und Präsenzphasen. "Auf Initiative unseres Vorstands sollten die Manager aller Bereiche mehr über die finanziellen Zusammenhänge unseres Geschäfts erfahren", erklärt Meyer. Als ersten Schritt arbeiten die Führungskräfte dabei das Online-Lernmodul Finance Lite durch. Das Standardprogramm war zuvor für die Pharma-Branche angepasst worden. "Wir haben dieses Programm ausgewählt, weil es für den Laien nicht abschreckend wirkt und mit einfacher Sprache unterhaltsam Zusammenhänge erklärt."
Anschließend treffen die Manager für dreieinhalb Tage in der Harvard Business School zusammen. Der Professor behandelt nicht nur weiterführende Inhalte und Novartis-spezifische Fallstudien, sondern setzt auch Computersimulationen ein. In Gruppenarbeit wenden die Manager das neue Wissen an; der Hochschullehrer übernimmt die Rolle des Beraters. Nach vier bis sechs Wochen treffen die Teilnehmer ihren Professor erneut - allerdings nur in einem Virtual Classroom; als technische Basis dient die Plattform des E-Learning-Anbieters Centra. Hier tauschen sie Erfahrungen aus, erhalten Hilfe, um das Gelernte am Arbeitsplatz anwenden zu können. Rund 350 Manager haben das Programm bisher absolviert. Meyer sieht als Gründe für den Erfolg der Schulung die exakt abgestimmten Inhalte und vor allem die Kombination von Lernmethoden - "The right mix is magic", wie der Mann aus der Arzneimittelherstellung sagt.
Damit liegt Meyer im Trend. Wie der Novartis-Partner Centra haben sich inzwischen viele Schulungsanbieter die Mischung klassischer und technologiegestützter Lernformen auf die Fahnen geschrieben. Denn in den letzten Jahren verliefen viele E-Learning-Projekte enttäuschend. Oft waren die Initiatoren allzu naiv ans Werk gegangen. Der Versuch, Präsenzschulungen durch Lern-CDs oder den Hinweis auf eine neue Lernsequenz im Intranet zu ersetzen, ist fehlgeschlagen. Die Ursachen: Oft investierten Firmen zu viel Geld in technische Plattformen, sodass für den Inhalt zu wenig übrig blieb - geschweige denn für ein durchdachtes didaktisches Konzept. Zweitens dienen Präsenzschulungen nicht allein dem Wissenstransfer; die Mitarbeiter schätzen den sozialen Kontakt und nehmen Seminare als Anerkennung wahr. Zudem macht das gemeinsame Lernen im Klassenraum mehr Spaß und ist motivierender als das einsame Pauken vor dem Monitor. Heute will kaum noch jemand Anwesenheitsschulungen komplett abschaffen. Die Idee ist nicht mehr E-Learning statt Präsenzseminar, sondern die intelligente Verbindung beider Lernformen. Der Cocktail aus Präsenz- und Selbstlernphasen, Virtual Classrooms, Tele-Tutorials, CBTs (Computer Based Training) und WBTs (Web Based Training) heißt Blended Learning oder auch "hybrides Lernen" und verbessert Wissenstransfer und Akzeptanz. Dabei dienen, wie bei Novartis, oft Lern-CDs oder Web-gestützte Selbstlernprogramme dazu, das gemeinsame Fachniveau zu heben und so - der Traum jedes Trainers - homogene Lerngruppen zu schaffen: Das folgende Präsenzseminar vermittelt dann effektiver weiterführende Inhalte.
IBM: von 10 auf 43 Prozent E-Learning
Das gilt nicht nur für die technische Seite. Entscheidend für E-Learning-Projekte ist, dass sie die unternehmensspezifische Personalentwicklung unterstützen, zur IT-Landschaft passen und nicht zuletzt zur Unternehmenskultur. Eine vom Göttinger E-Learning-Anbieter Unicmind in Auftrag gegebene Studie der privaten Fachhochschule Göttingen zeigt, dass heute fast alle deutschen Großunternehmen E-Learning zumindest in Teilbereichen einsetzen. Eine in der Unternehmensstrategie fixierte Aussage zum E-Learning findet sich allerdings nur bei jedem vierten Befragten. Bei den 108 ausgewerteten Antworten - die Fachhochschule hat die 350 größten deutschen Unternehmen befragt - sind die häufigsten Lerninhalte Office-Lösungen und Sprachen. UnicmindVorstand Hans-Christian Riekhof sieht noch ungenutzte Möglichkeiten: "Das Gros der Unternehmen setzt zugekauften Standard-Content ein; das strategische Potenzial von firmenspezifischem Content wird meist übersehen."
Lernen just in time
Ob firmenspezifisches Know-how oder Standardinhalte: Der Bedarf an technologiegestütztem Lernen wird steigen. Globalisierung und Komplexität der Geschäftsprozesse fordern mehr Wissen aller Beteiligten - Wissen, das dezentral verfügbar sein muss und immer schneller veraltet. Herkömmliche Lernformen, so glauben nicht nur die E-Learning-Befürworter, werden den Anforderungen des lebenslangen Just-in-Time-Lernens nicht mehr gerecht. Zwar sind die allzu optimistischen Prognosen der letzten Jahre inzwischen revidiert; gingen Analysten vor ein paar Jahren noch von mittleren Zuwächsen von mehr als 30 Prozent aus, liegen die heutigen Schätzungen deutlich niedriger. Dennoch gilt E-Learning als Zukunftsmarkt mit Zuwachsraten, die mit prognostizierten knapp zehn Prozent für die nächsten Jahre über denen der Gesamt-IT-Investitionen liegen dürften. Meta-Group-Consultant Matthias Zacher, der zurzeit an einer Studie über den deutschen E-Learning-Markt arbeitet, sieht angesichts schmaler Budgets einen Trend zu kleineren Projekten. Nicht mehr Gesamtlösungen würden bevorzugt in Angriff genommen, sondern Module in abgegrenzten Bereichen.