Unter dem akademisch anmutenden Titel "Big Data im Handel – Chancen und Herausforderungen" haben die Marktforscher von Lünendonk ihre Einschätzungen zu der neuen Analytics- oder BI-Welle veröffentlicht. Business Intelligence (BI) ist eigentlich nichts Neues in der Welt der Business-IT, und gerade im Handel, der beständig alle wesentlichen Marktbewegungen beobachten und strategisch auswerten muss, sind vielfältige Werkzeuge – klassische Datenbanken, CRM-Informationen (Customer Relation Management), Data Warehouses und BI-Varianten – seit Jahren im Einsatz.
Dass jetzt neben dem Gesundheitsbereich vor allem Retail-Themen die wieder aufgeflammte Debatte um BI – heute unter dem modischen Etikett "Big Data" – bestimmen, ist nur konsequent angesichts der historischen Entwicklung. Bei Lünendonk geht man davon aus, dass aktuell eine Menge neuer Geräte und technischer Methoden die Anzahl der verwertbaren Daten und ihre digitalen Erfassung kontinuierlich weiter anschwellen lässt.
Die neuen Datenströme aus bargeldlosen Zahlungssystemen, RFID-Chips, aus der Bezahlung mit mobilen Endgeräten oder aus sozialen Netzwerken und Apps würden den Handelsunternehmen "bisher ungeahnte Möglichkeiten, aber auch große Herausforderungen bei der Datenspeicherung und -analyse" stellen. Chancen und Herausforderungen will man bei Lünendonk aufzeigen, wobei der zweite Aspekt bei den rein marketingmäßigen großen Zukunftsentwürfen von Herstellerseite in der Regel zu kurz kommt.
Big Data und Data Analytics müssen sich noch beweisen
Mario Zillmann, Leiter Professional Services bei Lünendonk, betont: "Vor allem der Handel als Branche mit einem enorm hohen Datenaufkommen kann aus der Verarbeitung von Big Data entscheidende Wettbewerbsvorteile ziehen. So lassen sich sowohl ein besseres Einkaufserlebnis für die Kunden als auch die Optimierung der Logistikketten und Geschäftsprozesse bewirken." Optimierung unterstellt natürlich, dass auch schon bisher an diesen Zielen gearbeitet wurde. Insofern müssen die jetzt angepriesenen alternativen Werkzeuge von "Big Data" und "Data Analytics" erst noch in der Praxis beweisen, dass sie dazu wirklich in der Lage sind.
Für Lünendonk ist die "Technologie bereit für Big Data", allerdings seien es die Unternehmen noch nicht. Ihre IT sei zum einen in traditioneller Weise in Siloform aufgestellt, was die gemeinsame und schnelle Nutzung von gespeicherten Daten verhindere. Sie erst einzeln und zeitaufwändig in ein gemeinsames "Data Warehouse" zu kippen, sei für die aktuellen Anforderungen nicht mehr ausreichend.
Externe Daten haben hohen Stellenwert
Einen hohen Stellenwert hätten in diesem Prozess externe Daten, um Informationen über Anbieter, Interessenten und Kunden einzuholen. Bei Lünendonk ist man der Ansicht, dass eine Zusammenarbeit der einzelnen Bereiche mit ihren spezifischen Informationen "nur mit einer durchgängigen Datenstrategie und -struktur garantiert werden kann".
Unter diesem Aspekt lassen sich das Internet und Cloud-Anwendungen gut in neue Analysetechniken einbauen. Im World Wide Web sind auch seriöse Daten relativ problemlos erreichbar, und Cloud- und On-Demand-Lösungen können in Kooperation von Geschäftspartnern genutzt werden. Über das Internet stehen darüber hinaus diverse Möglichkeiten (neben Amazon zum Beispiel auch in den "City Clouds" von IBM und seinen Partnern) zur Verfügung, für begrenzte Zeiträume externe Rechnerkapazität flexibel anzumieten. Big-Data-Lösungen lassen sich auf diese Weise gut skalieren, falls es in Peakzeiten wie zum Beispiel in der Weihnachtssaison erforderlich wird.
Zuständigkeiten ungeklärt
So schön alles in der Theorie klingt, im Arbeitsalltag fehlen aber vielfach noch die organisatorischen Voraussetzungen. So meint der Lünendonk-Partner SAS, dass bei vielen Handelsunternehmen das Thema "Big Data" "noch in den Kinderschuhen" stecke. "Oftmals ist intern nicht geregelt, in welchen Zuständigkeitsbereich die Informationsaufbereitung fällt, die einheitlich für das ganze Unternehmen funktionieren muss", sagt in diesem Zusammenhang Wolf Lichtenstein, Vice President der DACH-Region bei SAS.
Um einen bleibenden Mehrwert zu schaffen, müssten sowohl Finanz- und Markt- als auch Kunden- und Prozessdaten gesammelt und miteinander verknüpft werden. Ohne eine ernst gemeinte Kooperation der unterschiedlichen Fachbereiche werde es nichts mit "Big Data". Technik allein ist eben nicht alles.