Carsten Stockmann schiebt bei der erst 1997 gegründeten MLP Bank keine IT-Altlasten vor sich her. Und dass sie gar nicht erst entstehen: Darauf achtet der Bankvorstand und Geschäftsführer der IT-Tochter MLP Login GmbH in Personalunion in den anderen Bereichen des Konzerns peinlichst genau, nämlich in der Finanzdienstleistung (Vertrieb), der Lebens- und der Sachversicherung.
„Standards, Standards, Standards“ lautet das Credo des 35-Jährigen. „Wir müssen nicht das Rad noch einmal neu erfinden. Für die Finanzbuchhaltung nutzen wir natürlich SAP.“ Nur wenn es keine geeigneten Anwendungen auf dem Markt zu kaufen gibt, lässt Stockmann selbst entwickeln – und bei Programmen, mit denen sich das Unternehmen vom Wettbewerb differenzieren muss, wie etwa dem MLP Financepilot, dem Online Finanz-Angebot von MLP. Die Rahmenbedingungen: 50 bis 80 Millionen Euro jährlich und 160 Mitarbeiter stehen dem CIO zur Verfügung.
Standards sind natürlich auch die Voraussetzung für das Outsourcing, das MLP intensiv betreibt. Fast jeder zweite Euro des IT-Budgets geht an externe Dienstleister. „Ohne Standards wäre ein Anbieterwechsel viel schwieriger. Man darf sich nicht in Abhängigkeiten begeben“, sagt Stockmann. HP betreibt einen Großteil der Rechenzentren für die Heidelberger, dazu das Desktop-Management und den Helpdesk. Die strategischen Banksysteme werden seit 2002 von der Fiducia sowie der dwp-Bank betrieben. „Das können die besser“, sagt Stockmann. Man dürfe nur nicht den Fehler machen, eigene Bereiche wieder aufzubauen, die sich tief in die technische Arbeit des Dienstleisters einmischen. „Deswegen haben wir Preismodelle bei denen die Kosten nach Geschäftsprozessen berechnet werden, wie etwa der Zahl der Konten oder der E-Mail-Accounts“, erklärt der CIO. „Über Technologien müssen wir nicht diskutieren.“
Dezentralität der einzelnen Geschäftsbereiche wird bei MLP in der IT groß geschrieben. „Sie finden kaum jemanden, der sowohl Experte in Banken- als auch in Versicherungs-IT ist“, sagt Stockmann. Zweimal im Monat trifft sich der CIO mit den Verantwortlichen der anderen Sparten. Der hauseigene IT-Dienstleister MLP Login mit 26 Experten dient ausschließlich MLP als IT-Kompetenzzentrum und setzt die Einkaufsmacht des Konzerns um.
Den Mitarbeitern im Außendienst will Stockmann das Leben so einfach wie möglich machen. „Das Notebook des MLP-Beraters ist wie das Dienstauto des Handelsvertreters“, zieht er einen Vergleich. „Und das sollte bei uns natürlich möglichst ein Mercedes und kein Lada sein“. Deswegen steht die Integration der strategischen Anwendungssysteme von MLP, dem MLP Finanzmanagement (Beratung), dem MLP Brokerpilot (Maklersystem) und dem MLP Financepilot (Online-Portal) oben auf der Prioritätenliste der Projekte in 2005.
Die Vielzahl unterschiedlicher Logins hat Stockmann bereits reduziert und damit die Benutzerfreundlichkeit erhöht. „Früher musste der MLP-Berater sich knapp zehn Logins für die Arbeit mit den zahlreichen Anwendungen merken, heute sind es nur noch drei“, sagt Stockmann. Von überall her, wo es Internet gibt, könne sich der MLP-Berater einwählen und genauso arbeiten wie im Büro. „Es ist dabei völlig egal, ob es ein normaler Internetanschluss, W-LAN oder über UMTS ist“, erläutert der CIO.
MLP will sich in Zukunft neu ausrichten. Das bleibt auch für die IT nicht ohne Folgen. Der neue Vorstandsvorsitzende Uwe Schroeder-Wildberg will sich auf das Kerngeschäft konzentrieren und die Töchter MLP Lebensversicherung AG und MLP Versicherung AG möglichst bald verkaufen.
Doch neue Rahmenbedingungen bei der Altersvorsorge seit 1. Januar dieses Jahres und neue Angebote wie die Rürup-Rente zwingen auch so zu Veränderungen der Anwendungen. „Die bald geltende EU-Vermittlerrichtlinie stellt neue Anforderungen in der Dokumentation an uns“, sagt Stockmann.
2004 wurde die MLP AG beim Wettbewerb der CIO-Schwesterzeitung „Computerwoche“ als „Anwender des Jahres“ in der Kategorie Großunternehmen ausgezeichnet. Das Unternehmen hatte von Mitte 2002 bis Ende 2003 seine Firmen-IT-Infrastruktur „auf komplett neue Füße gestellt“ (Stockmann). MLP vereinheitlichte innerhalb von 15 Monaten seine über 300 europäischen Niederlassungen mit einer durchgängigen Anwendungsplattform, reduzierte die Server von 320 auf 140 und stellte gleichzeitig auf Linux um.
Open Source steht Stockmann generell sehr aufgeschlossen gegenüber. „Linux unterstützt uns bei unserem Bemühen nach Standards und es gewährleistet einen sehr stabilen Betrieb. Wir haben insgesamt sehr gute Erfahrungen damit gemacht“, sagt der IT-Manager.