Der japanische Renault-Partner Nissan ist wegen der Corona-Pandemie erstmals seit elf Jahren in die Verlustzone gerutscht und will unter anderem sein Fertigungswerk in Barcelona schließen. Wie der vom Skandal um den angeklagten Ex-Chef Carlos Ghosn erschütterte Konzern am Donnerstag bekanntgab, fiel zum Bilanzstichtag am 31. März ein heftiger Verlust von 671,2 Milliarden Yen (5,7 Mrd Euro) an. Im Vorjahr hatte der Konzern noch einen Gewinn von 319,1 Milliarden Yen eingefahren.
Die globalen jährlichen Produktionskapazitäten sollen im Rahmen eines bis März 2024 laufenden "Transformationsplans" um 20 Prozent auf 5,4 Millionen Autos gesenkt werden. Nissan wollte wegen der Pandemie vorerst keine Prognose für das laufende Geschäftsjahr abgeben. "Die Zukunft ist weiterhin unklar", erklärte Nissan-Chef Makoto Uchida.
Die Produktion in Europa werde sich künftig auf das britische Werk in Sunderland konzentrieren, hieß es. Einzelheiten zu der angekündigten Werksschließung in Barcelona wollte Uchida nicht nennen, man müsse jetzt mit den Gewerkschaften und der spanischen Regierung sprechen. In Barcelona kam es zu Protesten von Nissan-Arbeitern. Im Fernsehen waren brennende Reifen und Möbel vor dem Autowerk zu sehen. Arbeiter blockierten auch eine Autobahn. Man werde "bis zum Ende kämpfen", zitierte die Zeitung "La Vangardia" einen der Arbeiter.
Heftige Kritik auf der Arbeitnehmerseite
Die Produktion stand schon seit Anfang Mai wegen eines Streiks für die Fortführung des Werks weitgehend still. Die Generalsekretärin der Gewerkschaft USOC, Maria Recuero, warf Nissan vor, die während der Corona-Krise bestehenden wirtschaftlichen Probleme und Einschränkungen der Protestmöglichkeiten auszunutzen, um "eine Entscheidung mit katastrophalen Folgen in ohnehin für den Arbeitsmarkt schon schweren Zeiten zu verkünden". Die Schließung sei "unverantwortlich". Ähnliche Stimmen kamen aus der Politik. Neben den 3.000 Arbeitsplätzen bei Nissan hängen nach Angaben des spanischen Fernsehens rund weitere 20.000 Arbeitsplätze von dem Werk ab.
Nissan will sich auf seine Kernstärken konzentrieren. Priorität habe nachhaltiges Wachstum und Profitabilität. So will Nissan die Modelle reduzieren und sich fortan auf bestimmte Regionen, namentlich Japan, China und USA konzentrieren. Die Produktion in Indonesien soll nach Thailand verlegt werden. Zudem zieht sich Nissan aus Südkorea zurück.
Damit verabschiedet sich Nissan endgültig von der Strategie des einst gefeierten und tief gestürzten Ex-Bosses Ghosn, der auf hohe Absatzzahlen abzielte. "Wir werden unsere Fehler der Vergangenheit zugeben und uns korrigieren, um auf den richtigen Pfad zu kommen", so Uchida, der sechs Monate auf die Hälfte seines Gehaltes verzichtet.
Der Skandal um Ghosn hatte der Marke Nissan schweren Schaden zugefügt. Ghosn hatte einst Nissan vor der nahen Pleite gerettet und die Allianz aus Renault, Nissan und Mitsubishi geschmiedet. Doch dann stürzte er das Bündnis in eine schwere Krise - denn der einst allmächtige Automanager wurde Ende 2018 in Japan unter anderem wegen Vorwürfen, er habe gegen Börsenauflagen verstoßen, festgenommen. Ghosn flüchtete später unter dubiosen Umständen in den Libanon.
Nissan versucht seither, sein Image aufzupolieren. Doch dann folgte die Corona-Pandemie. Nissans globale Produktion brach im April um 62,4 Prozent ein, der Absatz um 41,6 Prozent. Der Umsatz sank im abgelaufenen Geschäftsjahr um 14,6 Prozent auf 9,88 Billionen Yen.
Am Vortag hatte auch die Allianz aus Nissan, Renault und Mitsubishi Motors einen Wechsel ihrer Strategie bekanntgegeben. Rentabilität und milliardenschwere Kostensenkungen stehen nun im Vordergrund. Mit einer besseren Zusammenarbeit könnten Kosten für neue Automodelle um bis zu 40 Prozent sinken. Die neue Strategie zieht Führungsrollen der jeweiligen Partner für Fahrzeugklassen, Technologien und Regionen vor. So soll Nissan für selbstfahrende Fahrzeuge verantwortlich sein. (dpa/rs)