Der Authentifizierungsdienst von Microsoft, Passport, sollte die Grundlage von My Services bilden. Als "Single-Sign-On"-System erlaubt es Passport den Benutzern, sich einmal anzumelden, um daraufhin jede Menge Online-Angebote ohne weitere lästige Logins zu nutzen. My Services sollte daran anknüpfen und Business-Komfortfunktionen wie Adressbuch, Terminkalender, E-Mail, Dokumentenspeicherplatz oder elektronisches Portemonnaie zur Verfügung stellen. Unabhängig vom Gerät und vom Aufenthaltsort hätten Anwender Zugriff auf die eigenen Daten erhalten.
Für Microsoft hätte sich My Services als Goldesel erwiesen. Auf einer zentralen, von Microsoft unterhaltenen Datenbank hätten die Redmonder Kundendaten en masse gesammelt. Den Unternehmen wären dann Adressbuch, Kalender und andere Dienste als Web Service im Rahmen von .Net verkauft worden, damit deren Kunden auf ihre eigenen Daten zugreifen können.
Ende letzter Woche vermeldete die New York Times das Aus für das ambitionierte Projekt. Microsoft widersprach bislang nicht.
Ausschlaggebend für die Einstellung von My Services waren nicht die Bedenken der Datenschützer, die schon ihr Tschernobyl heraufziehen sahen. Vielmehr stieß Microsoft bei den Unternehmen, denen My Services angedient worden war, auf äußerste Zurückhaltung. Kaum eine Firma schickte ihre Programmierer auf die von Microsoft angebotenen Seminare zur Entwicklung von My Services. Und die New York Times zitierte einen Microsoft-Berater, der von sehr heftigem Widerstand auf Seiten der Kunden gegenüber My Services sprach.
Die ablehnende Haltung darf durchaus im Zusammenhang mit Microsofts Ankündigung gesehen werden, die Entwicklung von .Net zurück zu stellen, um vorrangig Sicherheitsfragen zu lösen. Der Konzern kämpft mit dem Ruf, eher lax mit sicherheitstechnischen Aspekten umzugehen. Der Zweifel, ob ausgerechnet Microsoft eine umfassende zentrale Datenbank wirkungsvoll würde absichern können, dürfte jedoch durch andere Punkte noch überlagert worden sein.
Niemand mochte den Hebel umlegen, mit dem Microsoft das Tor zur Dienstleistungssparte öffnen wollte. So hegte American Express Befürchtungen, bei entsprechenden Angeboten durch Microsofts Präsenz als Zwischenhändler an den Rand gedrängt zu werden. Zuletzt mochte das Unternehmen sogar von seinem ursprünglichen Interesse an My Services nichts mehr wissen.
Außerdem hätte jedes beteiligte Unternehmen dem Software-Riesen nicht nur einen umfassenden Einblick in die eigene Kundenstruktur eingeräumt. Zugleich hätte Microsoft die Möglichkeit erhalten, detaillierte Kundenprofile zum eigenen Nutzen zu erstellen - entsprechende Passagen enthielten die AGB zu Passport bereits. Die Vorstellung, die eigenen sensitiven Daten nicht mehr allein kontrollieren zu können, dürfte abschreckend genug gewesen sein.
Wie es mit My Services weitergeht, ist noch unklar. Vorstellbar scheint, dass es als normales Software-Paket den Unternehmen im Rahmen von .Net angeboten wird. Damit schraubte Microsoft seine Ambitionen auf den Funkionsumfang zurück, den die Konkurrenz, allen voran Sun Microsystems mit Sun One, bereits anbietet.