Enthüllungen von Edward Snowden

NSA spionierte Chinas Führer und Konzerne aus

23.03.2014
Über Jahre und im großen Stil soll der US-Geheimdienst China ausgeforscht haben. Staatsführung, Ministerien und Unternehmen wurden nach Berichten infiltriert. Die Enthüllungen kommen genau vor einem Treffen der Staatschefs beider Länder.

Kurz vor einem Treffen zwischen US-Präsident Barack Obama und seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping sind NSA-Spionageoperationen gegen China enthüllt worden. Der US-Geheimdienst NSA (National Security Agency) forschte über Jahre systematisch chinesische Ministerien, Banken und Firmen aus, wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtete. Sogar der ehemalige Staatspräsident Hu Jintao soll abgehört worden sein.

Zu den Zielen zählten das Außen- und das Handelsministerium in Peking, der Zoll sowie Telekommunikationsunternehmen, schreibt das Magazin (Montagsausgabe). Das gehe aus Unterlagen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden hervor, die man habe einsehen können. Auch die "New York Times" berichtete unter Berufung auf Dokumente von Snowden über die Spionageaktivitäten gegen den chinesischen Telekommunikationsriesen Huawei.

Das Thema könnte das Treffen von Obama und Xi am Montag am Rande des Atomgipfels in Den Haag überschatten. Beim Besuch von Xi in Kalifornien vergangenen Juni waren ebenfalls kurz zuvor Berichte von Snowden über die Arbeit der US-Geheimdienste veröffentlicht worden.

Für Cheng Xiaohe von der Pekinger Volksuniversität legen die Berichte eine Doppelmoral der USA offen. "Washington verliert seine moralische Überheblichkeit", sagte der außenpolitische Experte der Nachrichtenagentur dpa. Bislang hätten die USA über Jahre hinweg China als Hauptverantwortlichen für internationale Spionage und Hackerangriffe dargestellt. Die Enthüllungen brächten jedoch Washington selbst in Erklärungsnot.

Besonderen Aufwand betrieb die NSA nach Angaben des "Spiegel" für eine Operation gegen Huawei, den zweitgrößten Netzwerkausstatter der Welt. Einer Spezialeinheit sei es gelungen, an rund 100 Stellen das Computernetzwerk von Huawei zu infiltrieren und interne Dokumente zu kopieren. Zudem habe die NSA sich Zugang verschafft zum geheimen Quellcode einzelner Produkte. Dieser Softwarecode gilt als Allerheiligstes von Computerunternehmen.

Der "New York Times" zufolge lief die Huawei-Operation unter dem Codenamen "Shotgiant". Eines der Ziele sei es gewesen, Verbindungen zwischen dem Telekommunikationsriesen und der chinesischen Volksbefreiungsarmee zu finden. Darüber hinaus habe sich die NSA die technologischen Erkenntnisse zunutze machen wollen, um bei Verkäufen von Huawei-Ausrüstung in andere Länder deren Computer- und Telefonnetzwerke ausspähen zu können.

Huawei reagierte mit scharfer Kritik auf die Enthüllungen. "Wenn die Berichte stimmen, verurteilt Huawei solche Aktionen, die in unser internes Netzwerk eindringen und es aushorchen", sagte Firmen-Sprecher Scott Sykes am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa in Peking. Noch im Januar hatte die Firma Berichte über einen Einbruch in das Firmensystem als grundlos zurückgewiesen.

Nach den jüngsten Enthüllungen räumte Firmen-Sprecher Sykes ein: "Firmennetzwerke werden konstant aus verschiedenen Quellen angegriffen - das ist der Status Quo im heutigen digitalen Zeitalter." Er äußerte sich jedoch nicht dazu, ob Sicherheitskräfte bei Huawei Belege für einen Einbruch von Hackern aus den USA gefunden haben.

Die NSA erklärte in einer Email, der Geheimdienst nutze seine Fähigkeiten nicht, um Betriebsgeheimnisse ausländischer Unternehmen zugunsten von US-Firmen zu stehlen. Die nachrichtendienstliche Aufklärung diene ausschließlich der Sicherheit der USA. Die Enthüllung von NSA-Praktiken schade der Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Alliierten. Unter anderem war im Vorjahr bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst das Handy von Kanzlerin Angela Merkel ins Visier genommen hatte.

Der frühere NSA-Chef Michael Hayden hat bei den Deutschen wegen der Auswirkungen der Spionage-Affäre um Entschuldigung gebeten - nicht aber wegen der Abhöraktionen selbst. "Ich gestehe, dass wir Amerikaner nicht nur die Auswirkungen auf die Kanzlerin, sondern auch auf die deutsche Bevölkerung unterschätzt haben", sagte Hayden dem "Spiegel". Er sei zwar nicht zu einer Entschuldigung wegen der nachrichtendienstlichen Beobachtung bereit. "Aber ich bin bereit, mich dafür zu entschuldigen, dass wir einen guten Freund schlecht haben aussehen lassen", sagte Hayden. "Wir konnten es nicht geheim halten und haben damit einen Freund in eine sehr schwierige Lage gebracht. Schande über uns, das ist unser Fehler." Hayden war von 1999 bis 2005 Direktor der NSA. (dpa/rs)