IT-Outsourcing vor dem Ende

Nur Cloud-Provider werden überleben

06.09.2010 von Stephanie Overby und Thomas Pelkmann
In den kommenden fünf Jahre, unkt Analyst Arjun Sethi von A.T. Kearney im Interview mit CIO.com, wird die Outsourcing-Industrie, wie wir sie heute kennen, ausgestorben sein. Die Zukunft liege in der Cloud. HP, Accenture und Xerox seien bedroht. Google, Amazon und IBM werden dominieren. Auch SAP und Microsoft sollen zu den Gewinnern gehören.

CIO.com: Sie sagen den Tod des traditionellen IT-Outsourcings voraus. Das ist eine gewagte Behauptung.

Arjun Sethi: Aber sie stimmt: Wir stehen kurz vor einem massiven Umbruch in der Outsourcing-Industrie. Wir glauben, dass Outsourcing-Dienstleister demnächst standardisierte Software mit einer Pay-per-use-Bezahlung anbieten werden. Dafür werden sie Business Process Outsourcing-Services (BPO) mit Cloud-basierten Technologien kombinieren. Kunden können darüber ihre kompletten Business-Prozesse auslagern und müssen anschließend nur noch für die Informationen bezahlen, die sie tatsächlich verwenden.

CIO.com: Aber investieren nicht die meisten der traditionellen Anbieter längst in Cloud-basierte Dienste?

Sethi: Wir beobachten in der Tat in den vergangenen 24 Monaten, dass eine ganze Reihe von Unternehmen daran arbeitet. Sie investieren in Hardware, Konnektivität, Standardsoftware, die auf verteilte Hardware-Plattformen oder Cloud-Systemen betrieben werden kann, und in neue Service-Kapazitäten. Damit bereiten sie die Revolution der BPO- und ITO-Märkte vor.

CIO.com: Sie behaupten, Outsourcing-Anbieter wie HP, Accenture und Xerox seien dabei in höchster Gefahr.

Sethi: Alle drei Anbieter haben die Zeichen der Zeit mindestens gelesen. Sie haben Investitionen getätigt, aber es gibt viel mehr zu tun. Sie müssen aus den vielen Millionen Dollars, die sie in Übernahmen gesteckt haben, nun echten Mehrwert herausholen. Wir bezeichnen diese Unternehmen in diesem Zusammenhang als "Zaungucker".

Google, Amazon und IBM werden dominieren

CIO.com: Ihrer Vorhersage zufolge werden Unternehmen wie Google, Amazon und IBM den IT-Service-Markt bis 2015 dominieren. Müssen diese Firmen sich nicht auch ändern, um die Anforderungen ihrer Kunden erfüllen zu können?

Sethi: Absolut, auch Amazon und Google müssen sich weiterentwickeln. Auch sie müssen sich entscheiden, wo sie ihre Investitionen platzieren. Wird zum Beispiel Google sich auf den Markt der Unternehmens-Services konzentrieren oder eher auf seine Android-Smartphones?

Amazon hat bereits namhafte Kunden, die mit den Cloud-Angeboten arbeiten. Wenn Google und Amazon das in den Ring werfen, was sie schon haben - riesige Rechenzentren, ihre Erfahrung in der Skalierung von Kapazitäten, ihr Wissen mit One-to-many-Plattformen - dann werden sie zu den eindeutigen Gewinnern der kommenden Jahre gehören. Und was ihnen noch an konkretem Know-how fehlt, können sie leicht über Akquisitionen reinholen.

Für Amazon und Google spricht auch ihre große Bekanntheit. Und wenn es dann um die Entscheidung geht, welchen Cloud Provider man nehmen möchte, fallen einem diese Unternehmen als erstes ein.

CIO.com: Es gibt nach wie vor Vorbehalte gegen die Auslagerung unternehmenskritischer Daten und Anwendungen in die Cloud. Ihre Vorhersagen sagen, dass sich das schnell ändern wird.

Sethi: Unsere Erfahrungen mit Kunden zeigen ein deutliches Interesse am Cloud Computing. Zudem gibt es klare Belege dafür, dass der Markt für Cloud Computing in den kommenden Jahren auf 50 Milliarden US-Dollar anwachsen wird. UBS Investment Research geht davon aus, dass für Amazon-artige Webservices schon in diesem Jahr fünf bis sechs Millarden US-Dollar ausgegeben werden. Bis 2014 wird das auf 15 bis 20 Milliarden steigen.

IT-Dienstleister-Übernahmen zeigen Kundenwünsche an

CIO.com: Sie fordern, dass, wer überleben will, das volle Programm von IT-Kapazitäten braucht, um Services on demand anbieten zu können. Im Moment behaupten zahlreiche Analysten, dass die Kunden sich von Single-sourced IT Outsourcing-Deals eher weg und hin zu Best-of-Breed-Anbietern bewegen. Wie erklären Sie diese Diskrepanz?

Sethi: Noch hat die Geschichte kein Urteil darüber gefällt, was das nachhaltigste Modell sein wird. Wir glauben, dass die gegenwärtige Dynamik in der Dienstleister-Landschaft - zum Beispiel die Übernahme von ACCS durch Xerox, von Perot durch Dell oder von EDS durch HP, oder Googles Partnerschaft mit CSC und Amazons Liebelei mit Capgemini - eine Vorstellung davon vermittelt, was die Kunden haben möchten.

SAP und Microsoft können den Sprung schaffen

CIO.com: Sie sagen voraus, dass Microsoft und SAP ebenfalls zu den Gewinnern in der neuen Welt des Outsourcings gehören könnten. Das sind aber keine Namen, die einem spontan beim Stichwort Outsourcing einfallen würden.

Sethi: Aber es ist möglich, bedarf jedoch größerer Änderungen im Genmaterial dieser Unternehmen. Microsoft zum Beispiel muss sein bisheriges Erfolgsmodell aufgeben. Jetzt verkauft das Unternehmen noch Millionen von Lizenzen für Software, die auf irgendwelchen Rechnern installiert ist. Künftig wird es ein Modell geben müssen, bei dem solche Lizenzen nur noch virtuell vertrieben werden.

Ein möglicher Erfolg von Microsoft und SAP hängt auch davon ab, mit welchem Tempo sie dort nachrüsten, wo es im Moment fehlt: bei Netzwerk-Diensten, in der Infrastruktur und im Cloud Computing. Aber wenn solche Organisationen erst einmal kapiert haben, wie ein effizientes Business-Modell funktioniert, können sie zu den Gewinnern gehören.

CIO.com: Wie reagieren Anbieter, Analysten und Berater auf Ihre mutigen Vorhersagen?

Sethi: Das wissen wir noch nicht. Aber wir glauben, dass das Ängste und Befürchtungen hervorrufen wird. Andererseits hoffen wir aber auch auf erleichtertes Aufseufzen, weil wir das bestätigen, was andere aber noch nicht alle schon wissen.

Übersetzung: Thomas Pelkmann