Die Bescherung ist vorbei, der Weihnachtsbaum strahlt, die Kinder spielen mit den Geschenken, Oma sitzt zufrieden auf dem Sofa und trinkt Punsch. Und Mama und Papa haben ihre Smartphones in der Hand - nur mal schnell die Mails checken, ob der Chef noch was geschrieben hat. Viele Arbeitnehmer haben das Gefühl, auch während der Feiertage erreichbar sein zu müssen. Dabei warnen Experten: Für die Erholung ist das Gift.
Fast ein Drittel der Beschäftigten mit Bürotätigkeiten ist auch während der Feiertage und zwischen den Jahren erreichbar, wie eine Umfrage von YouGov im Auftrag des Technologieunternehmens Slack ergeben hat. 31 Prozent der mehr als 2.000 Befragten, äußerten sich entsprechend. Die Gründe dafür sind vielfältig: So heißt es von den Betroffenen, die Kunden erwarteten die Erreichbarkeit, es gebe wichtige Projekte, oder der Chef wolle es so. Ein großer Teil der Befragten sagt allerdings auch, aus eigenem Antrieb erreichbar zu sein.
Doch die ständige Erreichbarkeit hat negative Folgen. Jeder zweite Befragte gab an, nur schlecht abschalten zu können. "Wirklich abzuschalten, ist unglaublich wichtig für die Erholung", sagt Hannah Schade vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund. Es sei wichtig, dabei nicht dauernd unterbrochen zu werden, sondern den Erholungszyklus komplett abzuschließen.
Die Erholung schlage sich dann auch entsprechend in Gesundheit, Zufriedenheit und Arbeitsengagement der Arbeitnehmer nieder. "Wenn man aber am Abend oder den Feiertagen dauernd noch horcht, ob das Chefsignal am Handy klingelt, dann staut sich auf Dauer ein Erholungsdefizit an", warnt sie.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht das ähnlich. "Es ist davon auszugehen, dass auch dieses Jahr unterm Weihnachtsbaum für viele Beschäftigte das Diensthandy in Griffweite liegt", kritisiert Vorstandsmitglied Anja Piel. "Doch ständige Rufbereitschaft macht krank: Erschöpfung, Schlafstörungen und sogar Herz-Kreislauferkrankungen können die Folgen sein", mahnt sie.
Dabei stünden viele Arbeitnehmer durch die Pandemie bereits unter besonderer Belastung. Doch viele Arbeitgeber sorgten hier nicht ausreichend für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Piel fordert daher von der neuen Bundesregierung eine "Anti-Stress-Verordnung". "Der Entgrenzung von Arbeitszeiten muss durch Betriebsvereinbarungen ein Riegel vorgeschoben werden", sagt sie.
Die meisten Unternehmen betonen, auf das Thema angesprochen, dass die Mitarbeiter natürlich nicht unter dem Weihnachtsbaum erreichbar sein müssten. Echte Gegenmaßnahmen sind selten, es gibt sie aber: Bei Volkswagen beispielsweise gibt es seit rund zehn Jahren eine Serversperre für Mails auf Diensthandys von Tarifbeschäftigten. Nachts und an Wochenenden werden keine neuen E-Mails weitergeleitet. Die Regelung solle sicherstellen, "dass die Arbeitszeit durch die Nutzung von Diensthandys nicht entgrenzt wird", heißt es vom Konzern. SMS und Anrufe sind davon aber ausgenommen.
Dass die Arbeitnehmer mal abschalten können, ist dabei nicht nur für sie selbst wichtig. Auch für die Unternehmen sei es durch die negativen Auswirkungen auf die Arbeitnehmer eher von Nachteil, wenn diese das Gefühl hätten, dauernd erreichbar sein zu müssen, sagt Arbeitsforscherin Schade. "Und es ist ja auch in den seltensten Fällen wirklich wichtig, dass eine Mail am 25. Dezember beantwortet wird." Wenn es wirklich nötig sei, Mitarbeiter erreichen zu können, sei es besser, konkrete Zeitfenster zu vereinbaren. Das gebe beiden Seiten Planungssicherheit und vermeide Stress.
Rechtlich zumindest müssen sich Arbeitnehmer in den meisten Fällen keine Sorgen machen, wenn das Diensthandy an Weihnachten aus ist. "Ohne eine gesonderte Vereinbarung zur Rufbereitschaft sind Beschäftigte grundsätzlich nicht verpflichtet, außerhalb der vereinbarten Arbeitszeiten für den Arbeitgeber erreichbar zu sein", heißt es vom DGB. "Das gilt am Feierabend genauso wie während der Urlaubszeit oder an Feiertagen." (dpa/rw)