Herbst 2008. Eine der heftigsten Finanz- und Wirtschaftskrisen weltweit zeichnet sich ab. Seit fast zwei Jahren ist Peter Wroblowski jetzt Corporate CIO des Düsseldorfer Konzerns Henkel. Das Familienunternehmen kann sich noch gut gegen die bereits schwieriger werdenden Märkte behaupten. Henkel wird das Jahr 2008 mit einem Umsatz von 14 Milliarden Euro abschließen - das ist ein Plus von acht Prozent. Noch vor Ende des Jahres fällt die Entscheidung für ein wichtiges IT-Projekt: Die inzwischen unüberschaubare Zahl der Lieferanten muss deutlich sinken.
Das Jahr 2009 fängt nicht gut an. Henkel schlittert mit dem Rest der Wirtschaft in die Krise. Schon im Januar lädt der Konzern-CIO ein gutes Dutzend Vertreter der IT-Branche zu sich ein. Nach sorgfältigen internen Vorbereitungen steht jetzt die konkrete Umsetzung mit den Partnern an. Es geht um große Summen. Die Hälfte des jährlichen IT-Service-Budgets von Henkel steht zur Ausschreibung - die Hälfte, das sind damals 100 Millionen Euro jährlich. "Man muss Mut haben zu solchen Entscheidungen", wird Wroblowski später als wichtigsten Ratschlag an die CIO-Gemeinde weitergeben. Selbstverständlich birgt so eine Aktion Risiken. Und die Bedenkenträger ließen auch damals nicht auf sich warten.
Doch der CIO, der auf 25 Berufsjahre in der IT zurückblickt, macht unbeirrt weiter. Er weiß, dass am Schluss alle von den Resultaten profitieren werden. Und dafür bringt er den Mut auf und unterstützt alle Beteiligten, wo immer es nötig ist. "Das hat auch viel mit persönlichem Bekenntnis zu tun", sagt Wroblowski. Skeptikern macht er klar, dass auch er persönlich an dem Erfolg gemessen werden wird. "Erklären ist die eine Hälfte des Erfolgsrezepts, Zuhören die andere." Ob es aufgeht, wird sich zeigen.
Bei Henkel bewegt sich das IT-Gesamtbudget in einer Höhe von 250 Millionen Euro. Davon fließen rund 80 Prozent an externe Lieferanten. Infrastruktur-Services, Beratung, TK, Anwendungsbetreuung - es gibt kaum etwas, das Henkel nicht einkauft. Das gehört zur IT-Strategie. Und für diese formuliert der Konzern-CIO zwei Ziele: "Erstens: Wir wollen die Geschäftsprozesse von Henkel optimal unterstützen, und zweitens: zu möglichst geringen Kosten", sagt Wroblowski. "Und zwar in dieser Reihenfolge."
Zu viele für eine enge Beziehung
Um diese Ziele zu erreichen, ist das Lieferanten-Management ein wesentlicher Hebel. Eine hohe Qualität für das Business lässt sich bei den Service-Dimensionen des Henkel-Konzerns nur gewährleisten, wenn die IT eng mit den Lieferanten zusammenarbeitet. Und genau an diesem Punkt hat Wroblowski ein Problem. Oder vielleicht: 120 Probleme. Denn so viele Dienstleister zählt die Henkel-IT - zahlreiche kleine Anbieter und einzelne Freelancer eingerechnet sind es fast 1000. Eindeutig zu viele für eine enge Beziehung. "Ich kann nicht mit 120 Lieferanten reden", sagt der CIO.
Ein glücklicher Umstand kommt ihm zu Hilfe: Viele der Lieferantenverträge laufen in den Jahren 2010 oder 2011 aus oder können neu verhandelt werden. "Das ist eine Sollbruchstelle", sagt Wroblowski. Gemeinsam mit dem Einkauf, der Rechtsabteilung und den Personalverantwortlichen kann er eine große Zahl Leistungsbündel auflösen und neu schnüren. Die Verhandlungsmasse summiert sich auf besagte Hälfte des Jahresbudgets, verpackt in drei große Aufgabenbereiche: Anwendungen, Infrastruktur und Helpdesk.
Bis in den Juli hinein verhandelt das Projektteam mit den IT-Dienstleistern. Die oberste Prämisse: keine Störung im Business. Die wichtigste Bedingung: mindestens 20 Prozent Einsparung. Wer das nicht schafft, braucht erst gar kein Angebot abzugeben. "Wir haben Aufwände und tragen das Risiko - das machen wir nicht, wenn sich dabei nicht ein deutlicher Betrag einsparen lässt", erklärt Wroblowski.
Im Sommer 2009 weiß Henkel, dass seine Einsparhoffnungen um den Faktor zwei übertroffen werden - die Leistungen kosten nicht 20, sondern sogar 40 Prozent weniger als zuvor. Der Zuschlag geht an Accenture, IBM und Unisys. Accenture übernimmt die Anwendungsentwicklung und -wartung, IBM konsolidiert fünf Rechenzentren auf zwei und betreut sie, und Unisys wird in Westeuropa und Nordamerika den Helpdesk verantworten. "Im Zweifel entscheidet der Preis", erklärt Wroblowski die Zuschläge. Qualitätsunterschiede gibt es in dieser Liga kaum. "Und wenn", so der IT-Manager, "dann machen sich Differenzen nicht am Unternehmen, sondern an einzelnen Personen fest."
In der zweiten Jahreshälfte 2009 stabilisiert sich das Geschäft des Konsumgüterkonzerns. Und die IT tritt die entscheidende Phase an. "Verträge verhandeln, eine Strategie postulieren, das ist ja alles noch einfach", meint Wroblowski. "Aber wenn bei der Umsetzung nicht Tausende Hände zugreifen und die Pläne im Alltag zum Funktionieren bringen, dann haben Sie ein echtes Problem." Know-how-Transfer, Parallelbetrieb von Infrastrukturen, Übergaben, Übernahmen - Henkel stehen nach Abschluss der Verträge zwei Jahre Umbau der halben Provider-Landschaft bevor. Und: Fokussierung. Andere IT-Projekte sind eingefroren, was Konflikte mit den Fachabteilungen programmiert. Aber auch das gehört für den CIO zum Management. "Wir erklären allen, dass wir Prioritäten setzen müssen. Und Prioritäten setzen heißt: Dinge nicht zu tun!"
Wroblowski hat seine Mannschaft gründlich auf den Wandel vorbereitet. Weltweit wurde ein eigenes Kommunikationskonzept erarbeitet, um das Vorhaben zu beschreiben und zu erklären. Gleichzeitig nimmt ein groß angelegtes Fortbildungsprogramm das Thema Vendor-Management in das neue Anforderungsprofil der IT-Organisation auf. Unter dem Namen "IT-Campus" schult Henkel schon frühzeitig seine IT-Mitarbeiter in Verhandlungsgeschick, dem Umgang mit Dritten oder Diskussionen in fremder Sprache.
Doch nicht nur die eigenen Leute werden berücksichtigt. Wroblowski steht keiner Schar von Dienstleistern gegenüber und kann nun an der Beziehung zu den drei neuen Partnern arbeiten. Denn ab jetzt trägt man die Verantwortung für die Henkel-IT der nächsten Jahre gemeinsam. Schon in den Verhandlungen waren die Führungsspitzen der Provider in das Projekt eingebunden. Diese maximale Aufmerksamkeit mag bei einem Konzern wie Henkel selbstverständlich scheinen, für den Konzern-CIO ist es eine Conditio sine qua non.
Lieferanten im höchsten IT-Gremium
Wie ernst es ihm ist, zeigt Wroblowski mit einer ungewöhnlichen und ungeplanten Entscheidung: Auf seinen persönlichen Wunsch hin nimmt Henkel drei Vertreter von Accenture, IBM und Unisys in das Executive Committee der IT auf. In diesem höchsten IT-Entscheidungsgremium besitzen sie kein Stimmrecht, nehmen aber an allen weltweit stattfindenden Besprechungen teil - ausgenommen bei einigen wenigen streng vertraulichen Angelegenheiten. "Das erzeugt ein Wir-Gefühl, wie man es anders gar nicht schaffen kann", sagt Wroblowski. Die drei Executives verstehen, warum was bei Henkel geschieht. "Und mit diesem Verständnis sind sie viel besser in der Lage, uns zu unterstützen."
Stand Herbst 2010. Der Henkel-Konzern hat das schwierige Jahr 2009 hinter sich und verzeichnet längst wieder steigende Einnahmen. Genau zwei Jahre nach dem grundlegenden Beschluss der Düsseldorfer Zentrale hat die Henkel-IT die Hälfte des Weges geschafft. Der Übergang zu Accenture in der Applikationspflege und -wartung war Anfang 2010 abgeschlossen. Der Job mit IBM ist zur Hälfte erledigt, und Unisys arbeitet bereits in Westeuropa, die anderen Regionen folgen. Bis Mitte 2011 wird die Arbeit noch dauern.
"Es gibt zwei Voraussetzungen für eine optimale Umsetzung", hat Wrobloski gelernt. Erstens: Professionalität beim Managen. Das heißt, gründliche Planung im Vorfeld sowie eine ständige Qualitätskontrolle während der Umsetzung. "Morgens, mittags, abends", empfiehlt der IT-Chef. Etwa zwei Dutzend KPIs messen seine Leute und diskutieren sie monatlich mit den drei Providern. Ausreißer oder bedenkliche Trends tauchen immer wieder auf, das liegt in der Natur der Sache. Aber dann hat das Management zu entscheiden, ob ein Vorfall in die Kategorie "Passiert halt mal" oder "Systematische Gegenmaßnahme einleiten" gehört.
Der zweite Erfolgsbaustein: Kooperation zwischen Alt und Neu. "Wir brauchen auf drei Seiten gute Leute", sagt Wroblowski. Bei Henkel, bei den neuen Providern und bei den alten Geschäftspartnern. Letztere könnten eine potenzielle Schwachstelle sein. Sie verlieren erst ihre Aufträge und sollen nun noch ihr Wissen an die Wettbewerber weitergeben. Dass die Ausstiegsklauseln ihrer Verträge sie dazu verpflichten, ist keine Garantie für ein Gelingen. Doch nach einem Jahr des Übergangs weiß Wroblowski, dass von dieser Seite nichts zu befürchten ist. "Alle haben sich professionell verhalten und waren faire Geschäftspartner", lobt er seine ehemaligen Partner. "Sie haben uns nicht hängen lassen."
Basis für das Geschäft
Die IT von Henkel wird bald die zweite Säule ihrer dualen Strategie errichtet haben: zu minimalen Kosten zu arbeiten. Dabei hilft die Provider-Konsolidierung, helfen drei strategische Partner, helfen die Kosteneinsparungen. Damit ist die Basis gelegt, um an der ersten, der wichtigsten Säule der IT-Ziele zu arbeiten. "Nutzen zu stiften für das operative Geschäft", so Wrobloski. Für eine gute Produktionsplanung, einen guten Vertrieb und eine gute Logistik über den Handel bis zum Konsumenten. Die Chancen stehen gut, dass diese Bereiche zur richtigen Zeit die Früchte der Mühen in der IT ernten werden: Henkel hat die erfolgreiche Entwicklung nach einem sehr guten Start in das Geschäftsjahr 2010 auch im zweiten Quartal fortgesetzt und geht nun für das Gesamtjahr davon aus, die Ergebnisse im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 25 Prozent verbessern zu können.