„Enterprise 2.0“ ist derzeit ein viel diskutiertes Thema in und außerhalb von Unternehmen, und auch an aktuellen Bestandsaufnahmen mangelt es nicht. Für einen klareren Blick auf die Lage sorgt nun eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Schon alleine deshalb, weil sie repräsentativen Charakter hat: 4400 deutsche Unternehmen wurden befragt – angefangen bei Kleinunternehmen mit einer Handvoll Beschäftigten.
Insgesamt betrachtet erscheint der Anteil der Anwender von Social Media ausbaufähig. Lediglich 22 Prozent der Firmen sind auf Facebook, Twitter und anderen Plattformen aktiv und nutzen Wikis, Blogs oder Kollaborationsplattformen.
Höchst unterschiedlich ist dies aber in einzelnen Branchen. „Vor allem in Dienstleistungsbranchen, in denen Information und Kommunikation und die Nähe zum Kunden eine große Rolle spielen, findet Web 2.0 zahlreiche Anwender“, sagt Irene Bertschek, Forschungsgruppenleiterin am ZEW.
Die IT- und Telekommunikationsbranche scheint da prädestiniert dafür, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Und sie tut das auch: 62 Prozent der Firmen zeigen sich Web 2.0-affin. Deutlich über dem Schnitt liegen mit jeweils knapp 40 Prozent Medienunternehmen sowie Unternehmensberater und Werbeagenturen, für die Bertscheks Urteil ja ebenfalls gut passt.
Finanzdienstleister und technische Dienstleister heben mit jeweils rund 30 Prozent den Schnitt, ehe sich das Feld sukzessive nach unten differenziert. Im Einzelhandel als Schlusslicht zählen nur 12 Prozent zu den Anwendern von Social Media. Bei Herstellern von Verbrauchsgütern oder Transportfirmen ist die Situation kaum besser.
Angst wegen Sicherheit und vor Kontrollverlust
Als Einsatzzweck nennen drei Viertel der Anwender das Wissensmanagement. Je zwei Drittel nennen verschiedene Kommunikationsziele: mit Kunden, mit externen Partnern oder Lieferanten sowie zwischen Mitarbeitern.
Eine Kluft tut sich in der Projektarbeit auf. In 62 Prozent der Firmen, die Social Media nutzen, dient dies auch der Unterstützung von Projekten im Unternehmen. Bei gemeinsamen Projekten mit Externen wird Web 2.0 hingegen nur in 46 Prozent der Unternehmen eingesetzt.
Das größte Hemmnis ist aus Sicht der Firmen weiterhin die Sorge vor Sicherheitsrisiken für das IT-System. 64 Prozent führen dieses Argument an. Fast ebenso viele Unternehmen hegen Bedenken, der Aufwand könne zu hoch und die Folgekosten unabsehbar sein.
Über die Hälfte der Firmen fürchtet unzureichende Kontrolle über Inhalte oder Schwierigkeiten bei der Integration in die bestehende IT-Infrastruktur. Genau so verbreitet sind allgemeine Bedenken der Geschäftsführung.
Die mögliche starke Ablenkung der Mitarbeiter durch die Arbeit in den sozialen Netzwerken bereitet 48 Prozent Sorgen. Ein Drittel der Befragten hat Bedenken wegen fehlender Bereitschaft der Mitarbeiter für das internetbasierte Aufgabenfeld.
ZEW zweifelt an Nachhaltigkeit
55 Prozent der Enterprise-2.0-Firmen setzen Social Media unternehmensweit ein. Aktiv bringen sich laut ZEW-Studie allerdings nur 14 Prozent der Beschäftigten ein, indem sie beispielsweise Inhalte gestalten oder kommentieren. Am höchsten ist der Anteil mit 31 Prozent hier in den Branchen Unternehmensberatung und Werbung, die in der Studie zusammengefasst betrachtet werden.
Das Urteil des ZEW zu den Studienergebnissen fällt zurückhaltend aus. „Es bleibt abzuwarten, ob Social Media eine nachhaltige Veränderung von Unternehmenskulturen bewirken werden“, so Bertschek. Sollte aber tatsächlich mehr Offenheit, individuelle Vernetzung und dezentrale Zusammenarbeit in die Unternehmen einziehen, käme dies dem Erfolg zugute.
Das ZEW kooperierte für die "IKT-Umfrage" mit der Bonner Infas GmbH (Institut für angewandte Sozialwissenschaft).