Nutzen häufig unklar

Nur wenige Unternehmen haben umfassende IoT-Strategie

01.12.2016 von Manfred Bremmer
Einer aktuellen Umfrage zufolge hat die Mehrheit der deutschen Unternehmen das Potenzial von Internet of Things (IoT) noch nicht erkannt, sondern sammelt derzeit bestenfalls erste operative Erfahrungen. Von einer strategischen Ausrichtung oder einer unternehmensweiten Transformation kann noch nicht gesprochen werden.

Das ist ein Ergebnis der Studie "Wettbewerbsfaktor Analytics im Internet der Dinge", die die Universität Potsdam in Zusammenarbeit mit SAS erstellt hat. Wie die Umfrage unter knapp 5800 Unternehmen ergab, setzt sich bisher weniger als die Hälfte von ihnen (43,5 Prozent) aktiv mit dem Thema IoT auseinander. Besonders weit hinken Handel und Gesundheitswesen (35 bzw. 38 Prozent) hinterher, wenn es um den Einsatz von Sensorik und Datenauswertung geht, "Vorreiter" sind die Branchen Logistik und Diskrete Fertigung (51 bzw. 50 Prozent).

Die Mehrheit der deutschen Unternehmen hat das Potenzial von Internet of Things (IoT) noch nicht erkannt.
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Hindernis für eine strategische IoT-Implementierung ist laut Studie unter anderem die Frage nach dem Nutzen. So sehen 63 Prozent der Unternehmen, für die IoT noch kein Thema ist, sehen die konkrete Bewertung dieses Nutzens als größte Hürde. Übergreifend werden von allen befragten Unternehmen das Fehlen technischer Standards (60 Prozent) und geeigneter Plattformen zur Datenintegration (47 Prozent) als die ausschlaggebenden Herausforderungen in IoT-Projekten genannt. Weitere Showstopper sind laut Umfrage die Kosten für die zusätzliche Infrastruktur zur Vernetzung (40 Prozent) sowie Bedenken bei Datenschutz (40 Prozent) und Datensicherheit (33 Prozent).

Wesentlich weniger Bedenken haben Unternehmen bei den technologischen Voraussetzungen. Lediglich 13 Prozent meinen, dass Analysesysteme und -werkzeuge fehlen, sieben Prozent sehen einen Mangel im Hinblick auf Referenzarchitekturen.

In der Logistik und Fertigung wird IoT besonders eifrig diskutiert.
Foto: Universität Potsdam

Potenzial von IoT noch nicht voll erkannt

Betrachtet man die Möglichkeiten, welche IoT für die Unternehmen aus verschiedenen Branchen bieten, gibt es zwei Zielstellungen: Zum einen soll der Umsatz durch neue und bessere Produkte und Dienstleistungen erhöht werden. Laut Studie sieht hier mehr als die Hälfte der Unternehmen Wachstumspotenziale in den nächsten fünf Jahren.

Die zweite Zielstellung ist die interne Effizienzerhöhung durch eine bessere und schnellere Datenversorgung. Zwei Drittel der Unternehmen sehen hier innerhalb der nächsten fünf Jahre zum Teil erhebliche Potenziale. Dagegen wollen erst 5 Prozent die Auswertung von Sensordaten für neue Geschäftsmodelle oder verbesserte Prozessüberwachung nutzen.

Am weitesten fortgeschritten sind - hauptsächlich vorangetrieben von der Fertigungsbranche - IoT-Projekte zur Effizienzsteigerung; bei 15 Prozent der befragten Unternehmen sind diese bereits in bestehende Prozesse integriert. Prozessüberwachung ist der Anwendungsbereich von IoT, in dem die meisten Befragten zumindest schon konkrete Projekte begonnen haben (39 Prozent).

IoT-Projekte zur Produkt- und Dienstleistungsentwicklung befinden sich bei Fertigung, Handel und Gesundheitswesen in der Regel noch in der Testphase (16 Prozent) oder in der prototypischen Implementierung (10,5 Prozent). Lediglich Banken geben an, die Sensordatenanalyse in entsprechenden Projekten zu integrieren (5 Prozent). Allerdings ist zu erwarten, dass künftig dieser Anwendungsbereich branchenübergreifend zunehmen wird, denn immerhin befindet sich knapp die Hälfte aller Unternehmen (47 Prozent) bereits in der Ideenfindungsphase.

Projekte zur Effizienzerhöhung sind bisher am weitesten fortgeschritten.
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Die Ergebnisse nach Branchen

Zu den wichtigsten Optimierungen, die das IoT der Versicherungsbranche bietet, gehören eine bessere Risikobewertung sowie die individuelle Gestaltung von Versicherungsprodukten und Tarifen. Generell wird das IoT-Potenzial in der Branche recht hoch bewertet, insbesondere, wenn es um die Auswertung von Daten in stark abgegrenzten Bereichen (wie bei Connected Car, Connected Home) geht. Trotz der hohen Potenzialbewertung nennen Versicherungen als einzige Branche in der vorliegenden Studie keine bereits initiierten Projekte.

Im Online-Handel sind ortsbezogene Anwendungen, automatisierte Bestellungen und Logistikanwendungen auf der letzten Meile die Handlungsbereiche mit dem höchsten Zukunftspotenzial. Der stationäre Handel wiederum sieht das größte Potenzial in der Handhabung des Sortiments, unter anderem durch das Monitoring der Produkteigenschaften (Unversehrtheit, Haltbarkeit etc.). Erste IoT-Projekte werden in der automatischen Bestandsführung, bei der Produktindividualisierung und in der Kundenidentifikation vorangetrieben.

Mit der anhaltenden Diskussion um Industrie 4.0 ist das Thema Digitalisierung in der Fertigung seit Jahren präsent. Die Implementierung von IoT wird daher in dieser Branche bereits sehr aktiv betrieben. Für Fertigungsunternehmen sind Daten zur Auslastung, zur produzierten Qualität sowie zum Wartungszustand unerlässlich. Die Überwachung der Maschinenzustände und die Planung von Wartungszyklen über vernetzte Sensorik werden daher als besonders vielversprechend bewertet.

Allgemein wird der Überwachung der Vitaldaten über Wearables ein hohes Potenzial zugeschrieben. Der Hauptnutzen von IoT wird in der Entlastung der stationären Infrastruktur und der Verlagerung von Überwachung und Therapie in den ambulanten Bereich erwartet. Über die Erhebung von gesundheitlichen Langzeitdaten und den Abgleich der Vitaldaten mit bekannten Mustern lassen sich individuelle Behandlungs- und Pflegepläne effizienter gestalten. Ein wichtiger Punkt sind auch die Überwachung von Risikopatienten und die zeitnahe Alarmierung bei Notfällen.

Wettbewerbsvorteile durch IoT nutzen

Generell befinden die Studienbetreiber vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der Universität Potsdam, dass die deutschen Unternehmen in puncto IoT noch großen Nachholbedarf haben. So treibe die Mehrheit (86,7 Prozent) die Implementierung von IoT nur auf Projektbasis oder Abteilungsebene voran. Lediglich 13,3 Prozent der Befragten verfügten über eine unternehmensweite Strategie.

Ein Blick auf den derzeitigen Stand der konkreten Projekte zeigt außerdem, dass diese primär eine interne Zielstellung haben. So dominieren vor allem die Effizienzerhöhung und Prozessüberwachung. Es existiert jedoch bereits eine Vielzahl von Projekten, welche die Umsatzsteigerung zum Ziel haben.

Die Unternehmen konzentrierten sich dabei auf ihre bestehenden Produkte und Dienstleistungen, moniert das Team um Prof. Dr.-Ing. Norbert Gronau, während der disruptive Charakter von den wenigsten durch neue Geschäftsmodelle aufgenommen werde.