Ein System fürs Enterprise Resource Planning (ERP) hat in der Regel eine hohe geschäftskritische Bedeutung – und ist im Idealfall auf dem modernsten Stand. Die Realität sieht indes anders aus, wie jeder CIO weiß. Viele ERP-Systeme haben längst etliche Jahre auf dem Buckel, weil es schlicht zu teuer ist, fortlaufend in Erneuerung oder Modernisierung zu investieren. Vor diesem Hintergrund legen die Analysten der Trovarit AG jetzt eine Studie von immenser Relevanz vor. Die Autoren Karsten und Rainer Sontow vergleichen auf Basis einer Befragung von mehr als 350 Unternehmen den Nutzen von erneuerten oder modernisierten ERP-Lösungen gegenüber Systemen auf einem älteren Stand.
Im Mittelpunkt der Analyse steht mithin eine klassisch betriebswirtschaftliche Grenznutzenfrage: Lohnt sich die Investition in eine Systemauffrischung – kommt also am Ende ein Nutzen dabei heraus, der die aufgewendeten Kosten aufwiegt oder übersteigt? Das Problem wird in der Untersuchung schon alleine dadurch unterstrichen, dass die Befragten im Durchschnitt in zweierlei Hinsicht sogar von einem Schaden ausgehen, der durch ERP-Modernisierung entsteht.
Aufwand und Kosten steigen, Sicherheit leidet
Zum einen wird von einer Verschlechterung bei IT-Aufwand und IT-Kosten von durchschnittlich fünf Prozent ausgegangen, was als logische Folge des hohen Aufwands einer Modernisierung erscheint. Als Modernisierung definieren die Studienautoren nämlich ausschließlich die Implementierung eines komplett neuen Systems oder aber einen Release-Wechsels, nicht aber nur mit kleinen Verbesserungen verbundene Upgrades.
Zum anderen kalkulieren die Befragten mit sogar noch größeren negativen Auswirkungen im Hinblick auf Datensicherheit. Eine ERP-Modernisierung geht demnach mit einem höheren Risiko von Datenverlust, Datenklau und Datenmissbrauch einher. „Offenbar wirkt sich hier die größere ‚Offenheit‘ der ERP-Software, z.B. durch mobile Anwendungsszenarien und den Zugriff über das Internet negativ auf die Datensicherheit aus“, heißt es in der Studie.
Alles in allem gibt es selbstverständlich keinen Zweifel daran, dass eine ganze Fülle von Vorteilen für eine Modernisierung spricht. Lohnend ist eine Investition indes nur dann, wenn die Verbesserung gegenüber dem Altzustand ein signifikantes Ausmaß annimmt. Vor diesem Hintergrund analysiert Trovarit die Hebelwirkung einer ERP-Modernisierung nach verschiedenen Gesichtspunkten. Sie sollte deutlich über dem Faktor 1 liegen, damit von einem nennenswerten Effekt gesprochen werden kann.
Gewinn an Transparenz wird überschätzt
Den augenscheinlich größten Nutzen haben Modernisierungsinvestition in der Kategorie Transparenz. Jeweils Verbesserung um 16 bis 20 Prozent gibt es demnach bei der Nachvollziehbarkeit von Informationen, der Steigerung von Transparenz und Prozessverständnis sowie der Bereitstellung nützlicher und korrekter Informationen.
Trovarit relativiert diesen ersten Eindruck allerdings. „Angesichts der Tatsache, dass auch die älteren ERP-Installationen bereits nennenswerte Beiträge zur Transparenzsteigerung leisten, liegt die ‚Hebelwirkung‘ von ERP-Investitionen bei den meisten einschlägigen Nutzenaspekten mit Werten zwischen 1,4 und 1,6 im mittleren Bereich“, so die Autoren. „Ausgenommen hiervon ist die ‚Steigerung des Prozessverständnis‘, bei dem mit einer Steigerung um das 1,8-fache eine größere Hebelwirkung von ERP-Investitionen gemessen wird.“
Auf einem ähnlichen Niveau liegt laut Studie der Nutzen einer gesteigerten Effizienz. Konkret betrifft das Möglichkeit zur weiteren Beschleunigung und Vereinfachung der Geschäftsprozesse, die Qualität und den Nutzen der Informationen, schnellere und einfachere Bereitstellung der Informationen sowie reduzierten Aufwand für die Dokumentation von Geschäftsvorfällen.
Vorteile bei übergreifender Zusammenarbeit
Als weitere Pluspunkte nennen die Befragten einen Zugewinn an Durchgängigkeit und einen Rückgang der Fehleranfälligkeit. „Fast den größten Hebel weisen Modernisierungsinvestitionen bei Effizienzsteigerungen im Bereich der länder- bzw. firmenübergreifenden Zusammenarbeit auf (1,82-fach bzw. 1,62-fach), wobei sich hier ‚Basis-Effekte‘ im Sinne spürbarer Einschränkungen älterer ERP-Installationen deutlich auswirken“, heißt es weiter in der Studie.
Während die Autoren anbieterspezifische Merkmale wie das Vertrauen in dessen Beständigkeit oder schnellen und kompetenten Service relativieren, betonen sie spürbare Verbesserungen der Anwenderfreundlichkeit. Durchschnittlich verbessert diese sich um ein Fünftel – häufiger allerdings durch einen Release-Wechsel als durch eine komplette Neuanschaffung.
Wo die Potenziale der Modernisierung liegen
Um mehr als 10 Prozent lässt sich der Nutzen durch eine höhere Zugänglichkeit über Internet und mobile Endgeräte sowie durch mehr Integrationsfähigkeit mit anderen Software-Lösungen steigern. Ähnlich groß sind die erzielbaren Fortschritte in funktionalen Bereichen wie Auswertung und Reporting sowie Abbildung internationaler Geschäftsstrukturen. Als „überschaubar“ bezeichnet Trovarit demgegenüber die Optimierung bei der Abbildung unternehmensspezifischer Geschäftsstrukturen und bei der Anpassbarkeit und Flexibilität der Lösung.
Trotz eines hohen Ausgangsniveaus bei älteren Lösungen seien im Hinblick auf Qualität und Redundanzfreiheit von Daten spürbare Verbesserungen zu realisieren. „Hier wirken sich dann die verschiedenen Verbesserungsmaßnahmen – angefangen von der Architektur über die Bedieneroberfläche bis hin zur durchgängigen Anwenderunterstützung – im Verbund aus“, so die Autoren.
Als Fazit sehen die Autoren „eine Vielzahl von wirksamen Ansatzpunkten zur signifikanten Steigerung des Nutzens einer ERP-Installation“. Die Realisierbarkeit hängt indes von der individuellen Situation auf Anwenderseite ab. Ein Faktor dabei ist die Unternehmensgröße. „Dabei wird der Nutzenbeitrag von ERP-Systemen im Hinblick auf die meisten Aspekte von größeren Unternehmen stärker wahrgenommen als von kleineren“, heißt es in der Studie.
Vorteil: Komplexität der Software-Landschaft verringern
Ganz besonders gelte dies im Hinblick auf die Vereinfachung und Beschleunigung der standort-, länder- oder firmenübergreifenden Zusammenarbeit. „Von kleineren Unternehmen überdurchschnittlich stark als Nutzen wahrgenommen wird die durchgängige Unterstützung der Anwender durch das ERP-System im Sinne eines Werkzeugs sowie die Reduzierung der Komplexität der Software-Landschaft.“
Rund die Hälfte der ERP-Lösungen sei bereits älter als zehn Jahre, in größeren Firmen gelte dies sogar für 70 Prozent – wenngleich regelmäßige Aktualisierungen Standard sind. Als Auslöser für eine umfassende Modernisierung nennen zwei Drittel der Befragten geänderte Anforderungen und Prozesse. 38 Prozent sind schlicht unzufrieden mit der alten Lösung, jeweils mehr als ein Viertel werden durch Einstellung des Supports oder Empfehlung des Anbieters motiviert.
ERP-Systeme meist älter als 10 Jahre
45 Prozent der Befragten sehen derzeit keinen Modernisierungsbedarf. Als Barrieren nennen 31 Prozent ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis, 25 Prozent fehlendes Personal und 23 Prozent Unsicherheit über den Nutzen der Investition.
Die Studie „Nutzen von ERP-Investitionen“ ist bei Trovarit erhältlich.